Kinderzirkustage "Schnick Schnack":Akrobatik fürs ganze Leben

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Einmal in der Manege stehen und wilde Zirkuskunststücke zeigen - ein Kindertraum, den der Zirkus "Krullemuck" seit 20 Jahren wahr werden lässt. Zum Jubiläum zeigten nun viele Zirkuskinder ihr Können.

Isabella Bayer

"Ich weiß nicht was Surkus ist. Tut das weh?" fragt Astrid Lindgrens Pippi Langstrumpf vor ihrem allerersten Zirkusbesuch. Weh tut den Zuschauern, die sich an diesem heißen Maitag im großen Zelt des Zirkus Krullemuck eingefunden haben, nur der Bauch. Vor Lachen nämlich. Der verrückte Professor mit der wilden blonden Lockenmähne ist gerade unbeholfen in das schwarze Rondell der Manege gestolpert. Er trägt ein überdimensionales Sakko, eine grüngestreifte Krawatte und zwei kastenförmige Koffer, die er jetzt am Gate abstellt. Der "Saturnexpress" kann starten.

Es finden wieder die von der Stadt Dachau unterstützten Kinderzirkustage "Schnick-Schnack" auf der Thoma-Wiese statt. Dieses Jahr feiert der Echo e.V. für Kulturpädagogik oder besser für Pädagogik durch Kultur für das mehrtägige Ereignis, das am vergangenen Mittwoch begann und bis Samstag dauerte, ein Jubiläum: 20 Jahre Zirkus Krullemuck. Und immer noch lautet das Motto: "Zirkus nicht spielen, sondern machen. Karl-Michael Brand beschreibt sein Konzept mit "eher Roncalli als Krone": Also weg vom traditionellen Nummernzirkus, hin zu einer theatralischen Inszenierung.

Aus kulturpädagogischer Sicht bringt das Zirkusmachen viel, da die Kinder ihre eigenen Fähigkeiten und Grenzen austesten können. "Auch Selbstpräsentation und Teamwork werden geschult", erklärt Brand: "In der Akrobatik und Artistik ist man nie als Solist unterwegs". Und das verbindet.

Viele ehemalige Krullemuck-Kids sind später als Übungsleiter noch dabei. Wie Stephan Engleitner. Der 21-Jährige ist das dienstälteste Zirkuskind. Früher stand er selbst in der Manege, heute hat er beim Aufbau der Schnick-Schnack-Zeltstadt geholfen. "Mich qualifizieren 18 Jahre Dabeisein", sagt er grinsend.

Doch Halt! Der Professor hat noch kein Ticket! Das bekommt er von der sechsjährigen Melanie. Das blonde Mädchen trägt einen sanduhrförmigen Hut aus Alufolie auf dem Kopf. In der Hand hält sie eine Rolle Klopapier. Das Ticket. Und der Professor zieht und zieht an der Klopapierrolle, bis sich vor seinen Füßen eine weiße Papierflut ausbreitet. Valentin und Max, beide sechs Jahre alt, sitzen im Publikum und lachen. Und auch Melanie freut sich: "Das hat Spaß gemacht". Die Zehnjährige wird sich später noch auf einer Schaukel in die Schwindel erregenden Höhen der Zirkuskuppel schwingen und dort auf der Schulter eines größeren Mädchens balancieren.

Jannik, der bei der Jahresgala des Kinderzirkus Krullemuck den Professor spielt, bleibt am Boden. Ihm wird auf der Fahrt durch die Galaxien seine Leidenschaft für Biologie zum Verhängnis. "Ich werde von einer Pflanze aufgefressen", sagt der 15-Jährige lachend.

Jannik ist seit sechs Jahren bei der Zirkusschule dabei. Er spielt auch im Jugendvarieté VariaBell mit, und zwar "einen Bauarbeiter". Der Lockenkopf schätzt die Kreativität der Zirkusschule: "Man kann machen was man will, es gibt keine Grenzen." Das VariaBell-Programm "Tür zu" haben die Jugendlichen unter Anleitung selbst gestaltet, Personagen (Bühnenfiguren) erarbeitet und das Bühnenbild gestaltet. Eben: "Zirkus nicht spielen, sondern machen."

Im größten der Zelte steht Jenny Götz und gibt durchs Mikrofon Regieanweisungen an 50 Kinder, die durch die Manege wuseln. Bei der Generalprobe des "Saturnexpress" herrscht noch Chaos: "Es passiert mal wieder alles auf den letzten Drücker. Das ist immer so." Nach der Vorstellung am nächsten Tag wird sie erleichtert aufatmen: "Ich bin froh und glücklich, alle haben super mitgemacht."

Die Theaterpädagogin koordiniert die Kinderzirkustage für Echo e.V. Was ihr am Zirkus am besten gefällt? "Egal ob klein oder groß, jeder findet seinen Platz, jeder findet etwas, was er kann." Und so spielen bei der Jahresgala die vier bis sechsjährigen Zirkuszwerge gemeinsam mit den 17-jährigen alten Zirkushasen. "Alle sind eins, das Zusammenspiel ist toll", sagt Jenny Götz.

Derweil kämpft die elfjährige Derya mit dem Gleichgewicht einem großen roten Plastikball. Im rosa Zelt katapultiert Klassenkameradin Sarah ein Diabolo in die Luft - und verfehlt es beim Herunterfallen. "Das ist eine echte Herausforderung", findet das blonde Mädchen. Sie besucht die fünfte Klasse der Ludwig-Thoma-Schule und hat schon am Vormittag beim Schulklassenprogramm des "Schnick Schnack" - Festivals mitgemacht. Jetzt ist sie wieder da: "Zirkus macht echt Spaß." Also, liebe Pippi Langstrumpf: Surkus tut nicht weh, sondern ausgesprochen gut.

© SZ vom 30.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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