Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Keine Lobby, kaum Schutz

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Häusliche Gewalt in Familie und Partnerschaft ist kein Einzelschicksal. Die Politik müsste dringend mehr tun.

Von Helmut Zeller

Das Schlagwort vom Drei-Stufen-Plan kann der Awo-Vorsitzende Oskar Krahmer aus nachvollziehbaren Gründen schon nicht mehr hören. Man muss die Bemühungen der Familienministerin nicht gering schätzen, obgleich der angekündigte Geldsegen für Frauenhäuser doch auch noch andere Absichten verfolgt. Jedenfalls wundern sich sogar CSU-Kommunalpolitiker im Landkreis nicht wenig, was derzeit von der Landesregierung an Geldgeschenken kommt oder in Aussicht gestellt wird. Im März 2020 sind schließlich Kommunalwahlen in Bayern. Aber es geht um eine grundsätzliche Reform der Förderrichtlinien, die der Drei-Stufen-Plan eben ausspart. Der Flickenteppich der bisherigen Finanzierung von Frauenhäusern durch den Bund, das Land Bayern und Kommunen muss vereinheitlicht werden. Das aber geschieht nicht, obwohl das nicht nur von den Trägern der Freien Wohlfahrtspflege gefordert, sondern auch durch wissenschaftliche Studien ausreichend begründet wird. Auch die Kommunen müssten eine einheitliche Regelung begrüßen.

Die Staatsregierung will sich eben nicht festlegen: Hier mal, dort mal ein paar Millionen, viele Absichtsbekundungen - und alles öffentlichkeitswirksam aufbereitet. Das geht natürlich nur, weil Frauen und Kinder, die Opfer häuslicher Gewalt wurden, keine Lobby haben. In den Frauenhäusern herrschen untragbare Zustände - und der Umgang der Politik damit ist auch nur noch als unerträglich zu bezeichnen. Der Schutz vor Gewalt ist eine Aufgabe des Staates. So steht es im Grundgesetz und in der Bayerischen Verfassung. Aber eine Politik, die das wirklich ernst nimmt und entsprechend viel Geld dafür ausgibt, bleibt weiterhin ein Traum. Wegschauen ist aber nun wirklich keine Lösung: Häusliche Gewalt in Familie und Partnerschaft ist kein Einzelschicksal. Sie kommt in allen gesellschaftlichen Schichten vor. Laut Bundesfamilienministerium erleidet mindestens jede vierte Frau im Alter von 16 bis 85 Jahren körperliche oder sexuelle Übergriffe durch den Ehemann oder Lebenspartner. Die Situation der Betroffenen - mindestens die Hälfte kann nicht in Frauenhäusern betreut werden - verschärft sich noch durch die Lage auf dem Wohnungsmarkt. Nicht selten sind traumatisierte Frauen und Kinder gar gezwungen, zu ihrem Mann zurückzukehren, weil sie keine bezahlbare Wohnung finden. Für die Betroffenen ist das schrecklich - für die Politik eine Bankrotterklärung.

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Quelle:
SZ vom 18.02.2019
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