Keltendorf:Wie vor 2300 Jahren

Geschichte zum Anfassen: Der Archäologische Verein will in der Nähe von Günding ein historisches Keltendorf errichten.

Robert Stocker

Günding - So ähnlich hat das wahrscheinlich auch vor etwa 2300 Jahren ausgesehen: Zwei Männer in grob gewirkter Kleidung haben mit Holzpfählen ein Karrée ausgesteckt und graben mit primitiven Hacken und Schaufeln ein Loch, bis sie in etwa drei Meter Tiefe auf Grundwasser stoßen. Auf den Grund des Lochs legen sie ein Rohr aus Stein, dann kleiden sie den Schacht mit Eichendielen aus und bauen eine Eisenwinde darüber. Eine funktionierende Wasserversorgung war in der Eisenzeit die Voraussetzung für menschliche Siedlungen; der Brunnen, den die beiden Männer in latenezeitlicher Tracht im vergangenen Herbst aushoben, markierte den Beginn eines Projekts, mit dem der Archäologische Verein die Keltenzeit im Dachauer Land wieder aufleben lassen möchte.

Keltendorf: Im Geschichtsdorf Landersdorf bei Thalmässing kann man sich bereits eine Vorstellung davon machen, wie so ein rekonstruiertes Keltenhaus aussieht.

Im Geschichtsdorf Landersdorf bei Thalmässing kann man sich bereits eine Vorstellung davon machen, wie so ein rekonstruiertes Keltenhaus aussieht.

(Foto: Stadt Roth)

Auf einer Wiese neben dem Gündinger Sportplatz soll ein Keltengehöft mit mehreren Gebäuden, einem Hausgarten, einer Feuerstelle und einem Brunnen entstehen, das nach neuesten Erkenntnissen der Archäologie gebaut wird. "Das Keltengehöft soll die Lebensumstände von damals erfahrbar und begreifbar machen", sagt Projektleiter Andreas Bräunling. "Es soll ein Vorzeigeprojekt für den Landkreis werden, in dem auch Führungen und Ausstellungen stattfinden."

Vor rund 2300 Jahren war die heutige Dachauer Gegend von Kelten besiedelt. Experten sprechen von der Latenezeit, die etwa von 450 bis 15 vor Christus dauerte, bis die Römer hier einmarschierten und das Ende der Kelten besiegelten. Mehrere Funde im Umfeld des geplanten Keltengehöfts und im Gewerbegebiet Gada zeugen von jener Zeit; besonders bedeutend ist eine Gürtelkette, die in Mitterndorf entdeckt wurde. "Auch das Dachauer Land", sagt Bräunling, "war ein Zentrum keltischer Kultur".

Warum das Keltengehöft, das nach einem typischen Befund für die Latenezeit aufgebaut wird, ausgerechnet in Günding entsteht, hat auch einen anderen Grund: Das Grundstück gehört Robert Gasteiger, der dem Archäologischen Verein angehört. Darüber hinaus sind zwei Vereinsmitglieder ausgesprochene Experten für die Latenezeit, "die sich auch mit Waffen und Schmuck bestens auskennen", sagt Bräunling. Die Projektgruppe besteht aus insgesamt zwölf Personen, zu denen auch ein Statiker gehört.

Das Keltengehöft umfasst ein zehn Meter breites, acht Meter langes und sechs Meter hohes Hauptgebäude, ein überdachtes Werkstattgebäude mit Backofen und Schmiede und ein Vorratsgebäude, das auf ein 1,50 Meter hohen Stelzen steht. "Das Vorratsgebäude ist typisch für jene Zeit, es wurde auf Stelzen gebaut um zu verhindern, dass Ungeziefer in die Lebensmittelvorräte gelangen", sagt Bräunling. Darüber hinaus will der Archäologische Verein eine zentrale Feuerstelle, einen Brunnen und einen Hausgarten anlegen, in dem typisch eisenzeitliche Pflanzen wachsen.

Umfriedet wird das etwa 18 mal zehn Meter große Areal mit einem Zaun, an dem ebenfalls zeitgenössische Pflanzen wie Holunder oder Beerensträucher wachsen sollen. Der Verein will die Gebäude auch mit Bänken, Tischen, Stühlen, Regalen oder Truhen möblieren. "Die Kelten hatten wohnliche Häuser mit Feuerstellen, Holzfußböden und Wandmalereien", erklärt Bräunling. Bei dem Projekt handele es sich um experimentelle Archäologie: "Wir wollen zeigen, wie damals die Menschen lebten, wie sie ihr Fladenbrot backten und welche Pflanzen sie zogen." Wenn das Keltengehöft fertiggestellt ist, sollen regelmäßig Schüler zu Exkursionen kommen und dort anschaulichen Geschichtsunterricht erhalten. Auch Führungen, Ausstellungen und Sommerfeste sind geplant.

Derzeit laufen die Genehmigungen für das Projekt, für das auch das Placet des Wasserwirtschaftsamts nötig ist, weil es im Hochwassergebiet der Amper liegt. Der Baufortschritt hängt von den Genehmigungen und von Spenden ab, mit denen der Verein das Projekt finanzieren will. Die Kosten für Material und Transporte beziffert Bräunling auf 60000 Euro, der Bau wird in Eigenleistung erstellt. "Das Eichenholz für den Brunnen wurde uns schon gespendet", sagt Bräunling. Als Bauzeit sind drei Jahre veranschlagt. "Das Projekt soll den Verein nichts kosten. Wir wollen das alleine stemmen."

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