Karlsfeld:"Radelnde Mitarbeiter sind motivierter"

Bei der Karlsfelder Gewerbeschau wirbt Peter Reiz für das Zertifizierungsprogramm "radfreundliche Arbeitgeber" des ADFC.

Interview von Gregor Schiegl

Zu den Ausstellern der Karlsfelder Gewerbeschau am Wochenende gehört auch der Radclub ADFC. Peter Reiz, stellvertretender Landesvorsitzender aus Karlsfeld, will bei Betrieben dafür werben, sich als erster "radfreundlicher Arbeitgeber" im Landkreis zertifizieren zu lassen. Im SZ-Interview erklärt Peter Reiz, wie man mit der Förderung des Fahrradfahrens den Fachkräftemangel bekämpft, die Produktivität erhöht und die Laune seiner Mitarbeiter verbessert.

SZ: Herr Reiz, Hand aufs Herz: Wie kommen Sie am Samstag zur Gewerbeschau?

Peter Reiz: Ich fahre mit Sicherheit mit dem Rad. Ich habe einen Anhänger. Da bringe ich alles, was ich brauche, locker rein.

Warum wirbt der ADFC auf einer örtlichen Gewerbeschau für ein bundesweites Zertifizierungsprogramm?

Wir wollen das Projekt bekannter machen, sowohl bei den Arbeitnehmern, die die Gewerbeschau besuchen, wie bei den Arbeitgebern. Das Projekt wurde vor acht Jahren in Bremen vom Bundesverband des ADFC entwickelt, und obwohl wir vom Arbeitgeberverband unterstützt werden, fehlt uns der große Durchbruch noch.

Woran liegt das?

Das Thema liegt nicht im Fokus der Arbeitgeber. Die Frage "Wie kommt ein Arbeitnehmer zum Betrieb?" gilt in der Regel als Privatsache. Vielen Betrieben sind die Vorzüge auch noch gar nicht so bewusst. Gerade bei der Mitarbeitergewinnung kann es von Vorteil sein, wenn man mit dem Rad leichter in die Arbeit kommt. Für manche Bewerber kann es ausschlaggebend sein, für welchen Betrieb sie sich entscheiden.

Das Zertifikat könnte also auch gegen den Fachkräftemangel helfen?

Sicher.

Der Ballungsraum München müsste sich ja dann als perfektes Terrain anbieten?

Genau deshalb haben wir vom Landesverband Bayern dieses Projekt aufgegriffen. Der ADFC zeigt den Unternehmen auf, welche Vorteile sie haben, wenn sie ihre Mitarbeiter motivieren, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu kommen.

Welche Vorteile sind das genau?

Zum einen die Gesundheit und die höhere Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter, außerdem sind sie stärker motiviert. Daraus folgen weniger Fehlzeiten, weniger Krankheitstage und Produktionsausfälle. Es ist ein Image-Gewinn für das Unternehmen, wenn die Zertifizierung als radfreundlicher Arbeitgeber bekannt wird. Und es macht sich gut als Teil einer Nachhaltigkeitsstrategie eines Unternehmens. Wenn sie die Aktivitäten in das Mobilitätsmanagement des Betriebs einbinden, kommt das Fahrrad als Verkehrsmittel richtig in den Fokus. Hier gibt es eventuell sogar Einsparmöglichkeiten für die Betriebe.

ADFC

Bei der ADFC-Landesversammlung in Ismaning dreht die bayerische Wirtschaftsministerin eine Runde mit dem Faltrad.

(Foto: www.dr-ewm.de)

Wo könnten sie sparen?

Es ist erwiesen, dass die Mitarbeiter, die Radfahren, seltener fehlen und auch motivierter sind. Das Einsparpotenzial entsteht schon durch weniger Fehltage.

Sagt wer?

Es gibt dazu mehrere Studien. Die wichtigste ist die Untersuchung "Cycling and Health" der Deutschen Sporthochschule: Im Schnitt fehlen radelnde Mitarbeiter einen Tag weniger im Jahr.

Ist es sinnvoll, auch Dienstfahrräder zur Verfügung zu stellen?

Es gibt die Möglichkeit, Dienstfahrräder von der Steuer abzusetzen. In München gehen immer mehr Betriebe dazu über, weil es innerhalb der engen Stadt kaum mehr anders geht. Amazon will meines Wissens jetzt auch mit Dienstfahrrädern ausliefern. Für die Betriebe lohnt sich das auf alle Fälle. Man sollte den Arbeitnehmern allerdings schon so viel Eigeninitiative überlassen, dass sie noch die Wahl treffen können: Will ich mit dem Fahrrad fahren oder brauche ich jetzt unbedingt das Auto?

