Süddeutsche Zeitung

Energieprojekt in Karlsfeld:MTU investiert massiv in Erdwärme

Auf einem großen Gebiet, zu dem neben Karlsfeld Teile von Bergkirchen gehören, will der Triebwerkshersteller heiße Wasservorkommen anzapfen. Bei Erfolg ließen sich dadurch Tausende Tonnen CO₂ im Jahr einsparen

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

Der Triebwerkshersteller MTU Aero Engines will mehr Kohlendioxid einsparen. Das Münchner Unternehmen plant dafür große Investitionen im Bereich der Geothermie. Um künftig nicht mehr mit Erdgas heizen zu müssen, will es vor allem im Gemeindebereich Karlsfeld nach Erdwärme bohren. Insgesamt ist der Claim 65,7 Quadratkilometer groß, neben Karlsfeld sind auch Teile von Bergkirchen und Oberschleißheim sowie der Münchner Norden von dem Vorhaben betroffen. Einen entsprechenden Antrag hat MTU bereits bei der Regierung von Oberbayern gestellt.

Sollte der Triebwerkshersteller die Erlaubnis für Bohrungen erhalten, wird zunächst eine Studie angefertigt, die sich mit der Beschaffenheit des Bodens beschäftigt. Darin soll auch errechnet werden, wo man am besten Probebohrungen machen kann, um die nötige Energie zu bekommen. Bekannt ist, dass 2000 bis 3000 Meter unter München und Umgebung viele Erdwärmevorkommen existieren, erklärt MTU-Pressesprecher Markus Wölfle. So musste für das Heizkraftwerk Süd in Thalkirchen etwa 2,8 Kilometer tief gebohrt werden. Ob die Temperaturen in diesen Schichten unter Karlsfeld ausreichen, wird man sehen müssen. Jedenfalls darf nicht zu viel Energie in den Rohren verloren gehen, sonst kommt nicht genügend Wärme in den Produktionshallen und Büros an.

Sollte das Vorhaben gelingen, könnte das Unternehmen jedes Jahr etwa 8000 Tonnen Kohlendioxid allein beim Heizen einsparen, so Wölfle. Doch bis dahin sei noch ein weiter Weg.

Mit den ersten Bohrungen werde man, falls es eine Genehmigung gibt, frühestens in drei oder vier Jahren beginnen, erklärt er. Sie finden voraussichtlich auf dem Firmengelände statt und verlaufen erst in tieferen Schichten auch zu den Seiten. Sollte man Erfolg haben, müsste ein Gebäude errichtet werden, in das die Energie eingespeist werden kann. Alles in allem rechnet MTU damit, dass frühestens 2025 Schluss mit fossilem Heizen sein werde.

Der Karlsfelder Gemeinderat nahm die Nachricht interessiert auf. Sollte MTU die Tiefenwärme tatsächlich anzapfen, wünschen sich die Kommunalpolitiker eine Kooperation mit dem Unternehmen. Die Gemeinde hatte das Thema Geothermie schon vor vielen Jahren aufgegeben und lieber ein Heizkraftwerk errichtet. Das Risiko, dass bei den Probebohrungen nicht die nötige Temperatur zutage gefördert wird, war den Verantwortlichen zu groß. Denn Probebohrungen kosten Millionen. Umso wachsamer verfolgen die Karlsfelder jetzt die Ergebnisse von MTU. Darauf angesprochen, sagt Unternehmenssprecher Markus Wölfle nur: "Noch ist es zu früh, um Kooperationen zu machen." Aber man sei grundsätzlich offen für Gespräche.

Karlsfelds Traum von der Geothermie

Zunächst waren die Hoffnungen groß, die Begeisterung für die Geothermie ebenfalls: Der Terawat-Geschäftsführer Johannes Ruhland erklärte im Mai 2000 den Karlsfelder Gemeinderäten, dass 2200 Meter unter ihnen 80 bis 85 Grad warmes Wasser fließe. Es sei lediglich eine tiefe Bohrung nötig. Die Wärmepumpen würden in ein Häuschen, so groß wie eine Doppelgarage, passen. "Es ist reizvoll und sinnvoll ist es allemal", erklärte der damalige Bürgermeister Fritz Nustede (SPD). Parteifreund Günter Meikis sagte sogar: "Es wäre ein Frevel für größere Wohnanlagen, noch einen Liter Öl zu verbrennen."

