Karlsfeld:"Sie haben Fallou mitgenommen"

Helferkreis Karlsfeld

Integration geht auch über die Küche: Marion Matura-Schwarz (links) und Evi Wimmer bei einem Kochkurs mit Flüchtlinge.

(Foto: oh)

Er kommt aus dem Senegal und war bestens integriert. Dennoch wurde Fallou M. abgeschoben. Das hat weitreichende Folgen für Helfer und andere Flüchtlinge.

Von Moritz Köhler, Karlsfeld

Die Polizeibeamten kamen am frühen Dienstagmorgen, sieben Uhr war es, in den Bauhof in Karlsfeld. Der 31 Jahre alte Fallou M. hatte gerade mit seiner täglichen Arbeit begonnen und ahnte nicht einmal, was auf ihn zukam. Die Polizisten fuhren mit ihm in die Flüchtlingsunterkunft in der Parzivalstraße, dann sofort zum Flughafen München und setzten ihn in ein Flugzeug nach Mailand.

Der Senegalese Fallou M. hatte aber gar keinen Abschiebebescheid erhalten, wie Fabian Baur, Sprecher des Helferkreises Karlsfeld, sagt. Die Helfer sind entsetzt über die Abschiebung des beliebten jungen Mannes - der Fall könnte Folgen für die Zusammenarbeit der Helferkreise mit dem Landratsamt haben. Die Karlsfelder kritisieren nicht nur die Behörden, sie stellen auch den Sinn ihrer Arbeit in Frage. "Was nutzt das eigentlich, was wir hier tun?", sagt Elfriede Peil.

274 Ehrenamtliche engagieren sich für Flüchtlinge: Ohne sie läuft keine Betreuung der Flüchtlinge, keine Integration. Das wissen Landratsamt und Gemeinde. Und jetzt haben die Behörden die Helfer gegen sich aufgebracht: Claudia Fischbach sagt: "Auch für uns ist die Abschiebung ein harter Schlag. Die Menschen werden ein Teil von uns." Fallou M. sei zu einem Freund geworden, sagt Florian Baur. Seine Abschiebung haben die Karlsfelder als Schock erlebt. "Da fließen dann viele Tränen." Und das Vorgehen wirft Fragen auf: "In Fallous Fall wusste ja noch nicht einmal jemand von der Abschiebung. Wir haben bis heute keinen Abschiebebescheid gefunden", sagt Baur.

Die berühmte deutsche Gründlichkeit fehlt im Eilverfahren

Fallou M. ist aus dem Senegal im Sommer 2015 nach Europa geflüchtet. In Italien wurde er registriert, dann reiste er weiter nach Deutschland, wo er seinen Antrag auf Asyl stellte. Doch in der Dublin III-Verordnung haben sich die EU-Staaten sowie Island, Norwegen, Liechtenstein und die Schweiz 2013 darauf verständigt, dass Flüchtlinge ihre Asylanträge in dem Staat stellen müssen, in den sie zuerst eingereist sind. Fallou M. und die Helfer wussten das natürlich. Peil kritisiert die Arbeit des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF): Das BAMF wolle die Senegalesen nun im Eilverfahren abschieben und gehe dabei sehr unsauber vor. So komme es vor, dass bei der Anhörung kein Dolmetscher in der Muttersprache des Antragstellers zugegen sei. Dazu ist das BAMF jedoch rechtlich verpflichtet.

Aber die Helfer kritisieren die Abschiebung grundsätzlich: Nicht nur weil Fallou M. ein freundlicher, hilfsbereiter, engagierter und fleißiger Mensch ist, wie ihn alle beschreiben. Vor allem war er offenbar ein Musterbeispiel gelungener Integration, von der die Politiker zurzeit so viel reden. "Fallou hat in nur wenigen Monaten in Kursen und Eigenstudium so gut Deutsch gelernt, dass er sich gut verständigen konnte", sagt Julia Matzinger. Sie gehört auch zum Helferkreis und ist Integrationslotsin.

Das bestätigt auch Anton Wallner, der Leiter des Karlsfelder Bauhofs: "Er war sehr fleißig. Und vor allem immer pünktlich." Fallou M. klaubte in den Außenanlagen Papier auf, übernahm Reinigungstätigkeiten. Kleinere Arbeiten, die den Mitarbeitern des Bauhofs viel Zeit sparten. Von Montag bis Freitag war er hier jeden Tag vier Stunden lang zu Gange - und bekam für jede Stunde gerade einmal 1,05 Euro. Trotzdem war er immer mit viel Motivation bei der Sache, wie Wallner sagt. Ein Arbeitsverhältnis, von dem beide Seiten profitierten.

Die anderen Senegalesen stehen seitdem unter Schock

Das hat nun alles ein Ende gefunden, als am Dienstagmorgen des 7. Juni die Polizei Fallou M. holte. Plötzlich ging alles sehr schnell. Julia Matzinger ist noch heute fassungslos, wenn sie darüber spricht. Sie bekam aus der Flüchtlingsunterkunft einen Anruf von einem seiner Mitbewohner: "Julia, die Polizei war da. Sie haben Fallou mitgenommen." Der Senegalese durfte gerade mal noch ein paar Habseligkeiten in eine Reisetasche stopfen. Dann saß er schon im Polizeiwagen auf dem Weg zum Flughafen.

Die anderen Asylsuchenden der Unterkunft stehen seitdem unter Schock: Sie haben das alles hautnah mitbekommen, hatten keine Zeit, um richtig Abschied zu nehmen. Auch jetzt noch spüre man die ständige Angst der Senegalesen. Sie fürchten, dass auch sie bald abgeholt werden - eine Befürchtung, die schnell zur bitteren Realität werden kann. Im Jahr 2015 wurden zwölf Asylsuchende abgeschoben, 60 gingen freiwillig in ihre Heimatländer zurück. Etwa die Hälfte der 1732 Flüchtlinge im Landkreis, schätzt Landrat Stefan Löwl (CSU), muss wieder gehen. Die Abschiebung nach dem Dublin-Abkommen oder in das Herkunftsland, wenn ihr Asylantrag abgelehnt ist, entspricht dem geltenden Recht. Der Senegal ist als sicheres Herkunftsland eingestuft worden - die Realität sieht aber anders aus. Laut Auswärtigem Amt droht seit Jahren islamistischer Terror im Land. Vor Reisen dorthin wird gewarnt.

"Ich bin aus allen Wolken gefallen"

Die verbliebenen Senegalesen stehen nach dieser Erfahrung unter großem seelischen Stress. "Wir versuchen mit vielen Gesprächen diese Ängste aufzugreifen", sagt Elfriede Peil. Allerdings seien auch viele Helfer selbst verunsichert. Sie fragen sich, welchen Sinn ihre intensive und häufig nicht einfache Arbeit hat, wenn Menschen wie Fallou M., die hier bereits Fuß fassten, abgeschoben werden, nur weil sie aus dem politischen Raster fallen.

Auch Marion Matura-Schwarz ist erschüttert: "Ich bin aus allen Wolken gefallen, als ich gehört habe, dass Fallou weg ist. Ich bin besorgt und wütend über das Vorgehen der Behörden. Da werden wir in Zukunft wachsamer sein."

Evi Wimmer bietet Deutschkurse für die Flüchtlinge an und kocht regelmäßig mit ihnen. "Fallou hat bei allem mitgemacht. Er war unglaublich aktiv, zuverlässig und pünktlich." Dann sagt sie: "Er ist ein so positiver Mensch . . ." An dieser Stelle stockt Evi Wimmer. Sie weint.

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