Süddeutsche Zeitung

Fledermausnacht am Karlsfelder See:Geschöpfe der Dunkelheit: So war die Fledermausnacht

Zur Dämmerung schwingen sich Fledermäuse in die Lüfte. Am Karlsfelder See spürt sie der Naturexperte Hartmut Lichti mit einem Bat-Detektor auf.

Von Franziska Stolz, Dachau

Dämmerung, ein Streifen Abendrot verschmilzt mit dem Tiefblau der hereinbrechenden Nacht. Der Karlsfelder See liegt ruhig da im letzten Licht des Tages. Am Ufer herrscht hingegen noch Unruhe, es zeichnen sich die Silhouetten zahlreicher Menschen ab, die sich um einen Mann versammelt haben, der ein Kopfmikrofon trägt, einen Lautsprecher an die Hüfte geschnallt hat und einen Ultraschalldetektor in die Luft streckt. Zunächst dringt nur ein leichtes Rauschen aus dem Lautsprecher von Hartmut Lichti, dann ertönt ein knatterndes Geräusch, das immer lauter wird. "Da!", ruft ein Mann. Und ein Kind erwidert: "Das ist eine!"

Während ein paar verbliebene Badegäste ihre Handtücher einpacken und sich auf den Nachhauseweg machen, bricht die Stunde der Nachtschwärmer an. Gemeint sind nicht junge Menschen, die sich zu einem Umtrunk am See treffen, sondern Fledermäuse. Es ist die Europäische Fledermausnacht an diesem Samstagabend. Hartmut Lichti, der seit Jahren in der Kreisgruppe des Landesbund für Vogelschutz (LBV) mitwirkt, steht auf einer Bank nördlich der Gaststätte Paulaner Seegarten. Er ist umringt von Kindern, deren Eltern dahinter einen zweiten Kreis bilden. Mehr als 90 Interessierte haben sich an diesem Abend für Lichtis Vortrag eingefunden.

Die Fledermauspopultation wird kleiner

Wenn er über die fliegenden Säugetiere spricht, merkt man, wie sehr er für das Thema brennt. Ungefähr 23 verschiedene Arten von Fledermäusen sind in Bayern heimisch, im Landkreis wurden bisher 13 Arten festgestellt. "Abendsegler, Zwergfledermäuse, Langohrfledermäuse und Wasserfledermäuse gehören mit zu den häufigsten Arten in der Gegend," sagt Lichti.

Der Experte fragt die Kinder im Publikum, ob sie wüssten, wovon sich Fledermäuse ernähren. "Kleine fliegende Tiere, Insekten, Spinnen", lauten die Antworten. Lichti nickt. Das bedeutet aber auch, dass die Fledermauspopulationen vom aktuellen Insektenmangel direkt betroffen sind. Die Nahrung stirbt ihnen weg. "Wir beobachten das," sagt Lichti. "Durch Schutzbemühungen sind die Populationen in den letzen Jahren wieder angestiegen und haben sich stabilisiert. Aber bei manchen Arten merkt man schon, wie die Zahlen stagnieren oder leicht zurückgehen." Dass das mit Nahrungsmangel zusammenhängt, sei noch nicht nachgewiesen, liege jedoch nahe, meint der Experte vom LBV. An diesem Abend summt glücklicherweise noch die eine oder andere Mücke über den Köpfe der Zuhörer und lockt hoffentlich bald die ersten Nachtschwärmer aus ihren Quartieren.

Fledermäuse leben in Höhlen, aber auch hinter abgespaltener Baumrinde und löchrigen Baumstämmen richten sich viele Arten ihr Zuhause ein. Andere, die sogenannten Kulturfolger, hätten ihre Quartiere in Gemäuern oder auf Dachböden großer Gebäude, wie Kirchen und Schlösser, sagt Lichti und erläutert später: "In den Fünfzigern und Sechzigern sind die Populationen stark eingebrochen. Damals hat man mit Flurbereinigung Hecken beseitigt, Feuchtgebiete trockengelegt und so wichtigen Lebensraum zerstört."

Fledermäuse gehören zu den gefährdeten Tierarten. Jetzt wollen die Zuhörer dringend vom Experten wissen: Was kann getan werden, um die Fledermäuse zu schützen? Der LBV bemühe sich, Flächen zu kaufen, antwortet Lichti, auf denen neue Biotope mit Blütenreichem Angebot angelegt würden, damit Insekten und Fledermäuse gedeihen können. Um mehr Quartiere zur Verfügung zu stellen, seien Fledermauskästen Lösungsansätze, man würde aber auch gezielt mit Pfarren oder Mesnern sprechen.

Viele Kirchendächer werden abgedichtet, damit sich dort keine Tauben einnisten. Der Experte vom LBV weiß aber: "Fledermäuse brauchen nur einen ganz schmalen Schlitz, also kann man das schon so lösen, dass die Fledermäuse reinkommen, aber die Tauben nicht." Als Privatperson kann man laut Hartmut Lichti vor allem eines tun: sich für Umweltschutz stark machen.

Inzwischen hat sich der Himmel deutlich verdunkelt und Lichti bekommt über seinen Kopfhörer Meldung von den Kollegen, die bereits mit Bat-Detektoren ausgerüstet die Umgebung durchstreifen. Jetzt werden die ersten Jagdrufe der Nachtschwärmer - je nach Fledermausart durch Mund oder Nase - ausgestoßen, um anhand der Echos die Richtung und Distanz der nächsten Beute auszumachen. Hören kann man diese allerdings nur mithilfe solcher Geräte, wie sie Lichti und seine Kollegen bei sich tragen, denn die Laute werden die Laute in einem Bereich von etwa 20 bis zu 100 Kilohertz erzeugt, was ein Mensch nicht wahrnehmen kann.

Der Bat-Detektor knattert

Das Knattern aus Lichtis Bat-Detektor stammt, so lässt die Frequenz vermuten, von der Zwergfledermaus. Kinder und erwachsene Teilnehmer der Nachtführung richten gleichermaßen die Blicke suchend nach oben. Lange dauert es nicht, dann huscht ein schwarzer Schatten über die Köpfe hinweg. Da flattert auch schon die zweite Fledermaus, und die dritte.

An diesem Abend lassen sich viele der Tiere blicken. Hartmut Lichti erklärt: "Die Fledermaus hat kein Gefahrenschema von Leuten, die auf dem Boden rumlaufen, da passiert ihnen ja auch nichts." Bis zu einen Meter nah würden sich die Tiere an Personen herantrauen, wenn es gerade eine Mücke in der Nähe zu ergattern gibt. Angst vor Menschen haben sie nicht. Umgekehrt fürchteten sich die Menschen lange vor den Fledermäusen. Man wusste nicht, wie sich die Fledermaus im Dunkeln orientiert, also wurde ihr nachgesagt mit dem Teufel im Bunde zu sein. Solcher Aberglaube bekümmert die Familien am Karlsfelder See nicht mehr. Die Freude steht den Leuten ins Gesicht geschrieben, wann immer Lichtis Bat-Detektor anschlägt und sie wieder eines der kleinen Wesen am Himmel oder über dem Wasser entdecken.

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Quelle:
SZ vom 28.08.2019
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