Süddeutsche Zeitung

Klimadebatte in Dachau:Umweltaktivisten kritisieren Schulleiter

Lesezeit: 3 min

"Fridays for Future" Dachau wirft dem Ignaz-Taschner-Gymnasium Sabotage des globalen Klimastreiks vor. Rektor Erwin Lenz kann den Ärger über die schulinterne Parallelveranstaltung am Freitag nicht nachvollziehen

Von Julia Putzger, Dachau

Die Vertreter der Initiative "Fridays for Future" Dachau (FFF) sind sauer: Das Dachauer Ignaz-Taschner-Gymnasium (ITG) habe mit seiner "Ersatzveranstaltung" am vergangenen Freitag den globalen Klimastreik sabotiert, heißt es in einer Pressemitteilung. Hintergrund ist eine schulinterne Veranstaltung, die parallel zur Großdemonstration in München stattfand. Die Schüler des ITG demonstrierten dabei auf dem Schulhof für das Klima, um nicht die Schule schwänzen zu müssen - laut Schulleiter Erwin Lenz wurde diese Aktion sehr positiv aufgenommen. Er kann die Kritik der Initiative deshalb nicht nachvollziehen und zeigt sich ebenfalls verärgert.

"Leider haben die Verantwortlichen beim Ignaz-Taschner-Gymnasium nicht den Ernst der Lage verstanden", beginnt die FFF-Pressemitteilung, die auch auf der Facebookseite der Gruppe veröffentlicht wurde. Es sei fraglich, inwiefern man dem Lehrauftrag gerecht werde, wenn Lehrer zuerst die Absorptionsrate von CO₂ erklärten, die Schüler dann eine halbe Stunde ein Schild hochhielten und im Anschluss weitergemacht werde wie bisher. Das zeige, dass die Verantwortlichen wichtige Prozesse entweder selbst nicht verstanden hätten oder aber den Schülern keine Chance geben wollten, um diese tatsächlich zu verstehen, heißt es weiter. Denn die vom Gymnasium organisierte Veranstaltung am Freitag im Schulhof habe keinerlei Wirkung gezeigt - Schüler, Eltern und Lehrer hätte man indes beim Klimastreik in München dringender gebraucht.

Rektor Erwin Lenz kann darüber nur den Kopf schütteln: "Mit diesen Anschuldigungen macht man sich aus Freunden Feinde." Bisher sei die Stimmungslage beim Thema "Fridays for Future" sehr wohlwollend gewesen. Doch dass das nach diesen Anschuldigungen immer noch der Fall ist, glaubt Lenz, wie er sagt, eher nicht. Ihm und den Lehrern am ITG sei es wichtig, die Thematik in den Unterricht einzubetten. So hätten die Kollegen in zahlreichen Vertretungsstunden versucht, bei den Schülern ein Bewusstsein zu schaffen. Die Lehrer aller Fachrichtungen seien sehr aktiv und widmeten sich in ihren jeweiligen Fächern dem Thema Klima. Bei der schulinternen Aktion am Freitag konnten die Schüler dann bei den Reden zweier Mitschüler dazulernen: "Sowohl die zwei Sprecher als auch die Kollegen haben die Schüler unheimlich mit Fakten gefüttert. Das Bewusstsein zum Klima ist ungeheuer gestiegen", widerspricht Lenz dem Vorwurf, dass die Aktion nicht zielführend gewesen sei. "Ob in München 40 000 demonstrieren oder 40 500 ist in meinen Augen wurscht. Aber hier am ITG haben wir für 800 Schüler einen Raum geschaffen, in dem Meinungen geäußert werden konnten", so Lenz weiter.

Zudem habe man sich an der Schule ganz bewusst für die Durchführung in dieser Form entschieden. "Das war eine Schulveranstaltung bei der es hieß: Jeder kann, keiner muss", erklärt Lenz. Nur 17 Schüler hätten nicht teilgenommen, rund 800 seien im Schulhof versammelt gewesen. Eine andere Variante, etwa verkürzter Unterricht, um den Schülern die Teilnahme am Streik in München zu ermöglichen, wäre weitaus weniger erfolgreich gewesen, glaubt Lenz. Außerdem hätten alle Schüler nach Schulschluss um 13 Uhr immer noch zur Demo fahren können.

Lenz befindet sich - wie wohl etlich andere Schulleiter auch - nach eigener Aussage in einem Dilemma: "Ich bin einerseits ein großer Anhänger der Bewegung, andererseits muss ich natürlich das Schulrecht beachten und kann den Schülern nicht einfach freigeben." FFF-Aktivist Jonathan Westermeier aus Dachau glaubt indes, dass das Schwänzen auf längere Sicht keine Konsequenzen haben werde, anderswo sei man an der Durchsetzung einer Regelung bereits gescheitert. Das Fernbleiben vom Unterricht erziele eine wesentlich größere Aufmerksamkeit: "Über die Streiks, die auch in den Ferien stattfanden, wurde kaum berichtet", bekräftigt Westermeier.

Aber die Schulen sind für die Initiative "Fridays for Future" nicht das Feindbild, wie Westermeier betont. Man könne gerne an Projekten zusammenarbeiten - sofern diese nicht freitags stattfinden, denn da werde schließlich gestreikt. Rektor Lenz glaubt allerdings nicht, dass er dieses Angebot annimmt: "Ich habe genug Experten im eigenen Haus." So würden sich seine Schüler Mitte Oktober im Rahmen der bayernweiten Aktion "Woche der Gesundheit und Nachhaltigkeit" intensiv mit dem Thema Klima auseinandersetzen.

Ein bisschen Verständnis für die Kritik hat Lenz letztlich doch noch: "Die jungen Leute dürfen natürlich mit mehr Emotion und Meinung agieren - Fairplay ist das aber nicht."

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Quelle:
SZ vom 24.09.2019
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