Süddeutsche Zeitung

Planung auf dem Ludl-Gelände:Für die Karlsfelder bleiben viele Fragen offen

Mehr als 120 Bürgerinnen und Bürger kommen zur Präsentation des neuen Entwurfs für das 40 000 Quadratmeter große Ludl-Areal. Eine halbe Stunde lang werden sie gehört - doch wird rasch deutlich, dass die Planung vor allem wegen der Verkehrsbelastung Skepsis hervorruft

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

Grell erleuchtet steht es da: das Modell des Ludl-Areals. Es hat sich stark verändert. Der elipsenförmige Turm, der im Oktober bei der ersten Bürgerveranstaltung viele begeisterte, ist verschwunden, der Platz geschrumpft, die Blöcke rechts und links in die Höhe gewachsen. Auch in der Mitte des Geländes wirkt alles viel massiver, wuchtiger. Kurz gesagt: Die Leichtigkeit, die den Charme des ersten Entwurfs ausmachte, ist weg. Schon vor Beginn der Informationsveranstaltung am Montag beugen sich die Karlsfelder mit ernster Miene über das Modell. Man orientiert sich, diskutiert. Ein Gemurmel. Da ruft eine Frau aus der zweiten Reihe: "Und was hat Karlsfeld davon - außer Gewerbe?" Die Frage verhallt. Keiner antwortet.

Mehr als 120 Bürger sind gekommen, um den Fortgang des Planungsprozesses auf dem etwa 40 000 Quadratmeter großen Gelände an der Münchner Straße zu verfolgen. Und natürlich um vielleicht doch noch Einfluss zu nehmen. Denn dies ist der Abend, an dem die Karlsfelder noch einmal das Wort haben - allerdings nur eine halbe Stunde lang. Es wird schnell deutlich, was den Bürgern am meisten auf den Nägeln brennt: das Thema Verkehr. Verkehrsplanerin Yessica Schmidt hat im März noch einmal eine Zählung an der Münchner- und Nibelungenstraße gemacht - als Datengrundlage.

Danach sind schon jetzt 34 000 Kraftfahrzeuge pro Tag auf dem nördlichen Teil der Hauptverkehrsader (Gartenstraße Richtung Dachau) unterwegs. Auf dem südlichen Teil Richtung München sind es sogar 34 700. "Der Verkehr dort ist jetzt schon an der Kapazitätsgrenze", sagt Schmidt. "Die Wartezeiten sind spürbar." Durch die neue Nutzung auf dem seit langem brach liegenden Ludl-Gelände würden etwa 3300 Fahrten täglich hinzukommen, hat sie ausgerechnet. Außerdem verlagert sich der Kundenverkehr von Lidl und Fristo auf das neue Baugebiet, da die beiden Märkte umziehen wollen, so dass mit insgesamt 5900 Fahrten pro Tag zu dem Areal oder davon weg zu rechnen ist. Ein Teil davon soll über die Nibelungenstraße abgewickelt werden, damit "der Verkehr entzerrt" wird, so Schmidt. Auf dem alten Lidl-Areal werden indes künftig nur noch 200 Fahrten erwartet. Manch ein Zuhörer ist entsetzt, besonders über die Prognose, dass bis 2035 der Verkehr auf der Münchner Straße auf 38 000 Fahrten pro Tag ansteigen wird.

Angesichts dessen legt Städteplaner Dietmar Sander, der den Bebauungsplan für die Gemeinde erarbeitet, großen Wert auf die Stärkung von öffentlichem Nahverkehr und bessere Verbindungen für Fußgänger und Radler. So soll das Gelände zwei parallele Routen zur Münchner Straße bekommen, die für Fußgänger und Radler attraktiv sind, und die weiter Richtung Mc Donalds führen. Ein Karlsfelder regte eine "autofreie Zone" auf dem neuen Gelände an. "Dort werden über 200 Wohnungen entstehen. Die Menschen müssen irgendwo parken können", gab Bürgermeister Stefan Kolbe zu bedenken. Schon deshalb sei dies nicht machbar.

Große Bedenken äußerte ein Karlsfelder auch hinsichtlich der verkehrsberuhigten Kreuzung Nibelungen-/Gartenstraße. Architekt Klaus Kehrbaum will dort keine Gehwege machen, sondern einen ebenerdigen Bereich für Autos, Fußgänger und Radfahrer. Jeder darf nur Schrittgeschwindigkeit fahren und ist gleichberechtigt. "Das funktioniert doch nicht", prophezeit der Mann. Doch Kehrbaum verwies auf andere Städte, in denen das gut klappe. Die Einrichtung einer so genannten "Spielstraße" soll den Schleichverkehr fernhalten.

Auch die Ludl-Kapelle ist den Karlsfeldern sehr wichtig: "Mit den hohen Bauten wird die Kapelle erdrückt", monieren Bürger. Kehrbaum weist das zurück: Um das Kleinod gut zur Geltung zu bringen, habe er den Bauraum V-förmig nach hinten verschoben, so dass es weithin sichtbar wird. "Wir müssen noch überlegen, wie wir die Freifläche gestalten", sagt er. Außerdem soll hinter der Kapelle eine Grünachse entstehen, ein Fußweg mit Bäumen, so die Vorstellung des Planers. Problematisch sei nur, dass die Kapelle unterhalb der Münchner Straße liegt - quasi im Keller. "Die Kapelle soll restauriert und öffentlich zugänglich gemacht werden", erklärt er. "Noch ist das vertraglich nicht fixiert, aber wir sind im Gespräch." Das war ein Wunsch vieler Bürger bei der Veranstaltung im Herbst. Die Kapelle ist im Privatbesitz der Familie.

Das Bauernhaus wird abgerissen, das Sommerhaus soll jedoch erhalten werden, nicht an der Stelle, sondern auf dem Gelände. Allerdings nicht in seiner jetzigen Form. Kehrbaum hat etwa die Idee, den Sockel in Form einer Natursteinfassade wiederzuverwenden oder einen 3D-Scan von dem Haus auf eine Glasplatte zu drucken und es aufzustellen, als "Interpretation" des Häuschens. "Über Konzepte und Gestaltung wird noch diskutiert", sagt er. Meist im Zusammenhang mit der Gastronomie, die auf dem südlichen Platz angedacht ist. Auch ein Brunnen ist im Gespräch.

Der elipsenförmige Turm ist laut Kehrbaum noch nicht ganz vom Tisch. Über die so genannte städtebauliche Dominante werde noch diskutiert. Die Querung über die Münchner Straße soll mit Hilfe von impulsgesteuerten Ampeln möglich sein. "Die Fußgänger haben Vorrang, wenn wenig Verkehr ist, sonst müssen sie warten", so Kehrbaum. 30 Prozent der Wohnfläche soll geförderter Wohnungsbau werden. Auch sonst ist die Sache schon recht konkret: Drei Kitabetreiber haben bereits Interesse gezeigt, ebenso zwei Hotelbetreiber. Die Medizintechnikfirma will künftig 100 bis 120 Arbeitsplätze in Karlsfeld anbieten. Zudem lockt sie einige Startups und andere Betriebe auf das Gelände, mit denen sie kooperieren will, so der Architekt.

Auch in Sachen Hochwasser habe man sich bereits Gedanken gemacht. Ein Spezialbüro sei beauftragt, erklärt Kehrbaum. Es wird sich mit dem Thema Tiefgarage auseinandersetzen.

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Quelle:
SZ vom 02.05.2019
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