Karlsfeld:Probleme mit dem Image

Karlsfeld: Für die einen ist die Neugestaltung der Münchner Straße Ausweis eines neuen urbanen Selbstbewusstseins, für die anderen nur die Fortsetzung früherer Bausünden.

Für die einen ist die Neugestaltung der Münchner Straße Ausweis eines neuen urbanen Selbstbewusstseins, für die anderen nur die Fortsetzung früherer Bausünden.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Auswärtige nehmen Karlsfeld als vierspurige Durchfahrtstraße wahr, Einheimische kritisieren die Ortsentwicklung an der Münchner Straße und in der Neuen Mitte. Jetzt möchte die Gemeinde einen Wandel herbeiführen.

Von Gregor Schiegl, Karlsfeld

Gerne würde die Gemeinde Karlsfeld viele neue Gewerbebetriebe bei sich ansiedeln, um ihre schlechte Finanzlage wenigstens mittelfristig wieder etwas zu verbessern. Stattdessen kämpft Wirtschaftsförderer Peter Freis darum, die Firmen im Ort zu halten. Mangels Erweiterungsmöglichkeit haben bereits einige Betriebe Karlsfeld verlassen. Derzeit gebe es ein oder zwei Firmen, die ebenfalls schon die Absicht geäußert hätten, sich aus Karlsfeld zu verabschieden. "Wir müssen leider mit weiteren Abwanderungen rechnen", sagte Freis in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats. "Selbst mit einer sofortigen Ausweisung eines Gewerbegebiets könnten wir hier nichts mehr ausrichten."

In der Gemeinde gibt es nach dem verlorenen Ratsbegehren von 2010 im Grünzug an der Schleißheimer Straße nun wieder Überlegungen für ein Gewerbegebiet, auch innerorts könnten in einem Mischgebiet nicht-störende Betriebe angesiedelt werden. Die von den Karlsfelder Bürgern in einem Workshop erhobene Forderung, erst einmal die vielen Leerstände in den bestehenden Gewerbegebieten zu füllen, ehe man neue Flächen ausweist, ist offenbar erfüllt: Nach Freis' Angaben waren vor zwei Jahren 92 Prozent der Flächen belegt, von den acht Prozent Leerständen entfielen zwei Prozent auf Büro- und sechs auf Lagerflächen. 2015 ist der Leerstand bei den Büros zwar nur minimal auf 1,9 Prozent zurückgegangen, aber bei den Lagerflächen sind nur mehr 0,4 Prozent frei. "Das Leerstandsmärchen ist damit widerlegt", sagte CSU-Gemeinderat Holger Linde. SPD-Fraktionssprecherin Hiltraud Schmidt-Kroll bedauerte, dass die Gemeinde so viel Zeit verloren habe, ein neues Gewerbegebiet zu entwickeln.

Wohnblocks

Nicht sehr schön anzusehen sind die Wohnblocks an der Münchner Straße. Die Karlsfelder nennen sie "Schlachtschiffe".

(Foto: Niels Jørgensen)

Nachfrage wäre reichlich vorhanden: Im vergangenen Jahr erreichten Freis nach eigenen Angaben etwa 75 Anfragen von Betrieben, die sich gerne in Karlsfeld ansiedeln wollten. Durch die Nähe zu München, die gute Autobahnanbindung, aber auch weiche Standortfaktoren wie naturnahe Erholungsgebiete ist Karlsfeld für viele Unternehmen attraktiv. Am Image der Gemeinde dürfte es dagegen nicht liegen: Peter Freis wagte die These, dass Karlsfeld gar kein Image habe. Auswärtige nähmen von der Gemeinde vor allem die vierspurige Durchgangsstraße wahr.

Bei den Karlsfeldern habe die Gemeinde auch kein Renommee. "Stolz auf unsere Heimatgemeinde sehe ich in Karlsfeld gar nicht", sagte Freis, der selbst alteingesessener Karlsfelder ist. Um Karlsfeld als positiv besetzte Marke zu etablieren, will er verstärkt ins Stadtmarketing einsteigen; er ermunterte die Gemeinderäte, ihn dabei zu unterstützen. SPD-Fraktionssprecherin Hiltraud Schmidt-Kroll regte auch eine Beteiligung der Bürger an.

Karlsfeld: Karlsfeld hat auch schöne Plätze, der Karlsfelder See etwa ist ein beliebter Erholungsort.

