Sie brauchen sich - und sie haben sich während der vergangenen zweieinhalb Jahre gegenseitig sehr vermisst: die Bühnenkünstler auf der einen Seite und ihr Publikum auf der anderen. Wie stark das Fehlen des jeweils anderen empfunden wurde, zeigt der Auftritt von Stephan Zinner und Stefan Leonhardsberger am Samstag in der Kleinkunstbühne Schwabhausen: Bereits beim Betreten der Bühne wird das Duo mit anhaltendem Applaus begrüßt. Die Erleichterung über ein Ende des pandemiebedingten Lockdowns ist auf beiden Seiten groß: Endlich wieder ein Auftritt vor "professionellem Publikum", freut sich Zinner, nicht nur wie daheim vor den Kindern - einem Publikum, das schließlich "weder klatscht noch zahlt."
Der Titel "Kaffee und Bier", den Zinner und Leonhardsberger ihrem gemeinsamen Programm gegeben haben, bezieht sich auf den jeweiligen kulturellen Hintergrund der beiden. Zinner ist schließlich ein Bayer und kehrt dies auch sprachlich bewusst hervor, während Leonhardsberger deutlich hörbar aus dem Österreichischen kommt, knapp diesseits der Grenze zu Tschechien aufgewachsen ist und sich deshalb auch als gut "böhmisch-katholisch" bezeichnet: Sein Ministrantenamt in der Kindheit betrachtet er rückblickend als den "Einstieg ins Showbusiness".
Zusammen sind Stefan Leonhardsberger und Stephan Zinner, die sich beim Kabarett-Wettbewerb "Paulaner Solo" 2019 in Fürstenfeldbruck kennengelernt haben, ein Duo, das sich perfekt ergänzt. Die Bezeichnung ihres Auftritts als "musikalische Lesung" beschreibt nur unzulänglich, was auf der Bühne geschieht: Da wird zwar durchaus auch gelesen - Gedichte, Geschichten, Aphorismen oder unfreiwillig komische Sätze des ein oder anderen Fußballers- es wird dabei aber auch gesungen, persönliche Anekdoten fließen ein, und es wird unheimlich viel und herzhaft gelacht, weil die beiden Männer offensichtlich selber größten Spaß an dem haben, was sie auf der Bühne tun.
Die beiden glänzen auch durch ihre stimmlichen Qualitäten
Dabei steuert Stefan Leonhardsberger den Teil des Programms bei, der mit Wien und seiner Kaffeehaus-Kultur zusammenhängt, während Stephan Zinner für alles, was mit "Bier" im engen und weiteren Sinn zu tun hat, zuständig ist. Dabei hat Leonhardsberger den einfacheren Part: Wien hat schließlich eine ganze Reihe großer Kaffeehaus-Literaten wie Anton Kuh, Alfred Polgar oder Peter Altenberg hervorgebracht, deren Erkenntnisse über das Leben diesseits und jenseits des Kaffeehauses von zeitloser Gültigkeit sind. So betrachtet könnte natürlich auch Karl Valentin Wiener gewesen sein oder sein spät geborener Kollege Gerhard Polt: Sie stehen ihren österreichischen Vorbildern in puncto satirischer Lebensbetrachtung und -weisheit in nichts nach.
Das Publikum in Schwabhausen, das übrigens aus dem ganzen Landkreis und selbst aus Aichach oder Fürstenfeldbruck kommt, ist begeistert von der Leichtigkeit, der lockeren Beschwingtheit, mit der hier erzählt und vorgetragen wurde, und durchaus auch von den stimmlichen Qualitäten der beiden Männer. So glänzt Stefan Leonhardsberger in einem "Mini-Musical" seines Freundes Paul Klambauer mit musikalischen Zitaten unterschiedlichster Herkunft. Die ausgewählten Wiener Lieder, die beide im Wechsel und als Duo vortragen, passen köstlich zu Beobachtungen etwa von Anton Kuh beim Heurigen oder auch zu Karl Valentins Überlegungen, wie man sich das Weiterleben im Jenseits denn so vorstellen könnte. Einiges von dem, was an diesem Abend zu hören ist, stammt aus Zinners eigener Feder: das Lied "Sitzen" etwa oder die Kurzgeschichte über "Gott" , der kein "Löwenbräu" trinkt.
"Das Programm hier ist einfach supergut"
Das Publikum jubelt: aus Freude am Gebotenen und einfach auch aus Freude darüber, dass es solche Abende endlich wieder problemlos über die Bühne gehen. Noch sind allerdings nicht alle wieder da, die früher den Saal in der Post gefüllt haben. Rund 120 Abonnements konnte Post-Wirt Heini Kellerer für die Saison 2022 verkaufen - was noch fehlt, sind die vielen spontan Entschlossenen, die nur für die ein oder andere Vorstellung kommen. Solange sie nicht in ausreichender Zahl dazustoßen, sei ein Abend wie der am Samstag für ihn ein "Nullsummenspiel", sagt Kellerer. Er lässt sich dennoch nicht entmutigen: Trotz finanzieller Einbußen seit 2019 sei er es seinem sehr treuen Stammpublikum einfach schuldig weiterzumachen.
Umgekehrt sprechen auch die Besucher von ihrer "Treue gegenüber dem Wirt", dem sie sich verpflichtet fühlen. Und natürlich auch von der Qualität des Gebotenen: "Das Programm hier ist einfach supergut", sagt ein Karlsfelder, "selbst in der Stadt findest du das nicht." Und eine Dachauerin pflichtet ihm bei: "Wir haben hier über die Jahre viele renommierte Künstler gesehen - und sind von vielen eher Unbekannten positiv überrascht worden".
Mit einer ganzen Reihe prominenter Namen kann Heini Kellerer in den kommenden Monaten punkten. So kommt als Erster Christian Springer am 23. Juni in die Post: Allein seine Vorstellung musste aus Pandemie-Gründen fünfmal verschoben werden. Und nach der Sommerpause erwartet Kellerer Michael Altinger am 10. September, Eva Karl Faltermeier am 15. Oktober und Max Uthoff am 24. November. Vorausgesetzt natürlich, dass keine neue Corona-Welle dem Wirt, den Künstlern und dem Publikum erneut einen Strich durch die Rechnung macht. "Einfach abwarten, was kommt", sagt der Post-Wirt sehr gelassen mit Blick auf die nicht kalkulierbare Zukunft.