Klassik:Laut, stark, wuchtig

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Das Blechbläserensemble World Brass zeigt bei seinem Konzert im Dachauer Schloss Stärken, aber auch Schwächen

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

Das Dachauer Schlosskonzert mit "WorldBrass" war stark. Aber - was bedeutet "stark" in der Musik und für ein Konzert? Zunächst heißt "stark" in der Musik "forte", also "kräftig, laut". Man spricht von "Lautstärke", die wird in Phon gemessen, und darin lag zweifellos die Stärke von "WorldBrass" in allererster Linie. Vermutlich haben alle vorhergehenden Dachauer Schlosskonzerte dieses Jahres zusammen bei weitem nicht die Phonzahl des letzten Konzerts im Jahr 2018 erreicht. Wie ist das zu verstehen?

"WorldBrass" ist eine Formation von zehn Blechbläsern mit Schlagzeug, die überwiegend gleichzeitig und fortissimo spielen. Das ergab eine Lautstärke, wie sie im Festsaal des Dachauer Schlosses bisher noch nicht zu hören (und zu ertragen) war. In diesem Sinne also war das Konzert absolut herausragend, also stark. Die im übrigen eigentlich rühmende Bezeichnung "stark" bezieht man aber auch auf die spieltechnischen Fertigkeiten und das Zusammenspiel eines Ensembles. In dieser Beziehung verdient "WorldBrass" ebenfalls die Auszeichnung "stark". Alle elf beherrschen ihre Instrumente souverän, das Zusammenspiel ist perfekt. So bleibt nur noch die Frage nach dem Programm und seiner Gestaltung. War man auch hier stark? Begonnen haben die zehn Blechbläser samt Schlagwerk mit einer für ihre Besetzung bearbeiteten Suite aus Barocktänzen von Michael Praetorius. Das Arrangement für vier Trompeten, vier Posaunen, Horn, Tuba und Schlagwerk mit schönem Klangwechsel zwischen den strahlenden Trompeten und den in der Tiefe wohllautenden Posaunen war brillant. Die Musik von Michael Praetorius wurde in diesem Arrangement kräftig aufpoliert, leuchtete aber noch gut erkennbar durch die Politur.

Das Konzert war die festliche Einstimmung in die Adventszeit. (Foto: Niels P. Joergensen)

Dann spielte "WorldBrass" den Abendsegen aus der Oper "Hänsel und Gretel" von Engelbert Humperdinck: "Abends, will ich schlafen gehen, vierzehn Engel um mich stehn..." Es standen aber nicht 14 Engel um Hänsel und Gretel sondern zehn Blechbläser, die nicht gerade zurückhaltend in ihre Rohre bliesen. Sie spielten aber auch nicht nur das sehr bekannte Duett, sondern die ganze für das große Wagner-Orchester geschriebene spätromantische Komposition Humperdincks, die im Satz für Blechbläser noch wuchtiger wirkte. Wie sollen da zwei Kinder im Wald einschlafen können, da schläft ja nicht einmal ein routinierter Abonnent der Dachauer Schlosskonzerte ein!

Noch übler kam es im zweiten Teil des Konzerts mit der von "WorldBrass" in Auftrag gegebenen Bearbeitung der ersten "Peer-Gynt"-Suite von Edvard Grieg. Dieser Versuch, Griegs natürlich meisterhaft instrumentierte Orchestermusik auf Trompeten, Posaunen, Horn und Tuba mit Percussion zu spielen, war stellenweise nur peinlich. Die "Morgenstimmung" war hier eher ein Morgengrauen. (Wer abends sehr spät ins Bett gegangen ist und am nächsten Tag früh aufstehen muss, weiß was "Morgengrauen" bedeuten kann.) Diese beiden Stücke zeigten, dass "WorldBrass" in erster Linie populäre Musik machen und "Zugstücke" spielen will.

Das Zusammenspiel der Musiker von World Brass ist perfekt. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Vor Edvard Grieg hörte man "Joy to the World" nach Händel, das dem Konzert seinen Titel gegeben hat. Von Georg Friedrich Händel aber war im brillanten Arrangement fast nichts mehr zu spüren.

Das Programm hatte aber auch seine Stärken. Da war im ersten Teil eine Zusammenstellung und Bearbeitung aus der "Suite für Varieté-Orchester" von Dmitri Schostakowitsch, deren Musik weitgehend als Filmmusik bekannt geworden ist. Damit lernte man eine Musik kennen, die man als Kenner von Schostakowitschs Symphonien und Streichquartetten wohl niemals als echten Schostakowitsch für möglich gehalten hätte. Das war stark.

Am stärksten aber zeigte sich "WorldBrass" zum Schluss, als diese Formation als Blechbläser-Bigband auftrat und zum Jazz überging. Dabei war ein Stück Musik zu entdecken, das man mit Staunen und Bewunderung hörte, obwohl gerade hier die Lautstärke die Schmerzgrenze erreichte oder bereits überschritt. Es war eine Suite zu "Sacred Concerts I" von Duke Ellington. Unerhört, zu welch geistiger und kompositorischer Größe sich Ellington in den späten Jahren seines Komponierens aufschwang! Um beim Thema zu bleiben: "Echt stark"!

Vier Trompeten,vier Posaunen, Horn, Tuba und Schlagzeug füllen den Saal mit einem fulminanten Klang. (Foto: Niels P. Joergensen)

"WorldBrass" wollte dieses Konzert als festliche Einstimmung in die Adventszeit sehen und spielte deshalb "Präludium und Fuge über das weihnachtliche Lied "Quem pastores laudavere - den die Hirten lobeten sehre". In Nord- und Mitteldeutschland war dieses Lied so bekannt, dass die Umzüge der Kantoreiknaben in der Adventszeit "Quempas"-Singen genannt wurden. Die im südlichen Bayern früher als "staade" Zeit genossene Adventszeit ist längst nicht mehr "staad" (still), aber so laut wie im Dachauer Schloss wurde die "staade Zeit" wohl noch nie angekündigt.

© SZ vom 26.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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