Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Ganz weit vom Bürger weg

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Auf allen fünf Bürgerversammlungen in Dachau sprach sich die Mehrheit für den Umbau der Münchner Straße aus. Darauf sollte die Politik hören, allen voran die CSU, die schon vor Ende der Testphase mit einer eigenen Umfrage das neue Modell der Einkaufsmeile madig machen wollte

Von Helmut Zeller

Vielleicht schreiben es sich die Stadträte, die seit vielen Jahren schon so gerne über die Münchner Straße streiten, jetzt einmal hinter die Ohren: Nur ein gutes Drittel der Bürger interessiert die endlose Debatte über die Verkehrsführung in der Münchner Straße - und vor allem: Die große Mehrheit ist mit dem Experiment der auf drei Autospuren reduzierten Münchner Straße insgesamt zufrieden. Das lässt sich zumindest aus den Bürgerversammlungen schlussfolgern; wer darauf nichts gibt, braucht auch keine dieser Foren mehr abzuhalten. Das Ergebnis überrascht nicht: Natürlich sind die mobilen Verkehrsinseln eine große Hilfe beim Überqueren der Fahrbahn; natürlich sind die markierten Radwege hilfreich, wenn es auch noch Probleme mit ausparkenden Autos gibt; früher waren jedoch Fußgänger den zum Teil rücksichtslosen Radfahrern auf den Gehwegen ausgesetzt und umgekehrt war es auch keine große Freude, sich dauerklingelnd zwischen Passanten durchschlängeln zu müssen.

Aber die CSU-Fraktion hat offenbar so ihre Probleme mit dem Probelauf, dem sie selbst im Verkehrsausschuss zugestimmt hat. Deshalb hat sie eine eigene Umfrage gemacht - mit dem Ergebnis aus lächerlichen 97 Fragebögen, dass die umgestaltete Einkaufsmeile nur durchschnittlich benotet wird. Eigentlich überwacht ja die Stadtverwaltung das Experiment und befragt Bürger wie Geschäftsleute, aber die CSU habe sich selbst ein Bild machen wollen, hieß aus der Fraktion. Traut sie der eigenen Verwaltung nicht? Auf jeden Fall ist das spaßig: Künftig beschließt der Stadtrat ein Gutachten, und dann erstellt noch jede Fraktion ihre eigene Studie.

Interessant wird es, wenn die Ergebnisse der Testphase im Stadtrat zerpflückt werden. Das Thema ist ideologisch aufgeladen, die CSU will sich da ganz bürgernah zeigen; natürlich nebenbei auch Stimmen für den Bau der umstrittenen Umgehung einfangen. Dabei müsste die Fraktion nur den Bürgerversammlungen lauschen. Sie haben die Kluft zwischen Politik und Bürgerwillen einmal mehr deutlich gemacht. Da war auch nichts von Stau zu hören, den FW-Mitglieder prophezeiten - um halt auch scheinbar gescheit mitzureden.

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Quelle:
SZ vom 18.04.2017
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