Süddeutsche Zeitung

Entlastungsstraße:Angst vor dem Verkehrskollaps

Der Münchner Bezirksausschuss fordert eine Machbarkeitsstudie für eine Entlastungsstraße zwischen dem S-Bahnhof Karlsfeld und der Ludwigsfelder Straße

Von Anita Naujokat, Allach/Untermenzing

Über eine mögliche Verbindungsstraße zwischen dem S-Bahnhof Karlsfeld und der Ludwigsfelder Straße kommen Grüne und CSU auf keinen gemeinsamen Nenner. Unter dem Titel "Hirmerei - Unseren Stadtteil vor dem endgültigen Verkehrskollaps schützen" haben die Christsozialen im Bezirksausschuss (BA) eine Machbarkeitsstudie von der Stadt für eine solche Entlastungsstraße beantragt.

Sie soll samt Radweg zwischen dem geplanten Neubaugebiet "Hirmerei" und der Bahntrasse verlaufen, in die Pasteurstraße münden, von wo aus der Verkehr über die noch nicht fertiggestellte Route durch das Junkersgelände zur Ludwigsfelder Straße gelangt. Die Straßen zwischen dem S-Bahnhof Karlsfeld und der Ludwigsfelder Straßen seien schon jetzt "katastrophal überlastet", begründet die CSU ihr Ansinnen. Dies gelte insbesondere für die Eversbuschstraße. Das bestehende Neubaugebiet "Prinzenpark" in der Nachbarkommune Karlsfeld und die "Hirmerei" in Allach bedeuteten "den endgültigen Verkehrskollaps" für den nördlichen Stadtteil.

Für das Baugebiet "Hirmerei" plant die Hirmer-Gruppe 233 Wohnungen auf dem Acker im Dreieck zwischen der nördlichen Eversbuschstraße, der Otto-Warburg-Straße und der Bahnlinie. Nach einer Entscheidung des Stadtrats hält der Investor wie seinerzeit vom Bezirksausschuss gewünscht auf seinem Bauland entlang der Bahntrasse eigens einen 20 Meter breiten Streifen in einer Länge von 250 Metern für eine eventuelle Nord-Süd-Straßenverbindung frei. Doch hat der Stadtrat noch keine Straße beschlossen. Um über das Wohnkarree mit Bürgern in den Dialog zu treten und laufend aktuell zu informieren hat das Unternehmen seit Neuestem eigens die Webseite www.hirmerei.de dazu eingerichtet.

Für die Grünen ist der CSU-Antrag auf Machbarkeit nichts als ein "Schaufensterantrag", der so überflüssig wie nur irgendetwas sei, kritisierte deren Sprecher Falk Lamkewitz, Vorsitzender des Unterausschusses Umwelt und Verkehr. Die Stadt habe schon früher festgestellt, dass eine solche Straße technisch nicht machbar sei. Abgesehen von Grundstücksfragen müssten Gleise, Bahngelände und die Otto-Warburg-Straße gequert werden und sie würde durch wertvolle Biotope führen. "Der Antrag ist einfach absurd, wir machen uns nur lächerlich". Vielmehr müsste bei Wohnungsneubauten frühzeitig eine Verkehrsplanung erfolgen, die alle Verkehrsteilnehmer berücksichtigt. So fordere man seit 2017 vergeblich von der Stadt, ein Nahverkehrsmobilitätskonzept für den knappen Verkehrsraum im Stadtbezirk zu entwickeln. Julia Zimprich (Grüne) sprach von einer "naturschutzfachlichen Katastrophe". "Wir wollen einen zeitnahen Ausgleich für den Ausbau der A 99 und stellen zugleich einen Antrag, Biotope zu zerstören und das noch als Folge einer Verdichtung", empörte sie sich. Pascal Fuckerieder (SPD), Vorsitzender des Gremiums, wies darauf hin, dass ja zunächst nur eine Machbarkeitsuntersuchung gefordert sei und nicht schon eine Umsetzung. Zudem gehe es nicht allein um die Hirmerei, sondern darum, den gesamten Verkehr aus dem Norden abzuleiten. "Damit holen wir uns den ganzen Verkehr in den Stadtbezirk", protestierte Lamkewitz. Florian Wimmer (CSU) rechtfertigte die Straße damit, dass sie nicht nur eine Entlastung für die Anwohner bedeuten würde, die schon jetzt nicht mehr aus ihren Grundstücken herauskämen, weil die Autos Stoßstange an Stoßstange stünden, sondern für das gesamte Gebiet. "Wir können es doch grundsätzlich untersuchen lassen, und wenn es nicht machbar ist, dann haben wir es zumindest versucht." Auch fehlt vor allem den Anwohnern und Familien mit Kindern ein sicherer Radweg. So wie dem Anwohner Lukas Hainer, zugleich Sprecher der Bürgerinitiative "Gemeinsames Konzept für Allach und Karlsfeld", die sich als eingetragener Verein für vernünftige Lösungen bei Verkehr und Infrastruktur zwischen beiden Kommunen an der nördlichen Stadtgrenze einsetzt. Auch die BI hat eine eigene Webseite für ihr Anliegen, abrufbar unter www.gkak.de.

Man könne doch unabhängig von dieser Straßenführung von der Stadt Konzepte einfordern, wie die Verkehrssituation dort gelöst werden könnte, schlug Isabella Wach von der ÖDP vor. Es brauche eine Entlastung vom S-Bahnhof Karlsfeld bis zur Ludwigsfelder Straße, bekräftigte Stefanie Martin (CSU). "Auf dieser Trasse oder einer anderen." Damit war auch schon ein Kompromiss gefunden, dem sich die Mehrheit des Gremiums, ohne die Grünen, anschloss: Die CSU erklärte sich einverstanden, ihren Antrag dahingehend zu ändern, die Strecke entlang der Bahntrasse zwar als eine mögliche vorzugeben, aber auch für andere Varianten und Vorschläge der Stadt offen zu sein.

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SZ vom 08.03.2021
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