Normalerweise sind Kirche und Marktplatz das Herz einer Gemeinde, in Karlsfeld ist das anders. Dort gibt es nur eine Hauptschlagader - die Münchner Straße. Wenig pittoresk, für Fußgänger und Radfahrer brandgefährlich, für Anwohner eine permanente Lärm- und Feinstaubquelle und für die Gemeinde ein Problem. Während andere Kommunen munter planen, modernisieren und verbessern, kann Karlsfeld an dieser Hauptschlagader, die den Ort durchschneidet, nur zuschauen. Ihr fehlt die Planungshoheit. Diese hat das Staatliche Straßenverkehrsamt Freising. "Für die Ortschaft haben sie keine Antenne", sagt Verkehrsreferent Bernd Wanka (CSU).
Wanka hat schon mehrmals versucht, mit der Behörde um Verbesserungen für Anwohner, Fußgänger, Radler oder Busse zu ringen. Oft ohne Erfolg. "Das Straßenbauamt ist ein knallharter Verhandlungspartner", sagt er. Doch er gibt nicht auf. Und das aus gutem Grund: Auf dieser Route gehören alle Kreuzungen zur Top Ten der unfallträchtigsten Knotenpunkte im Landkreis.
"Es ist ein harter Kampf"
Viele Karlsfelder fühlen sich nicht sicher, wenn sie die Münchner Straße überqueren müssen - vor allem die älteren nicht. Doch wer die Geschäfte, das Bürgerhaus oder ein Restaurant erreichen will, muss diesen Schritt wagen. Der Seniorenbeirat hat erst kürzlich angemahnt, dass die Grünphasen für Fußgänger deutlich zu kurz sind. "Ich sehe oft ältere Leute mit Gehwagerl in der Mitte stehen zwischen vorbeidonnernden Lastern", bestätigte Beate Full (SPD) in der jüngsten Sitzung des Umweltausschusses. "Es ist unsere Aufgabe darauf hinzuwirken, dass die Bürger nicht über die Straße getrieben werden wie Hasen, sondern komfortabel rübergehen können." Wanka berichtete, dass derartige Diskussionen mit der Behörde extrem schwierig seien. Im Straßenbauamt gebe es derzeit sogar gegenteilige Überlegungen: Es wolle einen Fußgängerüberweg am liebsten abschaffen, weil einer Erhebungen zufolge zu wenig Leute da hinüberlaufen. Bei den Gemeinderäten löste dies ungläubiges Staunen aus. Hinsichtlich der Grünphasen werde um jede Sekunde gefeilscht, erzählte Wanka. An der Kreuzung zur Hochstraße habe die Gemeinde drei Sekunden herausgeholt. Damals hieß es bereits: Mehr ginge nicht. "Es ist ein harter Kampf."
Auch der Wunsch der Gemeinde, die Kreuzung an der Hochstraße für Fußgänger und Radler endlich sicherer zu machen, steht unter einem schlechten Stern. Vor einem Jahr hatte der Gemeinderat schon einmal überlegt, wie man das anstellen könne. Immerhin gab es dort schon mehrere Verletzte, auch einen schwer Verletzten. Doch den Vorschlag der Gemeinde, eine intelligente Ampel einzubauen, die per Infrarotkamera erkennen kann, wie viele Personen auf eine Grünphase warten und bei Bedarf umschaltet, wurde nicht aufgegriffen. Das gehe nicht so einfach, schon wegen der Statik der Ampelmasten, erklärt Patrik Reiner vom Straßenbauamt. Und so stehen Fußgänger und Radfahrer noch immer täglich dicht gedrängt auf den winzigen Verkehrsinseln. Nicht selten ragt ein Kinderanhänger auf die Straße, weil er nicht mehr auf die Insel passt. Radreferent Franz Trinkl (SPD) stellte deshalb den Antrag, die Kreuzung neu zu überplanen. "Dafür brauchen wir knackig Fläche", bemerkte Wanka jetzt im Umweltausschuss, wo darüber diskutiert wurde. "Wenn man das richtig lösen will, geht das richtig ins Geld." Das Problem sei der Grunderwerb, bemerkte Verkehrsexperte Günther Rustler. Die nötige Fläche gehört einer Eigentümergemeinschaft von 100 Personen.
Bernd Wanka, der bereits seit fünf Jahren mit dem Straßenbauamt nur wegen dieser Kreuzung verhandelt, prophezeit jedoch: Solange nicht geklärt sei, ob dort eine Busschleuse eingerichtet oder die Bögelbahn gebaut wird, werde das Straßenbauamt abwarten. Die Unfallkommission des Landkreises hat sich laut Rustler jedoch eingeschaltet. Ein Verkehrsgutachten soll nun erstellt werden. Dieses wird aber nicht nur die eine Kreuzung unter die Lupe nehmen, sondern die zwei folgenden auch, so der Sprecher des Straßenbauamts, Thomas Jakob. 24 Stunden lang müssten dazu die Verkehrsströme beobachtet werden und zwar an einem typischen Tag. Das Ergebnis werde im Frühjahr vorliegen, so die Behörde. Dann könnten die Vorplanungen beginnen.
"Wir berücksichtigen auch Fußgänger und Radler"
Sorgen macht sich Radreferent Trinkl aber dennoch. Nicht nur weil die Änderungen auf sich warten lassen könnten, sein Ziel ist es, Karlsfeld zur fahrradfreundlichen Kommune zu machen. Das setzt sichere und gut vernetzte Verbindungen für Radler voraus. Die rote Fläche am Bürgerhaus war zwar ein erster Schritt dorthin. Nun stehen die Radler zwar sicherer, doch wenn sie links abbiegen wollen, fehlt die Möglichkeit auf den Radweg zu kommen. "Das interessiert die gar nicht", sagte Verkehrsreferent Wanka, der mit dem Straßenbauamt verhandelt hatte. Der SZ gegenüber versicherte Reiner jetzt: "Wenn der Bereich uns gehört, wird das geändert. Da waren wir beim Ortstermin vielleicht blind." Für künftige Verhandlungen hofft die Gemeinde mit dem Radverkehrskonzept gute Argumente geliefert zu bekommen, an denen das Straßenbauamt nicht vorbei kann. Dort versichert man jedenfalls jetzt schon, dass man keineswegs nur den Autoverkehr im Fokus habe. "Vor fünf oder sechs Jahren stimmte der Vorwurf noch, aber jetzt berücksichtigen wir auch Fußgänger und Radler ", versichert Jakob.
Erst vor kurzem hat das Straßenbauamt - sehr zum Verdruss der Karlsfelder - die Kreuzung an der Bajuwarenstraße verändert. Jetzt gibt es dort nur noch eine Spur für Linksabbieger. Seither staut sich der Verkehr oft bis zum Feuerwehrhaus und noch weiter. Viele Beschwerden erreichte inzwischen auch das Straßenbauamt, doch Sachgebietsleiter Reiner sagt dazu nur: "Das bleibt so." Dort habe es sehr viele Unfälle gegeben. 2023 soll die Kreuzung barrierefrei umgebaut werden, berichtete Wanka in der Bürgerversammlung. Der SZ wollte Reiner das nicht bestätigen. "Vorher muss ein ausgeklügeltes Umleitungssystem geschaffen werden", erklärte er. Aber wenn die Strecke als Ausweichroute für den A99-Tunnel gebraucht werde, "machen wir da erst Mal gar nichts".