Kommentar:Aufmerksamkeit um jeden Preis

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Der AfD-Kreisverband reizt das demokratische Recht der Parteien auf politische Willensbildung in Dachau bis zum Äußersten aus. Der Eklat gehört zum Kalkül

Von Gregor Schiegl

Willkommen ist die Alternative für Deutschland in der Stadt Dachau nicht. Das ist kein Wunder. Viele politische Thesen der AfD widersprechen fundamental dem Selbstverständnis der Stadt als Lern- und Erinnerungsort, der sich in besonderer Weise dem Pluralismus und der Toleranz gegenüber Minderheiten verpflichtet fühlt. Trotzdem durfte die AfD 2015 eine Veranstaltung im Thoma-Haus abhalten und hätte es, trotz der tumultartigen Szenen damals, nun wieder tun dürfen. Mit der Anmeldung einer Gegendemo gegen die erwartete Protestkundgebung hat der Kreisverband den Bogen allerdings überspannt: Das ist keine Maßnahme zur Herstellung öffentlicher Sicherheit, wie sie behauptet, das ist Krawall mit Ansage. Und es ist eine Provokation.

Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) hat die AfD gestoppt - deshalb und weil sie die Grenze des Erträglichen überschritten hat. So weit wollte es die Gemeinde Karlsfeld gar nicht erst kommen lassen. Ob sie ihre Linie juristisch durchhalten kann, der AfD quasi Hausverbot zu erteilen, erscheint allerdings zweifelhaft. Der Gesetzgeber hat die Grenzen für das, was passieren muss, ehe die Gemeinde einer Partei den Stuhl vor die Tür stellen darf, sehr weit gefasst - und vermutlich weiter als die Stadträte in Dachau und die Gemeinderäte in Karlsfeld es nach ihrem persönlichen Empfinden für hinnehmbar halten. Der Gleichheitsgrundsatz gilt aber für alle, auch für die AfD, die sich gerne als Gegenmodell zu etablierten demokratischen "Systemparteien" geriert. Insofern hat die AfD mit ihrer Kritik an den Kommunen in der Sache wahrscheinlich sogar recht. Was sie allerdings nicht ist, ist ein Opfer politischer Willkür.

Die AfD sucht die Konfrontation auf allen Ebenen. Demokratische Rechte, die dem Schutz der freien Meinungsäußerung dienen, nutzt sie gezielt aus, um zu provozieren. Der Eklat ist kalkuliert: Wir gegen die. Aufregung, Empörung und Zuspitzung sind das politische Geschäftsmodell der AfD. Den OB des Rechtsbruchs zu bezichtigen, den sie mit ihrer Eskalationsstrategie selbst zum Widerruf ihrer Veranstaltung genötigt hat, liegt in der Logik dieser Strategie. Die AfD braucht Aufmerksamkeit um jeden Preis, gerade jetzt, da das öffentliche Interesse an der von politischen Richtungskämpfen gebeutelten jungen Partei schon wieder stark nachgelassen hat.

© SZ vom 24.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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