Aussichtspunkt am Räuber-Kneißl-Weg:„Dieser Wille, etwas zu zerstören, das ist das, was mürbe macht"

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Bergkirchens Zweite Bürgermeisterin Dagmar Wagner ist fassungslos über die wiederholte Zerstörungswut am Aussichtspunkt des Räuber-Kneißl-Wegs zwischen Kreuzholzhausen und Deutenhausen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Bereits zum sechsten Mal ist der Aussichtspunkt am Räuber-Kneißl-Weg in Bergkirchen verwüstet worden. Von den Tätern fehlt jede Spur. Nun reagiert die Gemeinde mit Mitteln, die Ausflügler nicht freuen werden.

Von Marie Heßlinger, Bergkirchen

Statt zweier Infotafeln stehen nur noch leere Halterungen da, wie Bilderrahmen für die schöne Landschaft dahinter. An klaren Tagen kann man hier die ganze Alpenkette sehen, die Zugspitze, aber auch die Hochhaustürme Münchens. Deswegen ist der Aussichtspunkt des Räuber-Kneißl-Radweges zwischen Kreuzholzhausen und Deutenhausen so besonders beliebt. Doch nicht nur zwei Infotafeln fehlen, auch das Viscope-Fernrohr, mit dem Spaziergänger und Radfahrerinnen bis vor Kurzem die Bergspitzen bestimmen konnten, ist jetzt weg. Dem Kästchen für den Etappen-Stempel fehlt seine Glasscheibe, der Stempel ist abgerissen. Dagmar Wagner, Bergkirchens Zweite Bürgermeisterin, schaut sich am Aussichtspunkt um. „Es war ein Schlachtfeld.“

Am Morgen des 31. Dezember schickte eine Bürgerin an Dagmar Wagner ein Foto des Aussichtspunktes, an dem sie gerade mit ihrem Hund vorbeispaziert war. Wagner stieg sofort ins Auto, um sich persönlich anzuschauen, was geschehen war. „Es war Wahnsinn“, sagt sie, „Wahnsinn“. Überreste von Feuerwerkskörpern bedeckten den Boden. Die Infotafeln waren gesprengt, ebenso das Viscope-Fernrohr. Offenbar hatte jemand einen Böller direkt in das Rohr gelegt und es mutwillig zerstört. Diese jüngste Verwüstung war der Höhepunkt einer ganzen Reihe vandalischer Angriffe, denen der Gemeinderat nun Einhalt gebieten möchte.

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Angefangen hatte alles, kurz nachdem der Aussichtspunkt im Jahr 2016 mit Sitzbank und Fernrohr ausgestattet worden war. Schon zuvor war die Weggabelung auf der Anhöhe ein beliebter Treffpunkt gewesen, hatte Spaziergänger und Ausflügler zum Innehalten eingeladen. Nun, wo Tisch und Bank dastanden, machten Familien ihre Brotzeiten dort, Paare sahen sich den Sonnenuntergang an, manche stießen mit einem Glas Sekt an. „Es sollte ja auch so sein, dass man hierher kommen kann, sich treffen kann, genießen kann“, sagt Wagner. Ein paar Jahre später baute die Westallianz, ein Zusammenschluss aus sieben Gemeinden aus den Landkreisen Dachau und Fürstenfeldbruck, einen Radweg. Weil auch der beliebte Räuber Mathias Kneißl Ende des 19. Jahrhunderts auf seinen Raubzügen mit dem Fahrrad in den Gemeinden unterwegs gewesen war, benannten sie den Radweg nach ihm. Es mag ein bisschen nach Ironie des Schicksals klingen, dass sich nun auf ebenjenem Radweg kriminelle Energien Bahn brechen.

Insgesamt sechsmal zerstörten Unbekannte in den vergangenen Jahren das mehr als 11 000 Euro teure Fernrohr, zweimal musste es die Gemeinde zur Reparatur zum Hersteller zurückschicken. Auch die Sitzbank mit dem Holztisch musste die Gemeinde austauschen und die Infotafeln säubern. Ein Straßenschild wurde in der Vergangenheit ebenfalls umgefahren, und der Reparaturposten für Fahrräder wurde nach der Eröffnung des Radweges keine Woche alt – zweimal ließ ihn die Gemeinde richten, dann gab sie auf und schaffte ihn ab. Die Erneuerungen zählten zu den laufenden Aufgaben der Mitarbeiter des Bauhofes, sagt Wagner, deshalb könne sie keine Summe nennen, auf die sich die Arbeiten der vergangenen Jahre belaufen. Doch allein diesmal betrage der Schaden rund 15 000 Euro.

Kurz vor dem Jahreswechsel wurde der Aussichtspunkt zuletzt verwüstet, unter anderem mit Silvesterböllern. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Eigentlich ist dieses schöne Fleckchen Erde mit weitem Blick auf München genauso wie auf die Alpenkette bei Ausflüglern überaus beliebt. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Hinweise aus der Bevölkerung, wer die möglichen Täter gewesen sein könnte, gab es keine. Der Aussichtspunkt liegt abgeschieden. Wagner sagt, sie habe manchmal Autos mit Kennzeichen aus den umliegenden Landkreisen am Aussichtspunkt stehen sehen. Doch wer tatsächlich für die Zerstörungen verantwortlich war, ist nach wie vor unklar. Ein Hinweisschild auf Videoüberwachung schreckte die Täter nicht ab. Eine tatsächliche Videoüberwachung wäre aus rechtlichen Gründen nicht möglich, und auch nicht im Sinne der Gemeinde, sagt Wagner. Jedoch: „Dieser Wille, etwas zu zerstören, das ist das, was mürbe macht, auch uns als Gemeinde.“

Um den Aussichtspunkt in Zukunft vor weiterem Vandalismus zu schützen, hat der Bergkirchner Gemeinderat beschlossen, das Viscope-Fernrohr nicht mehr aufzubauen. Die Infotafeln werden erneuert, die Sitzgelegenheit aus Holz soll vorsorglich schweren Steinquadern weichen, die sich nicht so leicht zerstören lassen. Wagner sagt: „Wir hoffen, dass wir damit eine Lösung haben, die langfristig hält.“

Räuber Kneißl war seinerzeit übrigens nicht für mutwillige Zerstörung bekannt. Dass sein Geist für den Ärger am Aussichtspunkt verantwortlich ist, gilt daher als unwahrscheinlich.

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