Kommentar:Niedrige Kosten als Zuckerl

Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung fehlen in Bayern bis zum Jahr 2030 14000 Mitarbeiter in der ambulanten und 48000 Fachkräfte in der stationären Altenpflege. Der Grund: Der Pflegeberuf ist anstrengend und wird schlecht bezahlt. Die neu gegründete Genossenschaft ist auf dem Weg, diesen Mangel zu lindern

Von Robert Stocker

Wer nach einer Operation in einem Krankenhaus gepflegt werden muss, freut sich über eine umfassende und gute Versorgung. Er freut sich, wenn er nicht eine geschlagene Stunde warten muss, bis eine Pflegerin oder ein Pfleger kommt, die ihm beim Gang zur Toilette helfen. Die das Bettlaken auswechseln, wenn es durchgeschwitzt ist. Er ist über Helfer froh, die vielleicht auch mal Zeit haben, kurz zuzuhören. Die ihm Sorgen und Ängste nehmen. In vielen Kliniken ist das nicht der Fall. Die Zahl der Beschäftigten ist zu klein, die vorhandenen Pflegekräfte sind überlastet. Für private Krankenhäuser sind sie ein Kostenfaktor, der möglichst gering ausfallen soll. Man muss schließlich sparen, damit die Gewinne stimmen.

Der Mangel an Pflegekräften ist aber nicht nur hausgemacht. Viele Kliniken oder Seniorenheime suchen händeringend nach Beschäftigten, versuchen Kräfte aus dem Ausland anzuwerben. Allein, der Markt ist leer gefegt. Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung fehlen in Bayern bis zum Jahr 2030 14 000 Mitarbeiter in der ambulanten und 48 000 Fachkräfte in der stationären Altenpflege. Der Grund: Der Pflegeberuf hat einen niedrigen sozialen Stellenwert und ist deshalb unattraktiv. Er ist anstrengend und wird schlecht bezahlt. Wer als normale Kraft 1500 oder 1600 Euro netto verdient, für den werden die Lebenshaltungskosten zum Problem. Besonders, wenn er in einer teuren Gegend wohnt.

Wer wenig Geld zur Verfügung hat, ist zum Sparen gezwungen. Pflegekräfte oder Erzieher wandern in Regionen ab, in der sie noch einigermaßen günstig leben können. Gegenden, in denen die Mieten nicht die Hälfte oder gar zwei Drittel des Gehalts verschlingen. So wie in München und seinem Umland. Kliniken, Altenheime oder Kindertagesstätten haben hier ein besonders großes Problem, ausgebildete Kräfte zu finden. Hier setzt die geplante Genossenschaft "Wohnungsvermittlung für soziale Berufe im Landkreis Dachau" an. Sie sucht nach leer stehenden Wohnungen, die sie an Arbeitgeber aus dem sozialen Bereich vermittelt. Die Mieten sollen bezahlbar sein, damit die Arbeitgeber schon bei der Stellenausschreibung damit werben können. Ein Zuckerl, das Menschen in sozialen Berufen vielleicht dazu bringt, einen Job im Landkreis anzunehmen. "Habt ein Herz für soziale Berufe", appellieren die Initiatoren der Genossenschaft. Damit sind in erster Linie die Vermieter gemeint, die dafür Wohnungen bereit stellen sollen. Eine gute Pflege könnte eines Tages auch für Vermieter wichtig sein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: