Katholische Kirche:"Die Zeit ist reif, etwas zu ändern"

Die Katholiken im Landkreis reagieren positiv auf die Umfrage-Pläne des Papstes zum Thema Ehe und Familie und haben große Hoffnung, dass sich die Kirche öffnet.

Von Pia Lehnfeld

Kommunion

Geschiedenen Wiederverheirateten, aber auch Menschen in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften wird die Kommunion verwehrt. Erstmals will der Papst prüfen lassen, wie die Gläubigen in den Bistümern dazu stehen.

(Foto: Bernd Thissen/dpa)

Wer katholisch ist und sich scheiden lässt, bricht damit nach katholischer Auffassung das Sakrament der Ehe. Geschiedene, die wieder heiraten, dürfen nicht zur Kommunion gehen. Die Lebensgemeinschaft von Homosexuellen lehnt die Kirche ab. Ob auch die Gläubigen selbst diese Auffassungen noch teilen, das möchte Papst Franziskus herausfinden. Weltweit sollen Bischöfe die Gläubigen zu ihrer Einstellung zu Ehe und Familie befragen.

Im Oktober haben alle Bischofskonferenzen ein Vorbereitungsdokument für die Außerordentliche Vollversammlung der Bischofssynode über die "pastoralen Herausforderungen der Familie im Kontext der Evangelisierung" erhalten. Bereits im kommenden Oktober soll die Vollversammlung stattfinden. Die Bischöfe sollen jetzt die Gläubigen und Gemeinden fragen, wie sie leben, ob sie verheiratet oder geschieden sind. Ob sie uneheliche Kinder haben, und ob der Lebenspartner das gleiche Geschlecht hat. Der Papst möchte wissen, ob Gläubige, die in "irregulären Ehesituationen" leben, sich ausgegrenzt fühlen und darunter leiden, dass ihnen die katholische Kirche Sakramente verwehrt. Mit Hilfe einer Umfrage möchte Papst Franziskus wissen, was die Kirchenbasis denkt.

Die Katholiken im Landkreis Dachau fassen das Interesse des neuen Papstes positiv auf. Geschiedene Wiederverheiratete, Homosexuelle aber auch nichtverheiratete Paare werden nicht zur Kommunion zugelassen. Diese Familienformen stellen die Kirche vor "noch nie da gewesene Problematiken", wie es in dem Dokument des Papstes heißt. Ob dieses katholische Familienverständnis jedoch dem Zeitgeist der katholischen Gläubigen überhaupt noch entspricht, gilt es zu prüfen.

Ein Fragebogen als Vorbereitung für die Bischofssynode sei zunächst nichts außergewöhnliches, sagt Pfarrer Bernhard Rümmler von Sankt Anna in Karlsfeld. Fragebögen als Vorbereitung gebe es regelmäßig. Das Besondere daran sei allerdings, dass erstmals nun auch das Kirchenvolk befragt werden soll. "Das ist gut", findet Rümmler. Insbesondere, dass die Familie Thema der Bischofssynode sein wird, begrüßt der Pfarrer: "Die Familie ist die Keimzelle der Gesellschaft", sagt er.

Die Bereitschaft des Papstes, die komplexen Themen über Zusammenleben, Ehe und Familie öffentlich diskutieren zu wollen, empfindet Sascha Rotschiller, stellvertretender Direktor der Landvolkshochschule Petersberg, als ein positives Zeichen. "Da ist ein Wille zur Wahrnehmung", sagt Rotschiller. Der Papst möchte mit der Umfrage den Ist-Zustand in den Bistümern prüfen, also wie die Situation in den einzelnen Bistümern konkret aussieht, erklärt er. "Das ist großartig." Dass die katholische Kirche in nächster Zeit von ihren Positionen abrückt, bezweifelt Rotschiller jedoch. "Die katholische Kirche ist ein langsamer Apparat", weiß er. Viele Dinge könnten außerdem nur schwer geändert werden, weil sie nicht ins "Glaubensschema der Kirche passen". Dennoch hofft Rotschiller, dass sich auch für Familien, die dem Verständnis der Kirche nach "nicht ideal" sind, etwas ändern wird.

Auch Sophie Nauderer, Vorstandssprecherin vom Katholischen Deutschen Frauenbund in Dachau, begrüßt die Offenheit des Papstes. "Es muss etwas getan werden", sagt sie. Wiederverheiratete Geschiedene, die von der Kommunion ausgeschlossen werden, hätten ein "Urteil auf Lebenszeit", sagt sie. Gesetze brauche man zwar, doch müsse man diese nicht "in aller Härte" vollziehen. "Barmherzigkeit ist wichtig", sagt Nauderer.

Der Pfarrgemeinderatsvorsitzende von Sankt Jakob in Dachau, Wolfgang Müller, glaubt, dass es 50 Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil nun an der Zeit sei, dies auch fortzuführen. Man müsse sich den Anforderungen der Zeit stellen, sagt er. Sich damit auseinanderzusetzen, dass nicht jeder die Kommunion empfangen kann, hält Müller für wichtig. "Diese Menschen sind sowieso meist schon Randgruppen. Dass wir als Kirche noch zusätzlich auf ihnen rumtrampeln, finde ich nicht gut", sagt er. "In unserer Zeit geht das nicht mehr." Es sei jetzt der Zeitpunkt zum Aufbruch gekommen. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass der Stillstand in der Kirche sogar wieder rückwärts gehe. "Die Zeit ist reif, etwas zu ändern", lautet Müllers Fazit.

Pater Klaus Spiegel, Mitarbeiter in der Katholischen Seelsorge an der KZ-Gedenkstätte und Hausgeistlicher im Karmel "Heilig Blut", hat eine realistische Sicht auf die Dinge. Natürlich könne nicht jeder einzelne Katholik mit dieser Umfrage einbezogen werden. Deshalb sei es wichtig, dass am Ende ein "repräsentatives Bild der Gläubigen wiedergegeben wird". Zudem sind die Fragen sehr breit, sagt er. Die Lösung trage diese Umfrage noch nicht in sich, glaubt der Pater. Doch beim Menschen anzufangen und ihn anzuhören, sei ein toller Ansatz. Schließlich sei die ganze Weltkirche einbezogen. Ob und welche Änderungen die Umfrage allerdings am Ende nach sich ziehen wird, sei schwer zu beurteilen. Pfarrgemeinderatsvorsitzender Wolfgang Müller jedenfalls hat große Hoffnung, dass sich die Kirche öffnet.

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