Brauchtum"Wer die Dachauer Tracht trug, wollte damit auch seinen Status zeigen"

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Die Ampertalerinnen zeigen sich beim Volksfesteinzug in Dachauer Tracht. Die Bestandteile sind für Frau und Mann sowie Kinder detailliert vorgegeben.
Die Ampertalerinnen zeigen sich beim Volksfesteinzug in Dachauer Tracht. Die Bestandteile sind für Frau und Mann sowie Kinder detailliert vorgegeben. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Eine Brautkrone, die vor bösen Blicken schützen soll, ein "Bschoadtücherl" oder ein Schafspelzmantel aus Siebenbürgen sind im Karlsfelder Heimatmuseum zu sehen. Ein Besuch mit den Kuratorinnen.

Von Anna Schwarz, Karlsfeld

In der Türkei und in Griechenland sind Nazar-Amulette mit dem blauen Auge dafür bekannt, dass sie vor bösen Blicken schützen sollen. In Bayern gab es mal einen ähnlichen Glücksbringer: die Brautkrone. Derzeit ist ein prächtig geschmücktes Exemplar aus der Zeit um 1870 in der Sonderausstellung "Statussymbol Trachtenschmuck" im Karlsfelder Heimatmuseum zu sehen. Die Brautkrone wurde am Hochzeitstag getragen. In der Museumsvitrine glänzt sie in Gold und Silber und ist mit roten, grünen und blauen Steinen geschmückt. In der Mitte sind kleine Spiegel in Form einer Sonne angeordnet, sie sollten die bösen Blicke möglicher Neider zurückwerfen.

Kuratorin Barbara Wimmer vom Heimatmuseum sagt: "So eine Krone konnte sich nicht jeder leisten, da musste man schon gut eingesäumt sein", sprich: das nötige Kleingeld haben. Ihre Kollegin Ilsa Oberbauer, die seit Jahren Ausstellungen im Heimatmuseum organisiert, fügt hinzu: "Trachten waren früher einfach ein Statussymbol" - daher auch der Name der Ausstellung.

Die beiden stehen vor einer aus Modepuppen bestehenden Familie, die in Dachauer Tracht eingekleidet ist. Um 1880 war diese am reichsten bestückt, wobei die Bestandteile strikt festgelegt sind: Die Männer tragen schwarze Faltenstiefel, lange Lederhose, Samtweste mit Knöpfen, Hut aus Hasenvelour und halten einen Haselnussstock mit "Bschoadtücherl" in der Hand, in dem sie Essensreste einwickeln konnten. Der am wenigsten pompöse Bestandteil der Tracht ist der Stock, doch wichtig bleibt er allemal. An den Getreideähren, die am schwarzen Hut des Mannes steckten, konnte bereits von Weitem dessen Beziehungsstatus abgelesen werden. Wenn er die Ähren von ihm aus gesehen links trug, war der Trachtler verheiratet.

Die Brautkrone mit den kleinen Spiegeln aus der Zeit um 1870 sollte die Braut vor bösen Blicken schützen.
Die Brautkrone mit den kleinen Spiegeln aus der Zeit um 1870 sollte die Braut vor bösen Blicken schützen. (Foto: Toni Heigl)
Die Dachauer Tracht für die ganze Familie.
Die Dachauer Tracht für die ganze Familie. (Foto: Heimatmuseum Karlsfeld)
Das "Kranl" war als Haarschmuck für ledige Mädchen im bayerischen Oberland gedacht.
Das "Kranl" war als Haarschmuck für ledige Mädchen im bayerischen Oberland gedacht. (Foto: Toni Heigl)
Trachten aus verschiedenen Kulturen und Zeiten sind derzeit im Heimatmuseum ausgestellt.
Trachten aus verschiedenen Kulturen und Zeiten sind derzeit im Heimatmuseum ausgestellt. (Foto: Heimatmuseum Karlsfeld)
Eine kroatische Volkstracht von Frauen aus Livno in Bosnien-Herzegowina. Am Kopfband sind Pfauenfedern befestigt.
Eine kroatische Volkstracht von Frauen aus Livno in Bosnien-Herzegowina. Am Kopfband sind Pfauenfedern befestigt. (Foto: Toni Heigl)

Die Dachauer Tracht der Frauen ähnelt aus heutiger Sicht einem Zwiebel-Look und besteht aus unzähligen Kleiderschichten, etwa mehreren Unterröcken, einer Schleifenhaube und einem Tragekorb aus Weidenzweigen. "Da haben Frauen schon eineinhalb Stunden gebraucht, bis sie angezogen waren und brauchten wohl auch Hilfe", sagt Wimmer; um etwa die Haare unter der Schleifenhaube zu verstecken. Das erinnert Ilsa Oberbauer an ihre Kindheit am Tegernsee, damals brauchte es ebenfalls eine zweite Hand, um die Blumen am sogenannten Balkon des Dirndls, also am Ausschnitt, festzustecken. Und wofür der ganze Aufwand und die Strapazen?

