Karlsfelder helfen gemeinsam krankem Kind:Team Isabella

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Isabella ist durch die zahlreichen Reportagen schon so etwas wie eine kleine Berühmtheit geworden. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Fünfjährige leidet an einer gefährlichen Lungenkrankheit. Die Eltern sind am Rande ihrer Kräfte. Jetzt hilft die ganze Nachbarschaft der Familie.

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

Elke Dietl ist noch immer aufgewühlt. "Keiner hilft bei uns in Karlsfeld. Das kann doch nicht sein", sagt die 57-Jährige. In der Zeitung hatte sie vom Schicksal der kleinen Isabella gelesen, ein fünfjähriges Mädchen, das schwer lungenkrank ist und ohne zusätzlichen Sauerstoff nicht atmen kann. Ihre Eltern sind immer in Sorge. Tag und Nacht beobachten sie die Tochter, eilen schnell zu Hilfe, wenn der Schlauch zum Beatmungsgerät, der in Isabellas Hals steckt, mal herausrutscht oder abknickt, was leicht passiert. Nur zehn Sekunden ohne Sauerstoff und kurz darauf drohen schon ernste Gehirnschäden bei Isabella. Eigentlich stehen der Familie Pfleger zu, doch sie finden keine - seit Jahren schon nicht. Notgedrungen haben die Eltern die Pflege ihrer Tochter selbst übernommen, doch die Krankenkasse honoriert das nicht. Und so ist der Familie inzwischen das Geld ausgegangen, die Kraft aber auch. "Irgendwann ist man ausgepowert", gibt der Vater zu. "Wir haben zwei Schichten Pflege, kein Familienleben. Aber wir können nicht aufhören."

Im Januar war die Verzweiflung der Eltern so groß, dass Fritz P. sich trotz Corona-Krise vor diverse Kliniken in München und im Landkreis Dachau stellte, um Pfleger abzuwerben. Doch ohne Erfolg. Selbst Reporter und Fernsehteams empfing er in seinem Wohnzimmer, zeigte ihnen Isabella, wie sie auf dem Sofa spielte, erzählte von seinem einsamen und verzweifelten Kampf mit der Krankenkasse, die nicht zahlt. Doch obwohl Isabella durch die vielen Reportagen inzwischen schon zu so etwas wie einer kleinen Berühmtheit geworden ist, hat es die Situation nicht verbessert. Die Eltern suchen nach wie vor händeringend nach Pflegern. Die Krankenkasse hat laut Fritz P. eher einen Schritt zurück gemacht als auf die Eltern zu. Bisher war sie bereit, pro Jahr 300 000 Euro für ausgebildete Intensivpfleger zu zahlen, jetzt akzeptiert sie nur noch einen Pflegedienst mit Rundum-Versorgung. "Es gibt einfach keine Perspektive für uns", klagt der Vater. Denn die Pflegedienste, die sie bisher angerufen haben, hätten immer sofort abgewunken.

"Ich bin keine Pflegekraft und mein Erste-Hilfe-Kurs reicht nicht, um die Eltern zu entlasten", sagt Elke Dietl. Ihr Metier sind eher Autos und Reparaturen, Zahlen und Buchhaltung. "Aber als Nachbar helfen, das kann ich", sagt die Karlsfelderin. Und so zögerte sie nicht, schrieb die Familie an und kam mit Mutter Kristina P. ins Gespräch, die neben der Sorge um ihre Tochter sehr unter dem finanziellen Druck leidet, der seit einiger Zeit auf ihr lastet. Jahrelang hatte Familie P. von den Ersparnissen gelebt, die Fritz P. als Softwareentwickler für Medizinfirmen verdient hatte, doch seit sich das Paar Tag und Nacht um Isabella kümmert, kann keiner mehr arbeiten gehen. Alles liegt brach. Auch die beiden Autos vor der Tür. Das erwähnte die Mutter wohl gegenüber Dietl. Diese kam gleich vorbei, nahm die Autos mit und ließ sie in ihrer Werkstatt von Mann Konrad und den Meistern reparieren. Da war einiges zu machen, sagt die Inhaberin von Autohaus Osterholzer. Als sie die Autos zurückbrachte, fiel ihr Kristina P. vor Freude und Dankbarkeit um den Hals. "Das hat uns alle so sehr gefreut", sagt Dietl.