Was muss ein Arbeitgeber ungefähr investieren, um zum zertifiziert radfreundlichen Arbeitgeber zu werden?

Das hängt stark davon ab, was schon vorhanden ist. Die meisten Unternehmen haben ja schon Infrastrukturen, sprich Fahrradstellplätze. Das Interessante ist ja: Was wollen die Mitarbeiter, damit sie mit dem Rad in die Arbeit fahren können? Das wissen die meisten Unternehmen nicht. Dafür muss erst mal eine Untersuchung gemacht werden. Das ist ein Teil unserer Arbeit.

Und wo ist der Haken?

Unsere Beratungsleistung ist nicht ganz kostenlos. Aber das dürfte einen gut funktionierenden Betrieb nicht davon abhalten, sich für dieses Zertifikat zu bewerben.

MAN hat schon Interesse bekundet

Wie viele Betriebe in Bayern haben das Zertifikat schon?

Fahrrradwege

Peter Reiz vom ADFC will das Fahrradfahren für Arbeitnehmer im Berufsalltag attraktiver machen.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Zahl liegt noch im niedrigen zweistelligen Bereich. Wir haben als Zugpferde den Münchner MVV, den Motorenhersteller EBM-Papst in Landshut, die Maschinenfabrik Reinhausen in Regensburg, der Sportartikelhersteller Ortlieb in Heilbronn, Bionade in Ostheim, Adidas in Herzogenaurach und Roche in Penzberg. Das sind alles Unternehmen, die sich haben beraten lassen und zum Teil auch schon zertifiziert sind. Der Landkreis Augsburg hat sich auch schon beraten lassen.

Im Landkreis Dachau gibt es noch keinen "radfreundlichen Arbeitgeber"?

Nein, deshalb trete ich ja auf der Gewerbeschau in Karlsfeld auf. Ich will unseren Unternehmen die Problemstellung ins Bewusstsein rufen. Ich habe gehört, dass MAN schon Interesse bekundet hat und dass hier auch schon Gespräche stattgefunden haben. Das wäre natürlich eine tolle Sache für unseren Landkreis, der sehr stark autobelastet ist. Viele Leute müssten sich im Sommer dann auch nicht mehr in der heißen S-Bahn zusammendrängen, sondern könnten mit dem Fahrrad kommen. Ich bin sicher, das wäre für viele Mitarbeiter eine Motivation.

Wer als Arbeitnehmer ins Bergkirchner Gewerbegebiet Gada pendeln muss, wird die Strecke aber eher nicht dem Fahrrad bewältigen.

Mit Hilfe von E-Bikes und Pedelecs lässt sich der Umkreis, den die Arbeitnehmer fahren, erweitern auf zehn oder sogar 20 Kilometer. Und wenn sie morgens 20 Kilometer zum Gada fahren, fahren Sie durch eine wirklich schöne Landschaft. Das wirkt geistig erfrischend und aufbauend. Es ist doch viel angenehmer, durch schöne Natur zu radeln als mit dem Auto schnell durchbrausen zu müssen. Ich kann auch Probleme, die ich im Betrieb habe, beim Radeln viel leichter hinter mir lassen.

Das werden Sie jetzt als Mitglied des Bunds Naturschutz nicht gerne hören: Aber man könnte auch schön durch den Grünzug ins künftige Karlsfelder Gewerbegebiet radeln.

Wenn der Grünzug so erhalten bleibt, dass er den Namen Grünzug verdient, gebe ich Ihnen zu hundert Prozent recht.

Aber ohne ein gut ausgebautes Radwegenetz nützt der radfreundlichste Arbeitgeber nichts, oder?

Damit ein Arbeitnehmer bequem mit dem Rad zur Arbeitsstelle kommt, braucht er drei Dinge. Wo er startet, nämlich zu Hause, muss er das Fahrrad verfügbar haben. Der Betrieb muss möglichst radfreundliche Bedingungen schaffen, damit der Mitarbeiter auch gerne dort hinfährt. Sicherlich braucht es ein gutes Radnetz, damit er zu seinem Betrieb kommt. Aber der Landkreis Dachau bemüht sich wirklich, sein Radnetz immer mehr zu komplettieren. Es gäbe sicherlich noch verschiedene Sachen zu verbessern, aber es geht nun mal nicht alles auf einmal. Genauso wenig wie ich innerhalb kürzester Zeit einen perfekt radfreundlichen Arbeitgeber schaffen kann. Aber das muss auch nicht unbedingt sein. Wir müssen uns bewusst sein, dass jedes einzelne Stückchen uns hilft, die Sache zu verbessern und das Gesamtsystem für das Fahrrad zu optimieren - und damit auch für den Arbeitnehmer.

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