Kommentar:Alarmsignal an den Landkreis

Die Kreispolitik muss sich die Frage stellen, ob sie ihren gesetzlichen Auftrag noch erfüllen kann, die medizinische Grundversorgung des Landkreises zu gewährleisten

Von Wolfgang Eitler

Der Warnstreik der Belegschaft in Markt Indersdorf und Dachau gegen die Helios Amperkliniken AG Dachau ist mehr als ein Protest gegen zu wenig Pflegekräfte oder für höhere Löhne. Der Streik richtet sich nicht mehr an eine Unternehmensführung mit dem Ziel, die Atmosphäre zu verbessern oder die Wertschätzung des Personals einzufordern. Die Streikenden haben die Hoffnung aufgegeben, dass ihr Tarifpartner ein echtes Miteinander in den Kliniken in Markt Indersdorf mit der Spezialisierung auf Geriatrie und in Dachau als Krankenhaus der zweithöchsten Versorgungsstufe anstreben könnte.

Der Warnstreik ist ein Alarmsignal an den ganzen Landkreis. Er stellt eine Zäsur dar, die schon Altlandrat Hansjörg Christmann (CSU) befürchtete, als er vor wenigen Monaten zu seinem 70. Geburtstag sagte, dass der Mehrheitseigner, die Helios Kliniken GmbH in Berlin, sich nicht als Partner im Sinne einer sozialen Marktwirtschaft verstehe.

Erstmals hat der Betriebsrat alarmierende Interna der Betriebsführung angezeigt und 299 sogenannte Gefährdungsanzeigen veröffentlicht. Darunter versteht man Vorfälle in den einzelnen Abteilungen, die nach Einschätzung der Vertreter der Belegschaft den Tatbestand der gefährlichen Pflege erfüllen. Auszubildende berichten von rechtlich und fachlich unzulässigen Aufgaben, deren Konsequenzen bei Fehlern nicht Helios tragen müsste, sondern die jeweilige Pflegekraft.

Damit steht das gesamte Modell der Privatisierung der beiden Kliniken zur Disposition. Vor etwas mehr als 20 Jahren entschloss sich der Landkreis, die beiden Krankenhäuser zu privatisieren. Zuerst übernahm die Rhönklinikum AG das Zepter mit einem Anteil von 75,9 Prozent. Der Landkreis hielt die Sperrminorität. Die gab er auf und beschränkte sich auf 5, 1 Prozent, in dem festen Glauben einer funktionierenden Partnerschaft und eines rechtlich wasserdichten Vertrags, der das maximale kommunale Recht auf Mitbestimmung sichert.

Richtig gut lief es für die Pflegekräfte unter Rhön nicht. Die Wahl von Bernward Schröter zum neuen Vorstand nährte die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Dann übernahm die Helios Kliniken GmbH die Mehrheit. Seitdem schwindet der Einfluss des Landkreises. Seit dem vergangenen Dienstag muss sich die Kreispolitik die Frage stellen, ob sie ihren gesetzlichen Auftrag überhaupt noch erfüllen kann, die medizinische Grundversorgung des Landkreises zu gewährleisten.

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