Ihre Ärmel sind hochgekrempelt - auch jetzt. Sie ist voller Tatendrang. "Uns geht es so gut, da wollen wir etwas zurückgeben", sagte die Karlsfelderin. Und als sie von Kristina P. hörte, dass Isabella ein Spielzimmer bräuchte, weil sie praktisch nur auf dem Sofa im Wohnzimmer lebt, war sie sofort bereit mit anzupacken, alles in die Wege zu leiten. Sie sprach mit drei benachbarten Ehepaaren, die auch Freunde sind. Christian Lehmann, einer von ihnen begutachtete sofort den Raum und fiel aus allen Wolken. Fritz P. hatte vor einem Jahr schon einmal angefangen mit dem Projekt, hatte wild die Decke und eine Wand eingeschlagen, um Fenster und gläserne Türen einzubauen, damit man Isabella später gut beobachten kann. Doch dann wurde das Geld knapp, Zeit und Kraft fehlten, und so ist ein großer Schutthaufen in der Mitte des Raums und allerhand Krempel übrig geblieben. "Ich war schockiert", sagt Lehmann. Er ist gelernter Maurer und Bauunternehmer. Doch er ließ sich nicht abschrecken, engagierte erst einen Statiker, der den Raum begutachtete. Dann begann er zu rechnen: Dachfenster, Türen, Dämmung, Fußbodenheizung, Elektrik und noch einiges mehr würden nötig sein. 30 000 Euro könnte das schon kosten, wenn man alles beauftragt, erklärt er. Vier Handwerker wären, wenn sie von früh bis spät arbeiteten, sicher sechs Wochen lang beschäftigt, schätzt er. Aber so wird es sicher nicht laufen. Die Auftragsbücher der Branche sind voll. Das Spielzimmer für Isabella wird also nach Feierabend und an den Wochenenden ausgebaut werden müssen, dann wenn die Handwerker, die sich an dem Projekt beteiligen wollen, etwas Zeit erübrigen können. Pandemiebedingt kann auch nur ein Gewerk nach dem anderen arbeiten.

Dieser Schutthaufen soll bald vergessen sein. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Elke Dietl hat sich um ein Spendenkonto gekümmert. Gut 3000 Euro sind schon eingegangen. Die vier Paare aus dem Viertel sprechen alle Bekannten, Freunde, Verwandten, Großhändler, Kunden und Whatsapp-Bekanntschaften an. Eine Art Schneeballsystem, das möglichst viele Helfer akquirieren soll. Franjo und Alex Risonjič haben die kroatische Kulturgemeinschaft für das Projekt gewinnen können. Lehmann und Werbefachmann Michael Gold konnten einige Firmen aus Karlsfeld, Dachau und München von ihren Plänen überzeugen. Bereitwillig haben sie ihre Hilfe zugesagt und spenden darüberhinaus auch Material. Lehmann koordiniert das Vorhaben, damit am Ende nicht fünf Fliesenleger da sind und keiner sich ums Licht kümmert. Etwa ein Jahr, schätzt er, wird es dauern, bis der Raum fertig ist und ans Wohnzimmer der Familie angeschlossen werden kann. Dazu muss ein Durchbruch gemacht werden. Keine einfache Aufgabe.

Nach Ostern soll der Bau beginnen. "Dann wird erst einmal der Schutt ausgeräumt", erklärt Lehmann. Gebraucht wird das Spielzimmer erst, wenn es kälter wird. Isabella darf im Winter nicht hinaus, denn bei Temperaturen um die null Grad kann sie nicht mehr atmen, weil sich ihre Lunge mit Wasser füllen würde. Sie soll aber auch im Winter die Möglichkeit haben, ihr Sofa mal für zwei oder drei Stunden zu verlassen, um sich bewegen zu können. Kristina und Fritz P. sind gerührt von so viel Hilfsbereitschaft und Engagement. "Es ist ein Geschenk Gottes", sagt die Mutter.

Wer helfen will, kann sich an 0173/597 13 72 wenden oder unter https://paypal.me/pools/c/8xeRWFVA5b spenden. Pfleger können sich bei isabella.pro@gmx.de melden.

© SZ vom 01.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Pflegekraft gesucht
:Ein Leben für Isabella

Eine Fünfjährige aus Karlsfeld leidet an einer seltenen und lebensbedrohlichen Lungenkrankheit. Die Eltern, die sich rund um die Uhr um ihre Tochter kümmern, sind verzweifelt: Sie finden keine Pflegekraft, die die Familie unterstützen könnte.

Von Christiane Bracht

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