Süddeutsche Zeitung

Klärwerk Karlsfeld:"Wir funktionieren immer"

Lesezeit: 3 min

Die Karlsfelder Kläranlage ist mehr als 50 Jahre alt, die letzte Generalsanierung ist 18 Jahre her. Jetzt müssen viele Teile erneuert werden und das im laufenden Betrieb: eine logistische Meisterleistung

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

In der Karlsfelder Kläranlage stehen heuer größere Reparaturen an. Doch keine Sorge, niemand wird auf sauberes Wasser zum Duschen oder Spülen verzichten müssen, auch die Toilettenspülung wird weiterhin bei Bedarf betätigt werden dürfen, versichert Betriebsleiter Peter Oberbauer augenzwinkernd. "Wir funktionieren immer." Er wiederholt es gerne, ja fast schon wie ein Mantra. "365 Tage, 24 Stunden lang." Das Geheimnis, weshalb niemand etwas merken wird, wenn die Mitarbeiter des Klärwerks Becken reinigen und Funktionen überprüfen, Pumpanlagen und Schlammtrocknung reparieren, klingt irgendwie einfach: "Wir denken nach vorne", sagt Oberbauer. Doch ganz so simpel ist es nicht. Hört man ihm zu, wird schnell klar, dass die Arbeiten im laufenden Betrieb eine logistische Meisterleistung sind. Gleichzeitig gilt es, die rasch wachsende Einwohnerzahl im Auge zu behalten, um nicht eines Tages vor bösen Überraschungen zu stehen.

1965 wurde das Werk geplant, 1967 gebaut, später immer wieder vergrößert und den neuesten Entwicklungen angepasst. Vor gut 18 Jahren gab es mal eine Generalsanierung. Kein Wunder also, dass heuer das ein oder andere Teil ausgetauscht werden muss. So bekommt die sogenannte Schnecke demnächst ein neues Leitblech. Die Schnecke ist gleich am Eingang des Klärwerks, sie hebt das Wasser, 150 Liter pro Sekunde, ins Rechenhaus, damit dort die gröbsten Verschmutzungen herausgefiltert werden können. "Die mittlere Schnecke ist 19 Jahre alt, das Blech verschlissen", erklärt Oberbauer. Und so laufen etwa 20 Liter pro Sekunde an den Seiten wieder hinab. "Das ist Energie, die umsonst aufgewendet wird, deshalb ist es sinnvoll, das Blech auszutauschen."

Zehn Becken will der Betriebsleiter zudem heuer leer pumpen, um deren Funktionstüchtigkeit zu überprüfen. "Das muss man routinemäßig alle drei oder vier Jahre machen. Wenn sie voll sind, sieht man nicht, ob Räder blockieren oder Halterungen abgerissen sind." Sie sind an dem großen rotierenden Arm montiert, der den Schlamm in die Mitte schiebt und so vom Abwasser trennt. Bei einem anderen Becken geht es um die Belüftung, die funktionieren muss. Dass die Becken ausgerechnet in diesem Jahr überprüft werden sollen, hat einen besonderen Grund: 2020 braucht das Klärwerk wieder eine neue Betriebsgenehmigung. Da soll alles in bester Ordnung sein, denn der Bescheid wird für 20 Jahre ausgestellt.

Doch einfach leerpumpen kann man die Becken nicht, denn in jedem sind etwa eine Million Liter Wasser. Ist der Grundwasserspiegel zu hoch, besteht die Gefahr dass sie Auftrieb bekommen und aus der Verankerung reißen. Damit das nicht so leicht passiert, hat man die Becken ähnlich wie ankernde Schiffe speziell im Boden festgemacht. Dennoch ist im Moorgebiet Vorsicht geboten. "Der Spiegel muss mindestens 60 Zentimeter unter der Grasnarbe sein", so Oberbauer. Frühestens nach der Schneeschmelze könne man weitermachen, erklärt er. Die ersten Becken sind bereits fertig. Wichtig ist wohl auch, dass genügend Beschäftigte auf dem Gelände arbeiten, denn die Reinigenden müssen überwacht werden, falls Gase entweichen. Zudem muss sich jemand um den laufenden Betrieb kümmern. Die beste Zeit für derartige Arbeiten ist, "wenn die Schmutzfrachtlast gering ist", erklärt der Betriebsleiter. Also in den Ferien. Abpumpen, kontrollieren und reparieren geht in einem Tag, doch das Becken wieder auffüllen dauert sehr lange. "Das heißt, wir müssen montags anfangen", sagt der Abwassermeister.

Im Herbst wird die Schlammtrocknung saniert. Das Foliendach ist bereits an mehreren Stellen notdürftig verklebt worden, damit es dicht ist und auch das Förderband, das den Schlamm verteilt, hat offenbar gewisse Mängel. Doch derzeit ist die gewächshausartige Lagerfläche schon zu drei Viertel gefüllt und jede Woche kommt mehr dazu. Die eigentliche Trocknung beginnt erst, wenn die Sonne kräftig zu scheinen beginnt, also im Mai. Bis Oktober wird der schwarzen Masse auf diese Weise ohne großen Energieaufwand Wasser entzogen. Hat er sich in ein kleines graues Häufchen verwandelt, wird er nach Geiselbullach in die Müllverbrennung gebracht. Anders als oft behauptet, wird der Karlsfelder Klärschlamm nicht auf den Feldern ausgebracht, betont Oberbauer.

Erneuert werden muss auch eine Pumpe, die in der Rothschwaige Abwasser Richtung Klärwerk transportiert. Sie läuft nun seit 30 Jahren und "ist verschlissen", so der Abwassermeister. Unter die Lupe genommen werden soll auch der Faulturm, der so alt ist wie das Klärwerk. Doch von Zeit zu Zeit wird sein Innenleben erneuert.

Seit etwa fünf Jahren gibt es einen Kanaltrupp, der sich um die Leitungen kümmert. Denn man hat festgestellt, dass Grundwasser durch undichte Stellen eindringt und so viel mehr Wasser durch die Anlage läuft als nötig. 70 Kilometer Leitungen müssen nun genau überprüft werden. Ein Viertel sind bereits inspiziert; bis alles dicht ist, wird es noch einige Jahre dauern.

Auch wenn das Werk zum Teil recht alt ist, so arbeitet es doch auf "hohem Niveau". In mancherlei Hinsicht sei man sogar Vorreiter, betont Oberbauer und deutet er auf die Deammonifikationsanlage, in der Bakterien das Ammonium abbauen - energiearm und leistungsstark. Die winzigen Planctomyceten müssen gehätschelt werden, sie arbeiten nur bei 28 Grad verlässlich. Auch die hohe Energieeffizienz ist vorbildlich. Zwei Drittel des benötigten Stroms produziert das Werk selbst. Dennoch: "An einem Tag braucht die Anlage so viel Strom wie ein Einfamilienhaus im ganzen Jahr." Die nächste große Neuerung im Klärwerk gibt es voraussichtlich 2020: Die Maschinentechnik für das Vorklärbecken aus dem Jahr 1967 muss erneuert werden. Eine Maßanfertigung, die etwa 120 000 Euro kosten wird.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4331058
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 15.02.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.