Kirchenmusiker Irmgard Reichl verabschiedet sich:Und sie hörte, dass es gut war

Irmgard Reichl hat in Heilig Kreuz ein ganzes Ensemble für anspruchsvolle Kirchenmusik aufgebaut und allein in Dachau 68 Konzerte geleitet. Nach 29 Jahren verabschiedet sie sich nun mit der Aufführung von Charles Gounods Cäcilienmesse

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

Von einem "erfüllten Leben" zu sprechen, ist problematisch - es erinnert zu sehr an Beerdigung und Nachruf. Bei einer quicklebendigen, voll im Leben stehenden Frau wie der Dachauer Kirchenmusikerin Irmgard Reichl erscheint es geradezu absurd, und doch ist eine Rückschau und Würdigung angebracht: Nach fast 29 Jahren in Heilig Kreuz verabschiedet sich die Hebertshausenerin am Sonntag in den Ruhestand. Mehr als 45 Jahre lang war Reichl hauptamtliche Kirchenmusikerin; rechnet man die Zeit des Studiums dazu, kommt man sogar auf 50 Jahre - eine runde Zahl für ein rundes Jubiläum. Aber für Irmgard Reichls Beschäftigung mit der katholischen Kirchenmusik reicht das immer noch nicht; sie ist nämlich mit Kirchenmusik aufgewachsen, man möchte sagen, sie ist eine geborene Kirchenmusikerin.

Irmgard Reichl stammt aus Weiden in der Oberpfalz, was man ihrer Sprache immer noch anhört trotz früher Begegnung mit dem Bairischen - sie war als 22-Jährige für drei Jahre Kirchenmusikerin in Peißenberg, wo sie auch ihren Mann, den Organisten Josef Reichl, kennengelernt hat.

Ihr erster Musiklehrer war zugleich Kirchenmusiker in ihrer Pfarrei in Weiden und holte sie zunächst in den Kinderchor. Mit zehn Jahren sang sie schon im Kirchenchor der Erwachsenen, mit zwölf erhielt sie ersten Orgelunterricht und war Mitglied des Jugendchors. Schon in diesem zarten Alter reifte bei Irmgard Reichl der Gedanke, an der Fachakademie in Regensburg Kirchenmusik und Musikerziehung zu studieren, und so kam es dann auch. Als 16-Jährige begann sie dort, an der ältesten Kirchenmusikschule der Welt, ihr Studium, und mit 19 machte sie Examen und war Kirchenmusikerin sowie Fachlehrerin für Musik.

Kirchenmusiker Irmgard Reichl verabschiedet sich: Irmgard Reichl wie man sie kennt: hochkonzentriert mit Dirigentenstab in der Kirche Heilig Kreuz.

Irmgard Reichl wie man sie kennt: hochkonzentriert mit Dirigentenstab in der Kirche Heilig Kreuz.

(Foto: Toni Heigl)

Diese beiden Berufsrichtungen übte sie dann im Wechsel aus. Von 1972 bis '74 war sie Musiklehrerin am Gymnasium eines Missionsseminars in Reimlingen bei Nördlingen, dann, wie bereits gesagt, Kirchenmusikerin in Peißenberg, darauf für kurze Zeit Kirchenmusikerin in Regensburg. Ihr Pfarrer war damals Joseph Ratzinger, der genau in ihrer Zeit dort Abschied für eine steile kirchliche Karriere nahm: Bischof - Erzbischof - Kardinal - Papst. Dabei begleitete ihn seine damalige Kirchenmusikerin allerdings nicht. Es führen eben doch nicht alle Wege nach Rom, Irmgard Reichls Weg führte letztlich nach Dachau. Zunächst wurde sie Musiklehrerin am Gymnasium der Ursulinen in Straubing, darauf für zehn Jahre Kirchenmusikerin in Sankt Zeno / Isen, bis sie am 1. Juli 1989 - endlich - hauptamtliche Kirchenmusikerin an der Pfarrkirche Heilig Kreuz in Dachau wurde, wo sie fast 29 Jahre lang blieb.

Das Wort "bleiben" hat allerdings so etwas Statisches an sich, das zu Irmgard Reichl überhaupt nicht passen will. Bei der Kirchenmusik in Heilig Kreuz jedenfalls blieb nichts beim alten: Bei ihrem Dienstantritt traf sie einen Kirchenchor von 27 Sängerinnen und Sängern an, eine desolate Orgel und eine Jugendband, die ein- bis zweimal im Jahr im Gottesdienst spielte - sonst nichts. Also gründete sie die Bläsergruppe für festliche Blechbläsermusik, die Männerschola für Gregorianischen Choral sowie für mehrstimmige Chorgesänge, die Flötengruppe für anspruchsvolle vier- bis sechsstimmige Flötenmusik, den Jungen Chor für die Gestaltung von Familiengottesdiensten, Erstkommunion und Krippenspiel, den Instrumentalkreis Heilig Kreuz mit Streichern, Querflöten und Orgel für barocke Instrumentalmusik und 1996 noch den Rhythmuschor Heilig Kreuz für Gospelsongs. Nicht zu vergessen: Irmgard Reichl brachte mit ihrem Mann Josef einen hervorragenden Organisten mit, der auf eine eigene Karriere verzichtete und seither bei den Proben des mittlerweile auf rund 50 Sängerinnen und Sänger angewachsenen Kirchenchors (und auch bei der Liedertafel Dachau) als Korrepetitor geduldig begleitet, aber auch den Kirchenkonzerten in Heilig Kreuz mit exquisiten Solobeiträgen auf der Orgel Glanzlichter aufsetzt.

Musikpflegerin fürs Dekanat

Irmgard Reichl war nicht nur Kirchenmusikerin an der Pfarrkirche Heilig Kreuz in Dachau, schon nach wenigen Jahren wurde sie vom Ordinariat für fünf Jahre als Dekanatsmusikpflegerin berufen. Danach wurde sie von der Dekanatskonferenz noch fünfmal für je fünf Jahre für diese ehrenamtliche Tätigkeit gewählt. Die Dekanatsmusikpflege kümmert sich um die nebenamtlichen Kirchenmusiker. In Reichls Zeit fallen rund 80 Veranstaltungen wie Kantorentage, Lektorenschulung, chorische Stimmbildung und Fortbildung für Organisten und Chorleiter. Vor allem die Freunde der bayerischen und österreichischen katholischen Kirchenmusik hoffen, dass Reichls Begeisterung für diese Musik und ihre profunden Kenntnisse auf die Kirchenmusiker des Dekanats übertragen wurden, so dass diese herrliche Musik, die sie in Dachau vorbildlich pflegte, auch weiterhin im Repertoire der katholischen Kirchenmusik bleibt. akg

Natürlich ist die musikalische Gestaltung der Gottesdienste, vor allem an den kirchlichen Hochfesten wie Weihnachten, Ostern und Pfingsten, die Hauptaufgabe der Kirchenmusik, aber was in Heilig Kreuz darüber hinaus an musikalischen Aktivitäten erbracht wurde, ist kaum zu fassen. Allein eine Übersicht über die Konzerte, die mit Hilfe des Fördervereins für Kirchenmusik in Heilig Kreuz veranstaltet wurden, umfasst mehrere eng beschriebene Seiten. Die Anzahl dieser Konzerte ist imposant: 31 Kirchenkonzerte, zwölf Adventskonzerte, fünf Jubiläumskonzerte und drei Benefizkonzerte. Dies ergibt zusammen 51 vom Förderverein Kirchenmusik Heilig Kreuz veranstaltete Konzerte, davon 48 unter der Leitung von Irmgard Reichl. Dazu kommen drei Orgelkonzerte und 17 Adventskonzerte bis 2005, größtenteils Benefizkonzerte für die große Orgel, die vor etlichen Jahren feierlich eingeweiht wurde. Dies ergibt zusammen in fast 29 Jahren 68 Konzerte unter der Leitung von Irmgard Reichl.

Bewusst pflegte Irmgard Reichl die traditionelle katholische Kirchenmusik von den großen lateinischen Messen der Wiener Klassiker Joseph Haydn und Mozart sowie Schubert bis hinab zu deren kleineren kirchenmusikalischen Werken, die heute sonst kaum noch aufgeführt werden. Vor allem schöpfte sie aus dem reichen Schatz der süddeutschen und österreichischen Kirchenmusik, auch der Musik aus der ehemals reichen und bedeutenden Musikpflege der bayerischen Klöster - und bewahrte sie vor dem Vergessenwerden. Nur einige Höhepunkte ihrer Kirchenkonzerte seien genannt, etwa die "Mariazeller Messe" und das einst berühmte "Stabat mater" von Joseph Haydn, die "Waisenhaus-Messe" und die Krönungsmesse von Mozart, die hohe B-Dur-Messe von Franz Schubert und die bei ihr und dem Chor besonders beliebte Cäcilienmesse von Charles Gounod.

Der Festgottesdienst am Ostermontag, 2. April, um 10 Uhr in der Pfarrkirche Heilig Kreuz ist zugleich der Abschied von Irmgard Reichl. Die Musik für diesen Gottesdienst ist die Cäcilienmesse von Gounod, der Psalm 150 für Chor, Orchester und Orgel von Cesar Franck und das an Ostern besonders gern gesungene "Halleluja" aus dem "Messias" von Händel.

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