Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Preissturz als Chance

In und für Dachau ist eine Aktualisierung der Gemäldegalerie weg vom historisierenden Blick auf die gute alte Zeit überfällig

Von Wolfgang Eitler

In Dachau wächst die Enttäuschung über den Niedergang der Preise besonders für die prominenten Vertreter der Landschaftsmalerei des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Die Ursachen sind, wie die Kunsthistorikerin Bärbel Schäfer als vereidigte Sachverständige für die Dachauer Schule darlegt, vielfältig: Im Nachhinein erweist sich der durch die Kulturpolitik erzeugte Boom in den siebziger bis neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts als fatal. Bieterwettbewerbe von Dachauer Kunstfreunden trieben die Preise zur Freude von Auktionshäusern in die Höhe. Dazu kommt jetzt der Trend auf dem Kunstmarkt weg von der Malerei des gesamten 19. Jahrhunderts.

Überspitzt ausgedrückt, ist die Sammlung der Dachauer Gemäldegalerie für die hohe Zeit der Freilichtmalerei und der europäischen Künstlerkolonien gerade noch zehn Prozent dessen wert, was sie einst gekostet hatte. Die Kulturpolitik von Stadt und Landkreis muss zur Kenntnis nehmen, dass sie fast siebenstellige Beträge jährlich in ein Museum investiert, dessen Gemälde einen Preissturz erfahren haben.

Ein Galerist wäre jetzt so gut wie pleite. Aber den kommunalen Zweckverband Dachauer Museen und Galerien muss diese Entwicklung nicht weiter berühren. An der Gemäldegalerie lässt sich sogar die besondere Aufgabe eines Museums im Vergleich zu Institutionen des Kunstmarkts als krasser Gegensatz skizzieren. Dachauer Privatsammler mögen Bilder als Wertanlage erworben haben. Die Gemäldegalerie hingegen hat die Funktion eines kulturgeschichtlichen Gedächtnisses. Der eklatante Widerspruch zwischen Preis und Bedeutung könnte sogar dazu führen, den Blick auf die Sammlung zu erneuern, zumindest zu überdenken.

So hat der frühere Leiter des Dachauer Jugendgästehauses, Bernhard Schoßig, dargelegt, wie überfällig eine Alltags- und Sozialgeschichte ist, in der Bedeutung und Rolle der Künstler eingebettet wird. Zudem ist die Idee einer Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Landschaftsmalerei, wie sie der aus Dachau stammende Künstler Martin Schmidl gemeinsam mit jungen Kollegen gefordert hat, noch nicht diskutiert worden. Da sind andere regionale Museen schon sehr viel weiter.

Deswegen sind die Zeiten der heimeligen Geschichtsforschung vorüber. In Altomünster war dieses Jahr eine Ausstellung über Maria Langer-Schöller zu sehen. Während Kuratorin Jutta Mannes sich um eine Würdigung im Sinne Bernhard Schoßigs bemühte, standen die Führungen zu der Matisse-Schülerin unter dem herabsetzenden Titel "Malweib". In und für Dachau ist eine Aktualisierung der Gemäldegalerie weg vom historisierenden Blick auf die gute alte Zeit überfällig.

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Quelle:
SZ vom 31.12.2015
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