Karlsfeld hat auch schöne Plätze, der Karlsfelder See etwa ist ein beliebter Erholungsort.

(Foto: Toni Heigl)

Für Stefan Handl ist die Umgestaltung der Münchner Straße, die maßgeblich von seiner CSU-Fraktion vorangetrieben wird, ein wichtiger Beitrag für ein besseres Image der Gemeinde - gerade weil die Wahrnehmung Karlsfelds so stark von der Münchner Straße geprägt werde. "Wir müssen den Wandel aber auch in den Köpfen herstellen. Die Anzahl der Nörgler und Blockierer ist in unserer Bevölkerung leider recht hoch."

Gedanken zu Karlsfeld

Bei München denken die meisten an Oktoberfest und den FC Bayern, bei Dachau an das ehemalige KZ und einige auch an großartige Musikveranstaltungen, in Indersdorf ist es das Kloster. Und in Karlsfeld? Die SZ Dachau hat auf Facebook eine kleine Umfrage gemacht, die nicht den Anspruch erhebt, repräsentativ zu sein. Die kritischen Stimmen sind in der Mehrzahl, aber es gibt auch positive Ausnahmen. So verbindet eine Dachauerin mit Karlsfeld den TSV, dem sie schon seit 20 Jahren die Treue hält, ein anderer schwärmt von der Technik beim Nutzfahrzeughersteller MAN, auch wenn dessen Sitz streng genommen auf Münchner Stadtgebiet liegt. Vor allem städtebaulich wird die schnell gewachsene Großgemeinde von vielen als wenig attraktiv wahrgenommen: "hässliche Hochhäuser, kein lebendiger Ortskern, schwierige gesellschaftliche Struktur", fasst eine Leserin ihre spontanen Gedanken zu Karlsfeld zusammen.

Aber auch die jüngste Bebauung an der Münchner Straße, mit dem sich die Gemeinde ein attraktiveres, urbanes Erscheinungsbild geben will, kann nicht alle überzeugen. "Auch bei Neubauten bekleckert man sich nicht gerade mit Ruhm, siehe Bunkerbau Karlsfelder Meile." Eine Dachauerin schreibt, was wahrscheinlich als typisch für zigtausend Pendler im Landkreis angesehen werden kann. Sie denkt bei Karlsfeld schlicht an die "Durchfahrtsstraße nach München". Eine Karlsfelderin beschreibt ihren Wohnort als "eine Gemeinde im ehemaligen Dachauer Moos, die umgeben ist von wunderbarer Landschaft. Leider ist sie auch Transitraum." Der Gemeinderat habe es versäumt, diesen Transitraum ansprechend zu gestalten. "Und jetzt schieben SPD und CSU das schlechte Image Nörglern zu, die rechtzeitig auf den richtigen Weg gewiesen haben."gsl

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Wen er damit meinte, war offensichtlich: die Bürgerinitiativen, die immer wieder scharfe Kritik an der Ortsentwicklung genommen hatten, die Gegner der neuen Planungen zur Neuen Mitte, die Kritiker, die 2010 die Pläne für das neue Karlsfelder Gewerbegebiet zu Fall gebracht hatten - und nicht zuletzt die Bündnis-Fraktion, die sich stets auf die Seite der kritischen Bürger gestellt hat.

Deren Fraktionssprecherin Mechthild Hofner spielte den Ball zurück. "Wir wollen stolz sein auf unser Karlsfeld", sagte sie. "Das ja auch der Grund, warum in den vergangenen Jahren so hart gerungen wurde." Die Umgestaltung der Münchner Straße und die Neue Mitte sind in ihren Augen eben nicht ganz so gelungen.

Derweil hat der Wirtschaftsförderer bereits eine Vielzahl von Plänen für das kommende Jahr: So soll im April 2016 eine Karlsfelder Gewerbeschau gleichzeitig mit der "Nacht der Berufe" an der Mittelschule stattfinden. Freis will dabei auch die örtlichen Vereine einbinden, damit sie sich dort dem Publikum präsentieren können. "Es soll ein Event für alle Karlsfelder werden." Außerdem sollen die Infopoints fertiggestellt und mit bedruckten Folien beklebt werden. Bislang sind davon nur einige weiße Tafeln im Gemeindegebiet zu sehen.

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