Kommentar:Der politische Wille fehlt

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Was getan werden muss, um traumatisierten Frauen und Kindern zu helfen, ist längst bekannt. Nur umsetzten müsste man es endlich mal.

Von Helmut Zeller

Eine Antwort auf seinen Brief an den Ministerpräsidenten hat Oskar Krahmer noch nicht erhalten. Aber damit hat der Awo-Vorsitzende so schnell auch nicht gerechnet. Ob sein - und das aller anderen Frauenhäuser - berechtigtes Anliegen Gehör findet, das hängt ganz davon ab, ob die arg gebeutelte CSU und Söder im Landtagswahlkampf sich davon Wählerstimmen versprechen. In der Sache dürfte es kein Zaudern geben: Im Jahr 2011 hat der Europarat ein Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt getroffen. Die sogenannte Istanbul-Konvention wurde Ende 2017 durch die Bundesrepublik ratifiziert. Nun ist Papier, auch das, auf dem Grundgesetz und bayerische Verfassung stehen, ja bekanntlich geduldig. Im Grunde aber müssten alle, Bund, Bayern und Kommunen, Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen ergreifen - und ganz rasch die völlig veralteten Richtlinien aus dem vergangenen Jahrhundert durch adäquate neue ersetzen.

Das bayerische Familienministerium stellt sich zwar auf den Standpunkt, dass doch fortlaufend etwas getan werde. Tatsächlich tagte nahezu zwei Jahre seit 2016 eine Arbeitsgruppe, um die Empfehlungen der Wissenschaftler der Universität Erlangen-Nürnberg umzusetzen. Aber mit dem Wechsel im Ministerium werden die Ergebnisse von Arbeitsgruppen und Studien wieder verworfen und neue Arbeitsgruppen eingesetzt - bis zu dem Unfug, dass wieder einmal der Begriff der Gewalt neu definiert werden soll. Die Betroffenen und die Experten der Wohlfahrtsverbände brauchen keine Definition, sie haben mit Gewalt an Frauen und ihren dramatischen Folgen tagtäglich zu tun. Kosmetische Nachbesserungen an einigen Stellen, viel mehr ist es nicht, lösen nicht die grundsätzlichen, strukturellen Problemen.

Dabei liegen die Lösungen auf dem Tisch. Die Studie der Wissenschaftler von Februar 2016 bietet die Grundlage für eine Neuordnung der Richtlinien, die aktuellen Verhältnissen Rechnung tragen würde. Der Freistaat und auch der Bund stehen in der Pflicht, eine einheitliche, ausreichende Finanzierung und Betreuung der traumatisierten Frauen und Kinder zu gewährleisten. Warum also wird das nicht umgesetzt? Alle Voraussetzungen liegen vor - nur der politische Wille fehlt.

© SZ vom 06.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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