Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Die CSU verdrängt ihre Fehler

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Die Wahlanalyse der CSU ist dramatisch oberflächlich. Von harrsträubenden Fehlern im Wahlkampf will die Partei nichts wissen.

Von Gregor Schiegl

Die amerikanisch-schweizerische Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross begründete 1969 die Theorie der "Fünf Phasen der Trauer". Es ein Verhaltensmodell für Menschen, die einen schweren Verlust zu verkraften haben; das kann ein schmerzhafter und manchmal sehr langer Prozess sein. Die stolze CSU hat gerade einen so schweren Verlust zu verkraften: den Verlust des Vertrauens eines nicht ganz geringen Teils ihrer Wähler. Am ersten Tag nach dem Absturz bei der Bundestagswahl befindet sich die Partei noch weitestgehend in der Phase 1: Verdrängung. Die CSU hört sich an wie der Schwarze Ritter aus Monty Python, der mit abgeschlagenen Armen und Beinen im Wald steht und achselzuckend sagt, das wäre doch bloß eine Fleischwunde. So kann man das natürlich auch nennen - und munter weiter ausbluten.

Die Fehleranalyse der CSU ist dramatisch oberflächlich: einige betriebliche Petitessen wie der Einsatz suboptimaler Wahlwerbeformate oder ein widriger Bundestrend. Letzterer scheint ohne Zutun der CSU wie ein gottgewolltes Unwetter auf das schöne Bayernland niedergegangen zu sein. Die permanenten Sabotageakte von Ministerpräsident Markus Söder gegen den gemeinsamen Spitzenkandidaten Armin Laschet werden von der Landkreis-CSU wider besseres Wissen als Teil einer geheimnisvollen Erfolgsstrategie dargestellt. Man muss schon ein blindes Vertrauen in die Genialität der CSU haben, um das zu glauben.

Zu denken geben sollte, dass CSU-Direktkandidatin Katrin Staffler im Landkreis deutlich mehr Erststimmen geholt hat als ihre Partei im ländlichen Hilgertshausen-Tandern. Als nahbare Politikerin, die sich persönlich um Sorgen der Bürger kümmert, hat sie sich auch gegen SPD-Mitbewerber Michel Schrodi souverän durchsetzen können. Dabei ist Schrodi keineswegs ein Leichtgewicht. Er vereinigte wie Staffler mehr Stimmen auf sich als seine Partei - ein Kunststück, das in Bayern nur zwei weiteren SPD-Bewerbern gelungen ist. Was man daran sieht: Der alte CSU-Slogan "Näher am Menschen" funktioniert, aber man muss auch danach handeln. Die nächste Stufe im Trauermodell lautet übrigens Wut, dann beginnt das Verhandeln (mit Christian Lindner). Es folgt die Verzweiflung und dann die Akzeptanz. Es wird wehtun, aber die CSU wird auch das überleben.

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SZ vom 28.09.2021
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