Die Gemeinde beschloss 2001, sich die Bohrrechte zu sichern, um in Zukunft heißes Wasser als Energiequelle anzapfen zu können. Man wollte vor allem das entstehende Neubaugebiet westlich der Bahn, speziell das ehemalige Bayernwerksgelände, an die heißen Quellen anschließen. Terawat sollte die Konzession für 20 Quadratkilometer beim Oberbergamt beantragen. Die Stimmung war euphorisch. Manch einer träumte schon von einem Freibad, vielleicht sogar von einer Badelandschaft wie in Erding. "Die Nutzung dieser nach menschlichen Maßstäben unerschöpflichen Energiequelle ist absolut umweltfreundlich und ihr Preis ist nicht internationalen Ereignissen unterworfen", jubilierte Bürgermeister Nustede angesichts der stetig steigenden Ölpreise.

Es dauerte jedoch bis zum Jahr 2006, bis man endlich den Claim beantragte - derweil hatte bereits ein Garchinger Unternehmen einen Antrag gestellt. Noch während man eine Kooperation andachte, kam die Nachricht, dass Karlsfeld ein Förderfeld westlich der Bahn zur Gewinnung von thermischer Energie erschließen dürfe. Doch die Ernüchterung kam schnell. "Es fehlte einfach an der Kohle", fasst Nustede heute zusammen. Terawat hatte den Karlsfeldern das Projekt schmackhaft gemacht, indem es davon sprach, dass die Anlage nach 20 bis 30 Jahren abbezahlt sei und weit länger als 50 Jahre halte. Karlsfeld stieg groß in das Geschäft mit der Wärme ein, man entschied, das Bio-Heizkraftwerk zu bauen und Leitungen zu verlegen. "Das war unheimlich teuer und sehr aufwendig, denn sie mussten ins Grundwasser gelegt werden", erinnert sich Nustede. Die Probebohrungen hätten Millionen verschlungen, zudem habe man nicht gewusst, auf was man in der Tiefe trifft. Die Versicherungen zierten sich schon damals und so entschied der Gemeinderat 2008, das Geothermie-Projekt aufzugeben. cb

Die drastische Reduzierung von Kohlendioxid ist dem Triebwerkshersteller schon länger ein Anliegen. MTU gehört zu den 15 Großunternehmen, die sich dem Klimapakt der Münchner Wirtschaft angeschlossen haben. 2016 und 2017 verpflichtete sich die Firma, 5500 Tonnen Kohlenstoffdioxid einzusparen. Durch einige Optimierungen, die verhinderten, dass unnötig Strom verbraucht oder unnötig geheizt wird, ließ sich die CO₂-Bilanz schon verbessern. Hauptprojekt war jedoch, das betriebseigene Blockheizkraftwerk auf Biomethan umzustellen; so schaffte es MTU, den Kohlendioxidausstoß um jährlich 7500 Tonnen zu verringern.

Auch bei der zweiten Auflage des Klimapakts ist der Triebwerkshersteller wieder mit dabei. Zusammen mit BMW, MAN, Knorr Bremse, Siemens und einigen anderen Unternehmen will man dem Ziel, München bis 2050 klimaneutral zu machen, näher kommen. Bis 2021 plant MTU, weitere 5000 Tonnen Kohlenstoffdioxid einzusparen. "Wir sind ein energieintensives Unternehmen", sagt Wölfle. Deshalb könne der Betrieb an der Grenze zu Karlsfeld mehr reduzieren als andere. Hauptprojekt ist dieses Mal eine Solaranlage auf den Dächern von Produktions- und Bürogebäuden. Auf diese Weise soll die Stromnutzung umweltfreundlich gestaltet werden. "Durch Dämmung der Gebäude und weitere Optimierungen im Verbrauch ist Kohlendioxid nicht mehr signifikant reduzierbar", sagt Wölfle.

Der nächste große Schritt nach dem Solarprojekt ist nun das Geothermie-Vorhaben, das MTU derzeit auf den Weg zu bringen versucht. "Es ist ein langwieriges Thema, aber es ist wichtig, wenn wir massiv Kohlendioxid reduzieren wollen", erklärt MTU-Sprecher Wölfle.

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Quelle:
SZ vom 10.07.2020
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