Karlsfeld im Stau, Folge 2:Lückenlos

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Karlsfeld ist mit Autos zugestellt. Bevor die Geschäfte in der Neuen Mitte eröffnen, will die Gemeinde im zentralen Ortsbereich eine Bewohnerparkzone einrichten und das Chaos entschärfen

Von Gregor Schiegl, Karlsfeld

Autos Stoßstange an Stoßstange, das kann man in Karlsfeld nicht nur zur Rush Hour auf der Münchner Straße beobachten, auch in den Nebenstraßen stehen die Autos dicht an dicht. Der Platz ist knapp, oft sind beide Straßenseiten zugeparkt. Wenn sich zwei Autos begegnen, wird es eng. Oft muss einer zurücksetzen. In manchen Wohnstraßen sieht man die Leute Dauerschleifen fahren auf der Suche nach einer Lücke, in die sie sich noch hineinquetschen können.

Das Problem ist nicht neu, aber es verschärft sich zusehends. Firmen sparen sich teure Parkplätze für ihren Fuhrpark und geben die Fahrzeuge ihren Mitarbeitern mit, die sie über Nacht zu Hause vor der Haustür abstellen. Nicht selten werden Garagen zweckentfremdet als Rumpelkammern oder Hobbyraum. Fürs Auto bleibt dann kein Platz mehr, also steht auch der private Pkw auf der Straße. Dazu kommt die Nachverdichtung: Karlsfeld ist Zuzugsgebiet. Im vergangen Jahr bekam die Gemeinde gut 2000 Neubürger dazu. Alte Grundstücke werden geteilt, und wo früher ein Häuschen stand, wird nicht selten ein ganzer Wohnblock gebaut, in den dann sechs Familien einziehen, und jede hat ihr eigenes Auto.

Am dramatischsten ist die Situation im nördlichen Teil der Gartenstraße. Die Verkehrsuntersuchungen des Münchner Büros Gevas Humberg & Partner im Auftrag der Gemeinde haben ergeben, dass die Parkplätze dort zwischen 19 und 20 Uhr im Schnitt zu 120 Prozent ausgelastet sind; 120 Prozent deshalb, weil nicht nur reguläre Stellplätze belegt sind, sondern jeder Sechste sein Fahrzeug auch noch an einer Stelle parkt, wo er es gar nicht dürfte. Das ärgert Anwohner und Geschäftsleute gleichermaßen. Und mit Sorge beobachten viele, wie am südlich Ende der Gartenstraße die Betonblöcke des neuen Ortszentrums in den Himmel wachsen.

"Was uns mit diesem Ortszentrum erwartet, ist reines Verkehrschaos", sagt Bernd Rath, der ebenfalls an der Gartenstraße wohnt. "Der Parksuchverkehr wird sich verstärken, die Wohnstraßen werden restlos zugeparkt sein." In der Neuen Mitte seien viel zu wenig Stellplätze gebaut worden, kritisiert der Bündnis-Gemeinderat. Genauso wie am Einkaufszentrum "Karlsfelder Meile". Damit sei die Gemeinde den Investoren weit, viel zu weit entgegengekommen; die Lasten trügen letztlich die Anwohner.

Diese Lesart teilten die großen Fraktionen, CSU und SPD, nie und tun es auch jetzt nicht. Trotzdem bestreitet bei ihnen keiner, dass es Handlungsbedarf gebe. Bevor die Geschäfte in der Neuen Mitte im Herbst eröffnen, will die Gemeinde im zentralen Ortsbereich eine Bewohnerparkzone einrichten, die den Anliegern ein gewisses Kontingent an Stellplätzen sichert - vor auswärtigen Kunden und Besuchern. Das hat Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) jüngst noch einmal bekräftigt. Die letzten Details des Parkraumkonzepts sind noch offen, aber einen groben Rahmen gibt es bereits. Der Kernbereich der Parkzone soll im Bereich von 500 Metern um das Ortszentrum liegen. Sinnvoll wäre nach der Expertise von Verkehrsgutachter Christoph Hessel das Gebiet östlich der Münchner Straße zwischen Hochstraße im Norden und Gärtnerweg im Süden. Die nördliche Grenze würden Seestraße und Schwarzgrabenweg markieren.

Bis zu 50 Prozent der etwa 1000 Stellplätze könnten für Anwohner reserviert werden, sagt Hessel, zwischen 20 Uhr und 9 Uhr sogar bis zu 75 Prozent. Denn am größten ist die Parkplatznot morgens und abends, wenn die Karlsfelder Pendler zu Hause sind. In den flankierenden Workshops der Gemeinde schlugen sich die Bürger erwartungsgemäß auf die Seite der Anwohner. "Die Karlsfelder sollten das größte Recht bekommen", forderte Max Eckardt. "Wer von auswärts kommt, interessiert mich erst an zweiter Stelle." Diese Position gilt als Konsens.

Wie man es auch aus Münchner Stadtteilen kennt, könnten die Karlsfelder Anwohner einen Parkausweis bei der Gemeinde beantragen, mit dem sie die Bewohnerparkplätze benutzen dürfen; die Kosten dafür sollen maximal 30 Euro im Jahr betragen. Die anderen Parkplätze wären frei, aber nicht als Dauerparkplätze, sondern begrenzt auf zwei Stunden.

Sobald der Beschluss durch ist, muss die Gemeinde richtig trommeln, um die Regelung bei Anwohnern und Geschäftskunden publik zu machen. "Wenn Sie die Maßnahme nicht richtig verkaufen, kriegt das keiner mit", warnt Christoph Hessel. Und natürlich muss es Konsequenzen haben, wenn die Leute doch wieder so parken, wie es ihnen gerade passt. "Parkzonen bringen überhaupt nichts, wenn dort nicht regelmäßig kontrolliert wird", sagte er. Karlsfeld will die Überwachung des ruhenden Verkehrs deshalb von 40 auf 80 Stunden hochfahren.

Eine weitere Parkzone ist auch für das Areal vor dem S-Bahnhof im Gespräch. Viele Pendler stellen ihr Auto lieber auf Gemeindegrund ab, als den kostenpflichtigen Park-and-Ride-Platz auf Münchner Seite zu benutzen. Die Bayernwerkstraße ist schon jetzt jeden Morgen zugeparkt, die Wohnstraßen sind bislang weitgehend verschont geblieben. Das könnte sich im Zuge der weiteren Bebauung des Ortsteils allerdings schon bald ändern. Christoph Hessel rät in seinem Verkehrsentwicklungsplan, die weitere Entwicklung am Bahnhof erst einmal zu beobachten. Dass dort auch irgendwann eine Bewohnerparkzone eingeführt wird, gilt als wahrscheinlich. Wann und wie, hängt auch davon ab, wie sich die Pendler verhalten.

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