"Für mich ist das Dirndl nicht das bequemste Kleidungsstück"

Dazu sagt Wimmer: "Wer die Dachauer Tracht trug, wollte damit auch seinen Status und die eigene Stellung am Ort zeigen und angesehener sein." Heutzutage habe sich die Bedeutung der Tracht geändert, ein normales Dirndl sei kein Statussymbol mehr, aber: "Wenn man heute Dachauer Tracht trägt, dann ist es schon etwas Besonderes und man zeigt, dass man Tradition pflegt", und - das sei gleich geblieben - sich ein so teures Gewand leisten könne, so Ilsa Oberbauer.

Sie selbst trägt eher selten Tracht, denn in ihrem früheren Beruf als Grundschullehrerin hätte sie sich mit dem teils tiefen Dirndl-Ausschnitt unwohl gefühlt. Barbara Wimmer, die vor der Rente unter anderem als Buchhalterin gearbeitet hat, sagt: "Für mich ist das Dirndl nicht das bequemste Kleidungsstück." Trotzdem sei die Ausstellung für sie etwas ganz Besonderes. Denn es ist die Erste, die sie mitorganisiert hat. Ihr gefällt die gezeigte Mischung aus Schmuck, wie Haarnadeln, Kropfbändern, Ketten und Charivaris, und Trachten aus verschiedenen Regionen.

Die ausgestellten Gewänder aus Italien.
Die ausgestellten Gewänder aus Italien. (Foto: Toni Heigl)
Zu sehen ist auch eine Egerländer Tracht.
Zu sehen ist auch eine Egerländer Tracht. (Foto: Toni Heigl)
Auf den ersten Blick ähnelt das Gewand aus Siebenbürgen etwas dem bayerischen Dirndl, denn es hat vorne ebenfalls eine Schürze und ist mit Stickereien verziert.
Auf den ersten Blick ähnelt das Gewand aus Siebenbürgen etwas dem bayerischen Dirndl, denn es hat vorne ebenfalls eine Schürze und ist mit Stickereien verziert. (Foto: Toni Heigl)
Die fellumkleidete Trinkflasche und der Schafspelzmantel stammen auch aus Siebenbürgen.
Die fellumkleidete Trinkflasche und der Schafspelzmantel stammen auch aus Siebenbürgen. (Foto: Toni Heigl)

Die Idee für die Sonderausstellung hatte Robert Gasteiger, der Dachauer Brauchtumsreferent, der einige Ausstellungsstücke der Dachauer Tracht beisteuerte. Doch allein diese zu zeigen, wäre der Gesellschaftsstruktur in Karlsfeld nicht gerecht geworden, sagen Oberbauer und Wimmer. Denn in der Gemeinde sind Menschen aus verschiedenen Kulturen zu Hause: In den 50er-Jahren etwa seien Geflüchtete aus dem damaligen Donauschwaben, einem Gebiet entlang der Donau von Budapest bis Belgrad, nach Karlsfeld gekommen, sagt Oberbauer.

Später in den 80er-Jahren fanden Gastarbeiter aus Griechenland und Italien hier eine neue Heimat. Auch Leihgaben von ihren Trachten sind deshalb in der Ausstellung zu sehen, außerdem ein Schafspelzmantel mit fellumkleideter Trinkflasche aus Siebenbürgen und eine kroatische Volkstracht, die etwa 30 Kilogramm wiegt, und bei der die Frau eine Pfauenfeder am Kopfband trägt.

Auf den ersten Blick ähnelt ein Gewand aus Siebenbürgen auch dem bayerischen Dirndl, denn es hat vorn ebenfalls eine Schürze und ist mit aufwendigen Stickereien verziert. Eine italienische Tracht besteht aus einem Zweiteiler in hellblauem Samt mit goldenen Verzierungen. Im Obergeschoss ist unter anderem ein schwarzes Sonntagsgewand aus Donauschwaben mit Rock und Haartuch zu sehen. