Kirchenmusik:Kerniger Klang

Kirchenmusik: Christian Baumgartner, Kirchenmusiker von Sankt Jakob, konzertiert in Mariä Himmelfahrt.

Christian Baumgartner, Kirchenmusiker von Sankt Jakob, konzertiert in Mariä Himmelfahrt.

(Foto: Toni Heigl)

Das Konzert bei Kerzenschein in Mariä Himmelfahrt

Von Ludwig Kramer, Dachau

Für die erste Orgelnacht bei Kerzenschein in Mariä Himmelfahrt hat sich Kirchenmusiker Rainer Dietz die Kollegen Christian Baumgartner von Sankt Jakob und Alois Kammerl aus Aichach an die Kaps-Orgel geholt. Und ihre Programmwahl verdeutlichte die Besonderheit dieses Instruments, das die Kirche erst seit ungefähr zwei Jahren besitzt. Sie beeindruckt durch einen für süddeutsche Orgeln ungewöhnlich kernigen und prägnanten Klang. Er ist für die protestantischen Choräle aus der Zeit um 1700 wie zugeschnitten.

Christian Baumgartner intonierte mit dem "Marche Heroique" von Aloys Claussmann, einem Marsch des 1926 verstorbenen Elsässer Komponisten, der zwischen andächtigen, schwer wiegenden und erhabenen, triumphalen Klängen changiert, bereits die ganze Parade an bedeutenden Werken für diesen Konzertabend. Die zwei Choräle des zur Norddeutschen Orgelschule zählenden Johann Nicolaus Hanff (1665 bis 1711) sind geprägt von tiefer, innerer Gläubigkeit in einem schlicht gehaltenen Kompositionsprinzip. Beim Choral "Ein feste Burg ist unser Gott" wird die anwesende Familie Kaps genau hingehört haben. Denn erst vor fünf Wochen ist das Glockenspiel installiert worden. Die barocke Spielerei erinnert heute eher an Fahrradglocken.

Dass dem österreichischen Komponisten Anton Bruckner schon von Zeitgenossen nachgesagt wurde, seine Orchesterwerke würden zu orgelhaft klingen, ist bekannt und wurde erneut bewiesen. Ein wildes, nach Auflösung strebendes Thema wird unterbrochen von sanften Holzklängen. In dieser Bearbeitung für Orgel wird die Grenze zwischen Orchester und Orgel als Königsinstrument dann doch deutlich. Es fehlt die Funktion, Töne ineinanderfließen zu lassen, wie es einem Orchester möglich ist. Im Finale, in dem die Themenvariationen aus den Pfeifen schossen, setzte der Dachauer Kirchenmusiker zu knappen Schlussakkorden an - und war danach auch sichtlich erleichtert. Der Schlusssatz aus der dritten Symphonie von Louis Vierne ist Zeugnis einer Art Wiederentdeckung der Orgel durch Komponisten um die Jahrhundertwende. Gewidmet wurde diese dritte Symphonie dem weitaus bekannteren Schüler von Vierne, Marcel Dupré. Baumgartner setzte die Toccata in einem herausfordernden Tempo an. Es gelang ihm, das zweite, lyrische Thema anzuschließen und dabei das hetzende Bassschema beizubehalten.

Gegen zehn Uhr, als die Kirche von dunkelblauer Nacht umgeben war und im Inneren die Kerzen erst zu voller Geltung kamen, nahm Kirchenmusiker Alois Kammerl an der Orgel Platz. Sein Programm begann mit einem Cappricio von Girolamo Frescobaldi, einem bedeutenden Wegbereiter des italienischen Barocks, das mit immer komplexeren Variationsmustern beeindruckte. So tänzelten die Finger Kammerls von einer Taste zur nächsten in einer Geschwindigkeit, dass es über die Leinwand kaum mehr nachzuvollziehen war.

Tänzerisch ging es mit dem "Ballo" des zeitgenössischen Komponisten Wolfgang Sauseng weiter. Das gut zehnminütige Stück wartet mit Verflechtungen von französischen Trinkliedern der Renaissance, Bassmustern, die schon Frescobaldi bekannt waren, und Choralausschnitten wie aus der Sonntagsmesse, aber auch modernen Clusterakkorden und harmonisch, rhythmisch sich ständig wiederholenden Mustern auf. Dissonanz und abgehackte Akkorde erinnern an die Musik zu Alfred-Hitchcock-Klassikern, wie "Psycho". Zusammen mit der schummrigen Kerzenbeleuchtung im Kirchenraum, war die gruselige Stimmung komplett.

Die Passacaglia in c-Moll von Johann Sebastian Bach stellt zunächst eine mächtige und dunkle Basslinie vor. Darüber entfalten sich Variationen und die Füße treten weiter den Bass, welcher im Laufe der 20 Variationen irgendwann nicht mehr zu durchbrechen scheint. Als Kammerl zum fulminanten Schluss ausholte, war klar, dass an diesem Abend keine Taste, kein Pedal und kein Register unberührt geblieben ist.

Nächste Gelegenheit die Kaps-Orgel in Mariä Himmelfahrt bei einem Konzert außerhalb der Gottesdienste zu hören, bietet ein Abend mit dem Münchener Organisten Christoph Schönfelder am Sonntag, 15. Oktober.

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