Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Angriff auf die Demokratie

Die AfD versucht mit ihren unterschwelligen Drohungen ein Klima der Angst zu schaffen. Es ist wichtig und richtig, dass betroffene Politiker auf allen Ebenen dazu nicht schweigen und Solidarität einfordern

Von Jacqueline Lang

Seitdem die AfD im Bundestag sitzt, berichten Abgeordnete nahezu aller Parteien immer wieder darüber, wie sich der Ton in den Debatten verändert hat, wie er zunehmend verroht ist. Nun haben AfD-Bundestagsabgeordnete in der vergangenen Woche zur Debatte über das Infektionsschutzgesetz auch Bürger und Bürgerinnen in das Reichstagsgebäude eingeschleust, die gewählte Politiker beleidigt und eingeschüchtert haben. Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs; wirklich verwundern dürfte das längst niemanden mehr, zumindest diejenigen nicht, die das Handeln der in Teilen rechtsextremen Partei verfolgen. Ähnliches gilt auch für das Schreiben der AfD-Landtagsfraktion, das neben dem Dachauer Landrat Stefan Löwl (CSU) offenbar noch einige andere Landräte erreicht hat.

Die Verfasser waren klug genug, einem Kommunalpolitiker wie Stefan Löwl nicht direkt zu drohen, könnte das doch strafrechtliche Konsequenzen haben. Aber unterschwellig machen sie schon klar, worum es ihnen geht. Mit der Formulierung, dass "das Verhalten aller Verantwortlichen sicher noch einmal in einem anderen Licht gewürdigt" werde, signalisiert die AfD, dass sich demokratisch gewählte Politiker wie der Landrat in Zukunft vielleicht in Acht nehmen werden müssen. Der Subtext macht das Schreiben gefährlich. Denn wenn die Vergangenheit uns eines gelehrt hat, dann doch das: Auf Worte werden Taten folgen. Wer diese Drohung ernst nimmt - und ernst nehmen sollte man sie in jedem Fall -, kann - und soll - Angst bekommen. Und ein Klima der Angst kann Menschen zum Schweigen bringen, was dann wiederum als Zustimmung gewertet werden kann. Das ist die Art der Einflussnahme, die nicht nur die AfD versucht - da sind auch die Hasskommentare in den sozialen Medien und unverhüllte Drohungen bei "Hygiene"-Demos gegen die Corona-Politik der Bundesregierung.

Umso wichtiger ist, solche Äußerungen nicht als einfach nur unangebracht abzutun. Vielmehr muss man benennen, wie die AfD systematisch probiert, das System auszuhöhlen, indem sie unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit operiert.

Demokraten müssen ganz ungeachtet ihrer politischen Couleur zusammenstehen im Kampf gegen die Feinde der Demokratie - auf allen politischen Ebenen. Dass Landrat Löwl den Brief der AfD deshalb öffentlich vorgelesen hat und die Solidarität aller Kreisräte einfordert, ist nicht nur richtig, sondern absolut notwendig.

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Quelle:
SZ vom 24.11.2020
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