Kommentar:Die ideale Lösung gibt es nicht

Die Dachauer sind radlbegeistert. Doch bislang eher in ihrer Freizeit. Die Strecken müssen ausgebaut werden, damit mehr Menschen umsteigen

Von Gregor Schiegl

Die Ausgangsbedingungen sind günstig: In keinem Landkreis rund um München sind die Leute derart radbegeistert wie in Dachau. Aus der Grundlagenermittlung zum Verkehrsplan des Landkreises geht hervor, dass im Schnitt jeder Haushalt im Landkreis Dachau drei funktionstüchtige Fahrräder zur Verfügung hat, nur sieben haben keines. Etwa ein Drittel der Landkreisbewohner nutzen ihr Fahrrad täglich und rund 19 Prozent immerhin wöchentlich. Der Schönheitsfehler: Die meisten schwingen sich erst nach Feierabend und am Wochenende aufs Rad, jeder Dritte nutzt das Rad für Freizeitaktivitäten. In die Arbeit radelt nur etwa jeder Fünfte. Da ist noch Luft nach oben.

Nach wie vor ist das Auto das Hauptverkehrsmittel für die Landkreisbürger, 50 Prozent der Wege legen sie motorisiert zurück. Knapp die Hälfte der zurückgelegten Wege ist allerdings nicht länger als zwei Kilometer, die könnte man ohne weiteres auch mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurücklegen. Doch das ist graue Theorie: Man kann schlecht über holprige Feldwege in die Arbeit radeln, wenn man danach entweder staubbedeckt oder schlammbespritzt im Büro eintrifft. Und wenn man parallel zum Stopp-and Go-Verkehr radelt, dann aber an jeder Querstraße wieder an der Ampel steht, ist der Wechsel auf den Drahtesel auch nicht mehr so attraktiv. Was daher nötig ist, sind gut ausgebaute Radstrecken mit möglichst wenigen Behinderungen. Wer Radverkehr fördern will, muss ihn attraktiv machen.

Radschnellwege wären die ideale Lösung, aber wie alle Ideale sind sie nur schwer, vielleicht sogar niemals zu erreichen. Der Raum von München bis Dachau ist dicht besiedelt, und schon jetzt müsste man bei der Trassenführung einige Kompromisse eingehen. Weiteres Problem: Es gibt derzeit noch gar kein vernünftiges politisch-planerisches Instrumentarium, um Radschnellwege zu bauen; eine übergeordnete Stelle, die alles koordiniert, gibt es nicht. Der Ansatz des Landkreises ist daher durchaus vernünftig: das Ideal weiterhin anstreben, aber gleichzeitig an kleinen Verbesserungen arbeiten, Lücken im Radwegnetz zu schließen und Schlaglöcher zu flicken. Das ist keine Radl-Revolution, aber es hilft mehr als hochfliegende Visionen, die in zehn Jahren als Utopie zerplatzen. Besorgniserregend ist allerdings, dass für das Gesamtverkehrskonzept des Landkreises wichtige Eckdaten fehlen, die - wenn sie denn endlich kommen - vermutlich schon veraltet sind.

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