Karlsfeld:Helfen aus Überzeugung

Karlsfeld: Sie retten mit ihrer Arbeit Leben: Maria Degtjarenko, Direktorin des Bayerischen Hauses, und Karl Walter.

Sie retten mit ihrer Arbeit Leben: Maria Degtjarenko, Direktorin des Bayerischen Hauses, und Karl Walter.

(Foto: privat)

Karl Walter und sein Einsatz für Aidskranke in der Ukraine

Von Robert Stocker, Karlsfeld

Es sind Zahlen, die betroffen machen: 265 000 HIV-positive Menschen hat das ukrainische Gesundheitsministerium Anfang dieses Jahres in dem osteuropäischen Land registriert. Nach internationalen Schätzungen dürfte die tatsächliche Zahl infizierter Menschen in der Ukraine bei etwa 400 000 liegen. Die Gründe, warum das HI-Virus besonders in diesem Land grassiert, sind vielschichtig. Im Süden gibt es fünf Hafenstädte, in denen die Prostitution floriert. Mehr als die Hälfte der Prostituierten in der Stadt Odessa sind drogenabhängig, viele achten nicht auf sicheren Sex. In den neunziger Jahren ist die Wirtschaft zusammengebrochen, besonders junge Leute verfielen Drogen und Alkohol. Dazu kam eine laxe Lebenseinstellung, die zu katastrophalen hygienischen Verhältnissen führte. "Deshalb ist HIV dort explodiert und die Probleme wurden von der Gesellschaft ignoriert", sagt Karl Walter aus Anlass des Weltaidstages.

Seit Jahren kämpft der Karlsfelder gegen die Aids-Epidemie in diesem Land. Bis 1993 war der heute 73-jährige Offizier der deutschen Luftwaffe, anschließend arbeitete er als Unternehmensberater. Das bayerische Sozialministerium fragte im Jahr 2000 bei ihm an, ob er als Berater in die Ukraine gehen wolle. Walter sagte zu und baute das Bayerische Haus Odessa auf. Die Einrichtung betreibt auch ein Zentrum für Sozialarbeit, deren Träger mittlerweile der Wohltätigkeitsfonds des Bayerischen Hauses ist. Das Zentrum kämpft seit sieben Jahren gegen das Aids-Problem in der Südukraine.

2005 bat der Gouverneur von Odessa die Einrichtung, beim Kampf gegen Aids mitzuhelfen. Die medizinische Versorgung war damals katastrophal. Das Personal war schlecht ausgebildet, die Kliniken waren nicht miteinander vernetzt und schlecht ausgestattet. "Die Medizin war auf die HIV-Explosion nicht vorbereitet", sagt Walter, der jetzt dem Vorstand des Bayerischen Hauses Odessa angehört und Mehrheitsgesellschafter des Tochterunternehmens Ukrainisch-Bayerische Management-Trainingszentrale ist. Vor sieben Jahren begann das Zentrum für Sozialarbeit, flächendeckende Projekte im Kampf gegen Aids zu realisieren. Das ukrainische Gesundheitsministerium erklärte sie offiziell zu Pilotprojekten.

Vom Jahr 2005 an baute die Einrichtung ein Netzwerk der Hilfe für HIV-Infizierte in der Region Odessa auf. Dort wurden 1100 Ärzte, 1000 Krankenschwestern, 1250 Sozialarbeiter, 4000 Lehrer und 22 000 Schüler für den Kampf gegen Aids ausgebildet. Außerdem richtete das Sozialzentrum eine Telefonberatungs- und Koordinierungsstelle ein. Ein analoges Netzwerk wurde jetzt auch in der Region Cherson an der Grenze zur Krim aufgebaut. Sämtliche Polikliniken sind über Laptop und Webkamera mit der HIV-Bezirksklinik verbunden.

In der Stadt Cherson wurde ein mobiler medizinischer Dienst aufgebaut. Von der Krankheit Betroffene und Angehörige können sich nun anonym und kompetent beraten lassen. Auf Wunsch werden sie an Experten weitergeleitet, die medizinische oder psychosoziale Hilfe leisten. "Durch die Vernetzung erhalten jetzt Patienten aus der hintersten Klinik die Hilfe der Experten aus Odessa", sagt Walter. Menschen, die sich die weite Fahrt dorthin nicht leisten konnten, erhalten so eine Ferndiagnose und die notwendige Therapie. 2008 bekamen in der Region Odessa etwa 900 HIV-Infizierte eine lebensverlängernde Therapie. Im vergangenen Jahr waren es schon 6500 Patienten. Karl Walter sagt: "Viele Kranke müssen nicht mehr sterben."

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