Süddeutsche Zeitung

Kinderbetreuung:Ratlos vor dem Gute-Kita-Gesetz

Eine bayerische und eine bundesweite Verordnung sollen helfen, die Kinderbetreuung bezahlbarer zu machen. Die Träger der Einrichtungen bezweifeln den Nutzen.

Von Thomas Altvater, Dachau

Es sind mehr Fragen als Antworten, die der Dachauer Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) formuliert. "Vieles ist noch unklar", sagt er. Zwei neue Gesetze sollen in diesem Jahr die Betreuung in den Kindertagesstätten verbessern und so die Eltern unterstützen, auch finanziell. Als Trägerin von insgesamt elf Kindergärten ist die Stadt Dachau direkt betroffen. Doch welche Vorteile die beiden Gesetze für Eltern und Kinder haben werden, das kann Hartmann noch nicht sagen. Er beklagt die schlechte Informationspolitik, niemand wisse etwas Konkretes, erklärt er. Kritik kommt auch von dem kirchlichen Kita-Verbund Heilig Kreuz, der bemängelt, zentrale Probleme in der Kinderbetreuung würden mit den Gesetzen nicht angegangen.

"Unsere Hauptanliegen sind eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Betreuer sowie mehr finanzielle Mittel, um das dann auch bezahlen zu können", sagt die Verwaltungsleiterin des Kita-Verbunds Heilig Kreuz in Dachau, Laura Hölzlwimmer. Dafür sorgen sollte eigentlich das neue, sogenannte "Gute-Kita-Gesetz" des Bundesfamilienministeriums, das bereits zum 1. Januar in Kraft getreten ist. Mit 5,5 Milliarden Euro will Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) die Länder in Sachen Kinderbetreuung bis zum Jahr 2022 unterstützen. Wie die Länder das Geld nutzen, bleibt ihnen weitgehend selbst überlassen, das Gesetz definiert lediglich bestimmte Rahmenbedingungen. Bayerns Familienministerin Kerstin Schreyer (CSU) betonte zuletzt, man werde die zusätzlichen ungefähr 860 Millionen Euro für eine qualitative Aufwertung der hiesigen Kindergärten einsetzen.

Konkret sollen die Angestellten in der Kinderbetreuung etwa bei Leitungsaufgaben unterstützt werden. Das sei zwar nur eine geringe Entlastung, erklärt Hölzlwimmer, aber immerhin ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. An der personellen Situation in den Kindergärten, die durch einen gesetzlichen Betreuungsschlüssel geregelt wird, ändert sich dadurch allerdings wenig. "Entscheidend ist auch, was sich für die Kinder verbessert, und da kann ich nichts erkennen", sagt sie.

Hartmann kritisiert hingegen den aus seiner Sicht zu kurzfristig bemessenen Zeitplan des Gesetzes. Denn was nach dem Ende der Förderungsfrist in vier Jahren geschieht, ist noch nicht geregelt. Er fordert den Bund auf, die Gelder auch weiterhin auszubezahlen. "Damit das Geld in die Kommunen kommt, müssen die Länder erst entscheiden, wie die Mittel verwendet werden und dann wiederum einen Vertrag mit dem Bund schließen", erklärt Hartmann. Das kann dauern. Für die Stadt bedeutet das: "Wir haben am Ende nur eine kurze Vorlaufzeit, um zu klären, wo und wie wir die Gelder sinnvoll verteilen." Daraus resultiere ein enorm hoher Verwaltungsaufwand, erklärt Hartmann. "Das wäre ein Wahnsinn für uns."

Dabei würde die Stadt die Fördermittel schon jetzt dringend benötigen. Zehn Millionen Euro beträgt das jährliche Defizit bei der Kinderbetreuung in der Stadtkasse. Ein kostendeckender Betrieb der Kindergärten ist kaum möglich, gute Kinderbetreuung kostet Geld. Den Eltern seien Kontinuität und Erfahrung wichtig, betont Hölzlwimmer. "Aber erfahrenes Personal kostet mehr." Nahezu im Jahresrhythmus erhöht die Stadt mittlerweile die Kindergartenbeiträge, zuletzt im September des vergangenen Jahres.

Hier setzt die bayerische Staatsregierung mit einem eigenen Gesetzesvorhaben an, denn auf das Geld aus Berlin wollen auch Sozialministerin Schreyer und die Staatsregierung nicht warten. Die Kita-Gebühren werden zwar nicht abgeschafft, so haben es CSU und Freien Wählern vereinbart, vielmehr sollen die Eltern von April dieses Jahres an finanziell unterstützt werden. Monatlich erhalten die Eltern bis zu 100 Euro für jedes Kind, das einen Kindergarten besucht. "Kostenfreiheit der Betreuung" heißt es an entsprechender Stelle im Koalitionsvertrag.

Aber kommen die 100 Euro am Ende wirklich bei den Eltern an? Und führen sie tatsächlich zu einer kostenfreien Betreuung? Hartmann zweifelt daran. "Die Auszahlung der 100 Euro übernimmt die Kommune, die das Geld dann an die Träger weitergibt", sagt er. Das führe nicht automatisch dazu, dass damit die Beiträge um 100 Euro gesenkt werden. Was die Träger mit den zusätzlichen finanziellen Mitteln machen können und dürfen, ist für Hartmann noch unklar. In etwas mehr als zwei Monaten werden die ersten Gelder ausgezahlt. Von der Staatsregierung informiert und über das konkrete Vorgehen aufgeklärt wurden Kommunen und Träger noch nicht. Klar ist bisher nur, dass etwa für den Kita-Verband Heilig Kreuz, der dann einen Teil der Gelder selbst verwalten muss, zusätzlicher Aufwand entsteht.

Hartmann plädiert deshalb dafür, die Gelder wirklich sinnvoll und ohne zeitliche Begrenzung zu verteilen. "Es wäre besser, wenn die Kommunen das Geld direkt bekommen würden", fordert er, "denn unser größtes Problem ist einfach dieses hohe Defizit, hier sollte angesetzt werden." Dass das Vorhaben der Staatsregierung eine Entlastung für den Etat des städtischen Haushalts sein kann, verneint er: "Diese 100 Euro sind da keine große Hilfe."

Trotz der finanziellen Situation sei die Kinderbetreuung in Dachau insgesamt gut, betont der Oberbürgermeister. "Es sind alle Plätze bedient, trotzdem müssen wir in den kommenden Jahren weiter ausbauen." Den Bedarf an zusätzlichen Plätzen in der Kinderbetreuung spürt auch Larua Hölzlwimmer. "Wir könnten jeden Platz zwei- bis dreimal besetzen", sagt sie. Insgesamt 700 Kinder betreut der katholische Kita-Verbund in Dachau und Umgebung.

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Quelle:
SZ vom 16.01.2019
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