Karlsfeld:Zwei von 20.000

Karlsfeld: Die beiden Neu-Karlsfelder Christina Buschle und Christian Appel wurden im Rathaus vom Bürgermeister mit Blumen und Einkaufsgutschein empfangen.

Die beiden Neu-Karlsfelder Christina Buschle und Christian Appel wurden im Rathaus vom Bürgermeister mit Blumen und Einkaufsgutschein empfangen.

(Foto: Toni Heigl)

Mit dem Zuzug von Christina Buschle und Christian Appel knackt Karlsfeld die runde Einwohner-Zahl. Ihrer Anmeldung folgten 300 weitere in nur sechs Wochen.

Von Gregor Schiegl

Sie heißen Christian und Christina, aber manchmal rufen sich spaßeshalber auch 20 000 oder 20 001. Wer von beiden wer ist, wissen sie selber nicht so genau, und das ist auch gar nicht so wichtig. Wer seit sieben Jahren zusammen durch dick und dünn geht, kann sich die Ehre, 20 000. Bürger Karlsfelds zu sein, auch teilen. Offiziell ist es Christina Buschle. Sie ist studierte Pädagogin und arbeitet als wissenschaftliche Referentin am Deutschen Jugendinstitut und bei der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte. "Als ich den Brief vom Bürgermeister las, dachte ich, das kann nicht wahr sein", sagt die 32-Jährige und lacht. 20 000 könnte aber genauso gut ihr 37-jähriger Lebensgefährte, Christian Appel, sein. Er war es, der Ende Oktober ihre Meldeunterlagen im Einwohnermeldeamt einreichte - ihre und seine.

In Karlsfeld hat nicht die Anonymität der Großstadt Einzug gehalten

Appel, der als Kundenbetreuer bei einer gesetzlichen Krankenversicherung arbeitet, war eine halbe Stunde zu früh dran. Eine Mitarbeiterin winkte ihn ins Büro. Nach zehn Minuten war alles erledigt. "Die Leute im Rathaus waren superfreundlich. Alles ging ganz unbürokratisch." In München, wo er mehr als zehn Jahre gelebt hat, hätte es das nicht gegeben, sagt er. "Da hätte ich zwei Stunden warten müssen." Karlsfeld ist kein Dorf mehr, aber doch ein Ort, wo die Leute einander noch wahrnehmen. Wo noch nicht die Anonymität der Großstadt Einzug gehalten hat. "Wenn man in München die Leute grüßt, erschrecken sie manchmal", sagt Appel. In Karlsfeld nicht. Da grüßen sie freundlich zurück.

Sechs Wochen, nachdem sich Nummer 20 000 in der Gemeinde angemeldet hat, liegt Karlsfelds Einwohnerzahl schon deutlich über 20 300 Einwohnern. Allein bis Mitte Dezember wurden 2280 Neuzugänge angemeldet. Eine atemberaubende Zahl für eine Gemeinde, die davor über ein ganzes Jahrzehnt hinweg schlicht "die 18 000-Einwohner-Gemeinde" war.

Nido Gelände

Weitere Wohnhäuser westlich der Bahn bescheren der Gemeinde mehr Bürger.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Einige "Neubürger" werden auch wieder gehen

Aber man muss ein paar Abstriche machen: Zu den "Neubürgern" zählen auch 244 Asylbewerber, die in der Traglufthalle leben. Die wenigsten von ihnen werden dauerhaft bleiben. Auch ein Großteil der 275 Polen, Bulgaren und Rumänen, die sich 2015 in Karlsfeld angemeldet haben, werde in nicht allzuferner Zeit wieder abziehen. Dann nämlich, wenn sie mit der Arbeit fertig sind. Westlich der Bahn, aber auch in der Ortsmitte werkeln die osteuropäischen Bauarbeiter noch fleißig an den großen Neubaugebieten. Aber wenn sie gehen, werden andere kommen. Die neuen Bewohner. Junge Paare wie Christian und Christina. Nur dass diese meistens schon kleine Kinder mitbringen, was den Altersdurchschnitt der Neubürger auf 29 Jahre absenkt - und das trotz der 60 Hochbetagten, die ebenfalls nach Karlsfeld kamen.

Im echten Leben gibt es keine Mustermanns, nur in der Statistik. So sind Christina und Christian auch nur bedingt repräsentativ für die Entwicklung im Ort: Die Nachbarn kennen Christina Buschle schon seit sie ein kleines Mädchen war. Sie ist in Oberschleißheim aufgewachsen, der Opa wohnte in Karlsfeld im Ortsteil Rothschwaige. Dort spielte sie am Bach, ging mit den Hunden spazieren. Die Rothschwaige ist der Ortsteil, den die Dynamik des Wachstums allenfalls streift. Hier sind die Alteingesessenen zu Hause. So wie Christina Buschles Opa, der im Frühjahr im gesegneten Alter von 93 Jahren gestorben ist. Das Haus gehört jetzt der Enkelin. "Ich liebe dieses Haus", sagt sie.

In Schwabing ging es zum Nordfriedhof für einen ruhigen Spaziergang

Natürlich haben sie es umgebaut. Die tannengrünen Fliesen wurden durch einen Holzfußboden ersetzt. Im Gästebad kann man noch den schrillen Siebziger-Jahre-Stil erkennen. Christina Buschle öffnet die Tür: "Meerblaue Fliesen! Super, oder?" Und einen Garten haben sie auch. Der Opa hat Rosen gezüchtet, es gibt sogar eine Rosenlaube. "In München wäre so etwas utopisch", sagt Christian Appel. "Wir haben bombastisches Glück gehabt." Davor haben sie in Schwabing gewohnt. Wenn sie da mal in Ruhe spazieren gehen wollten, sind sie immer auf den Nordfriedhof gegangen. "Hier haben wir das Grüne gleich vor der Nase." Im Wohnzimmer gibt es einen schönen Kamin. Das Feuerholz haben Appels Eltern mitgebracht aus ihrem Heimatort bei Bamberg. Appel ist gebürtiger Franke. Aber das wird nicht weiter auffallen in der bunten Vielvölkergemeinde. 2015 sind auch 32 Türken, 25 Chinesen und 18 Inder zugezogen.

Für Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) ist das starke Wachstum der Ausweis der Attraktivität Karlsfelds. Und in Tat sind Christian und Christina sehr glücklich in ihrer neuen Heimat. "Das ist der Jackpot", sagt Christian Appel. Und Christina Buschle ist sich sicher: "Das war unser letzter Umzug."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: