Kommentar:Sanktionen statt Nächstenliebe

Die Rufe führender Landkreispolitiker nach Disziplinierungsmaßnahmen gegen Flüchtlinge zeugen von Arroganz und Ignoranz

Von Helmut Zeller

Keine 24 Stunden nach den Anschlägen in Paris hatte Heimatminister Markus Söder schon versucht, die Terrorwelle für eine Verschärfung des Asylrechts zu instrumentalisieren. Verantwortungslos und geschmacklos, aber ganz auf CSU-Linie, die eine rigide Flüchtlingspolitik betreibt - mit Abschiebelagern für Balkanflüchtlinge, mit der Forderung nach Obergrenzen für Flüchtlinge und nach Sanktionsmöglichkeiten für Asylsuchende, die jetzt der CSU-Landrat in Dachau gerne auf Bundes- und Landesebene diskutiert sehen möchte. Gleich für "dringend" hält er Sanktionen - dringend nötig, dachten die Landkreisbürger dagegen bisher, sind doch Unterkünfte und eine rasche Integration der Flüchtlinge. Unsaubere Gemeinschaftsräume sind ein Problem überall dort, wo Massen von Menschen auftreten: in Kasernen, an Universitäten, in Bahnhöfen und nicht allein in Flüchtlingslagern.

Die Bewohner leiden selbst unter dem Schmutz. Es gibt, wie aus Helferkreisen zu hören ist, eine ganz einfache Alternative: Man muss mit den Betreffenden reden, was auch geschieht, und in der Regel zu Erfolg führt. Aber der Landrat nimmt alle Flüchtlinge quasi unter Generalverdacht und bedient damit die Ressentiments derjenigen, die ohnehin gegen Flüchtlinge eingestellt sind. Gerade Politiker der CSU warnen stets vor einem Kippen der Willkommenskultur, gefährden sie aber selbst durch stigmatisierende Maßnahmen und Äußerungen. Deshalb haben auch 45 katholische Ordensobere in einem offenen Brief an den Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Seehofer appelliert, "dringend von einer Rhetorik Abstand zu nehmen, die Geflüchtete in ein zwielichtiges Licht stellt".

Ringen nun in einer Brust der Katholik und der CSU-Politiker miteinander? Ach wo, Löwl will Sanktionen verhängen. Und die stellvertretende Landrätin Klaffki springt ihm bei, fordert eine Kommission zur Rettung der abendländischen Klosettschüssel. Ja, man könnte lachen, wenn es nicht dann doch so traurig wäre. Traurig, weil sich darin Überheblichkeit gegenüber den Flüchtlingen ausdrückt, ein Unverständnis ihrer Situation und - eine eigenwillige Auffassung vom Asylgesetz, die Flüchtlinge als Bittsteller begreift, was sie aber überhaupt nicht sind.

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