Klärwerk Karlsfeld:"Wir funktionieren immer"

Die Karlsfelder Kläranlage ist mehr als 50 Jahre alt, die letzte Generalsanierung ist 18 Jahre her. Jetzt müssen viele Teile erneuert werden und das im laufenden Betrieb: eine logistische Meisterleistung

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

In der Karlsfelder Kläranlage stehen heuer größere Reparaturen an. Doch keine Sorge, niemand wird auf sauberes Wasser zum Duschen oder Spülen verzichten müssen, auch die Toilettenspülung wird weiterhin bei Bedarf betätigt werden dürfen, versichert Betriebsleiter Peter Oberbauer augenzwinkernd. "Wir funktionieren immer." Er wiederholt es gerne, ja fast schon wie ein Mantra. "365 Tage, 24 Stunden lang." Das Geheimnis, weshalb niemand etwas merken wird, wenn die Mitarbeiter des Klärwerks Becken reinigen und Funktionen überprüfen, Pumpanlagen und Schlammtrocknung reparieren, klingt irgendwie einfach: "Wir denken nach vorne", sagt Oberbauer. Doch ganz so simpel ist es nicht. Hört man ihm zu, wird schnell klar, dass die Arbeiten im laufenden Betrieb eine logistische Meisterleistung sind. Gleichzeitig gilt es, die rasch wachsende Einwohnerzahl im Auge zu behalten, um nicht eines Tages vor bösen Überraschungen zu stehen.

1965 wurde das Werk geplant, 1967 gebaut, später immer wieder vergrößert und den neuesten Entwicklungen angepasst. Vor gut 18 Jahren gab es mal eine Generalsanierung. Kein Wunder also, dass heuer das ein oder andere Teil ausgetauscht werden muss. So bekommt die sogenannte Schnecke demnächst ein neues Leitblech. Die Schnecke ist gleich am Eingang des Klärwerks, sie hebt das Wasser, 150 Liter pro Sekunde, ins Rechenhaus, damit dort die gröbsten Verschmutzungen herausgefiltert werden können. "Die mittlere Schnecke ist 19 Jahre alt, das Blech verschlissen", erklärt Oberbauer. Und so laufen etwa 20 Liter pro Sekunde an den Seiten wieder hinab. "Das ist Energie, die umsonst aufgewendet wird, deshalb ist es sinnvoll, das Blech auszutauschen."

Klärwerk Karlsfeld: Rundgänge zu den Becken etwa sind wichtig.

Rundgänge zu den Becken etwa sind wichtig.

(Foto: Toni Heigl)

Zehn Becken will der Betriebsleiter zudem heuer leer pumpen, um deren Funktionstüchtigkeit zu überprüfen. "Das muss man routinemäßig alle drei oder vier Jahre machen. Wenn sie voll sind, sieht man nicht, ob Räder blockieren oder Halterungen abgerissen sind." Sie sind an dem großen rotierenden Arm montiert, der den Schlamm in die Mitte schiebt und so vom Abwasser trennt. Bei einem anderen Becken geht es um die Belüftung, die funktionieren muss. Dass die Becken ausgerechnet in diesem Jahr überprüft werden sollen, hat einen besonderen Grund: 2020 braucht das Klärwerk wieder eine neue Betriebsgenehmigung. Da soll alles in bester Ordnung sein, denn der Bescheid wird für 20 Jahre ausgestellt.

Doch einfach leerpumpen kann man die Becken nicht, denn in jedem sind etwa eine Million Liter Wasser. Ist der Grundwasserspiegel zu hoch, besteht die Gefahr dass sie Auftrieb bekommen und aus der Verankerung reißen. Damit das nicht so leicht passiert, hat man die Becken ähnlich wie ankernde Schiffe speziell im Boden festgemacht. Dennoch ist im Moorgebiet Vorsicht geboten. "Der Spiegel muss mindestens 60 Zentimeter unter der Grasnarbe sein", so Oberbauer. Frühestens nach der Schneeschmelze könne man weitermachen, erklärt er. Die ersten Becken sind bereits fertig. Wichtig ist wohl auch, dass genügend Beschäftigte auf dem Gelände arbeiten, denn die Reinigenden müssen überwacht werden, falls Gase entweichen. Zudem muss sich jemand um den laufenden Betrieb kümmern. Die beste Zeit für derartige Arbeiten ist, "wenn die Schmutzfrachtlast gering ist", erklärt der Betriebsleiter. Also in den Ferien. Abpumpen, kontrollieren und reparieren geht in einem Tag, doch das Becken wieder auffüllen dauert sehr lange. "Das heißt, wir müssen montags anfangen", sagt der Abwassermeister.

Klärwerk Karlsfeld: Auf der Schalttafel hat Betriebsleiter Peter Oberbauer das Karlsfelder Klärwerk im Überblick. Er sieht sofort, wo Störungen sind.

Auf der Schalttafel hat Betriebsleiter Peter Oberbauer das Karlsfelder Klärwerk im Überblick. Er sieht sofort, wo Störungen sind.

