Kommentar:Mehr Freiheit wagen

Sicherheit, Hygiene und Brandschutz sind wichtig. Aber wer das Brauchtum erhalten will, muss die Vorgaben für Ehrenamtliche praxistauglich gestalten

Von Thomas Radlmaier

Jetzt, im Sommer, spürt man es wieder: das sogenannte bayerische Lebensgefühl. Damit verbinden viele Menschen, eine Mass im Biergarten zu trinken. Dazu gehören auch die vielen Freiluftfeste, die jedes Jahr zwischen Mai und September in den Dörfern über die Bühne gehen. Grill-, Wein- und Gartenfeste sind "Fixpunkte der bayerischen Lebenswelt", so sagt es die bayerische Bauministerin Ilse Aigner. Doch in den Vereinen, welche die Feiern veranstalten, ist die bayerische Gemütlichkeit verflogen. Sie müssen sich mit vielen und teilweise unsinnigen Sicherheitsauflagen herumschlagen. Viele haben den Überblick verloren. Sie sorgen sich, ob sie auch alles richtig machen. Die umfassenden Sicherheitsauflagen führen zu Unsicherheit bei den Ehrenamtlern.

Um sich im Dschungel der Verordnungen zurecht zu finden, muss man Experte sein. Doch Ehrenamtler sind keine Experten. Sie opfern ihre Freizeit, um sich zu engagieren. Viele arbeiten montags bis freitags. Doch wer hauptberuflich nicht gerade im Bauamt tätig ist, den stellen Fragen der Verkehrssicherheit, des Brandschutzes oder der Zeltbestuhlung vor ein Problem. Wie weit dürfen Tische auseinanderstehen? Wo müssen Fluchtwege verlaufen? Wie viele Securitys müssen im Einsatz sein? Verstößt die Beleuchtung gegen den Brandschutz? Das alles sind zweifellos wichtige Fragen. Aber sie sind auch kompliziert. Manchmal zu kompliziert. Die Folge: Der Vereinsvorstand überlegt sich im Vorfeld lieber zweimal, ob es eine Hüpfburg oder ein Lagerfeuer unbedingt braucht. Die Ehrenamtlichen gehen auf Nummer sicher. Das heißt: lieber kleiner oder gar nicht feiern.

Mit den Verordnungen wächst die Verantwortung für diejenigen, die Feste ausrichten. Da es viele Auflagen gibt, gibt es viele Möglichkeiten, dagegen zu verstoßen. Den ehrenamtlichen Veranstaltern wird das alles zu unsicher für sie selbst. Plötzlich sind sie und nicht die Eltern verantwortlich, wenn ein Kind beim Grillfest barfuß in eine Glasscherbe läuft. Oder wenn Betrunkene auf dem Faschingsumzug zu schlägern anfangen, sind die Faschingsvereine schuld, weil Securitys fehlen. Dann kann es schnell teuer werden. Es ist verständlich, dass die ehrenamtlichen Veranstalter nicht die Verantwortung für ihre Besucher übernehmen wollen. Denn theoretisch kann viel passieren, wenn Menschen zusammenkommen.

Mehr Sicherheit kann weniger Freiheit bedeuten. Feste und Feiern müssen sicher sein. Keine Frage. Doch Behörden sollten Vereinen bei der Planung mehr Freiheit zugestehen. Auch das entspräche dem bayerischen Lebensgefühl: etwas mehr Gemütlichkeit.

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