(Foto: Toni Heigl)

Im Herbst wird die Schlammtrocknung saniert. Das Foliendach ist bereits an mehreren Stellen notdürftig verklebt worden, damit es dicht ist und auch das Förderband, das den Schlamm verteilt, hat offenbar gewisse Mängel. Doch derzeit ist die gewächshausartige Lagerfläche schon zu drei Viertel gefüllt und jede Woche kommt mehr dazu. Die eigentliche Trocknung beginnt erst, wenn die Sonne kräftig zu scheinen beginnt, also im Mai. Bis Oktober wird der schwarzen Masse auf diese Weise ohne großen Energieaufwand Wasser entzogen. Hat er sich in ein kleines graues Häufchen verwandelt, wird er nach Geiselbullach in die Müllverbrennung gebracht. Anders als oft behauptet, wird der Karlsfelder Klärschlamm nicht auf den Feldern ausgebracht, betont Oberbauer.

Erneuert werden muss auch eine Pumpe, die in der Rothschwaige Abwasser Richtung Klärwerk transportiert. Sie läuft nun seit 30 Jahren und "ist verschlissen", so der Abwassermeister. Unter die Lupe genommen werden soll auch der Faulturm, der so alt ist wie das Klärwerk. Doch von Zeit zu Zeit wird sein Innenleben erneuert.

Seit etwa fünf Jahren gibt es einen Kanaltrupp, der sich um die Leitungen kümmert. Denn man hat festgestellt, dass Grundwasser durch undichte Stellen eindringt und so viel mehr Wasser durch die Anlage läuft als nötig. 70 Kilometer Leitungen müssen nun genau überprüft werden. Ein Viertel sind bereits inspiziert; bis alles dicht ist, wird es noch einige Jahre dauern.

Reinigung und Stromerzeugung

Das starke Wachstum der Gemeinde macht Betriebsleiter Peter Oberbauer wenig Sorgen. "Die Anlage ist auf 45 000 Einwohner ausgelegt", erklärt er. Momentan hat Karlsfeld etwa 22 000 Einwohner. Klar, das Gewerbe produziert mehr Abwasser, sodass er von einer Gesamtbelastung von etwa 30 000 ausgeht. Doch selbst wenn das Ludl-Grundstück und das große Areal an der Bayerwerkstraße nahe dem Bahnhof entsprechend den ehrgeizigen Plänen der Investoren bebaut würde, wäre es für die Kläranlage kein Problem, versichert der Betriebsleiter. Auch der Bau von Mittagsbetreuung, zwei neuen Grundschulen und einem Gymnasium bringt seinen Blutdruck nicht in Wallung. Wenn alle Flächen in Karlsfeld bebaut würden, lebten nach seinen Berechnungen etwa 30 000 Einwohner im Ort, und er könnte immer noch gelassen in die Zukunft blicken, denn das Klärwerk hätte noch immer genügend Kapazitäten, versichert Oberbauer. Dennoch kann der Abwassertechniker sich nicht einfach zurücklehnen und abwarten. Er muss alles im Auge behalten, denn Neuerungen brauchen ihre Zeit. Außerdem gilt es, energiesparendere Techniken auszutesten und wenn möglich einzusetzen. Mit der Deammonifikationsanlage haben Oberbauer und sein Team 2017 sogar den Energiepreis des Landkreises gewonnen. Jedes Jahr wird tüfteln die Mitarbeiter an Verbesserungen. Ideen holt man sich etwa bei den Treffen mit anderen Klärwerksbetreibern oder der IFA-Messe in München.

"Wir verbrauchen 27 Kilowattstunden Strom pro Einwohner pro Jahr", erklärt Oberbauer. Doch mit dem Biomasseheizkraftwerk produziert die Kläranlage auch Gas, Strom und Wärme. "Bis fünf Grad ist kein Heizöl nötig", sagt Oberbauer. Fallen die Temperaturen darunter, muss die Schlammfaulung zusätzlich mit fossiler Energie erwärmt werden, denn die Klärprozesse funktionieren im Faulturm nur bei 38 Grad.

14 Stunden dauert es bis das Wasser sauber ist. Abgebaut werden 98 Prozent Kohlenstoff-, 75 Prozent Stickstoff- und 87 Prozent Phosphatverbindungen. cb

Auch wenn das Werk zum Teil recht alt ist, so arbeitet es doch auf "hohem Niveau". In mancherlei Hinsicht sei man sogar Vorreiter, betont Oberbauer und deutet er auf die Deammonifikationsanlage, in der Bakterien das Ammonium abbauen - energiearm und leistungsstark. Die winzigen Planctomyceten müssen gehätschelt werden, sie arbeiten nur bei 28 Grad verlässlich. Auch die hohe Energieeffizienz ist vorbildlich. Zwei Drittel des benötigten Stroms produziert das Werk selbst. Dennoch: "An einem Tag braucht die Anlage so viel Strom wie ein Einfamilienhaus im ganzen Jahr." Die nächste große Neuerung im Klärwerk gibt es voraussichtlich 2020: Die Maschinentechnik für das Vorklärbecken aus dem Jahr 1967 muss erneuert werden. Eine Maßanfertigung, die etwa 120 000 Euro kosten wird.

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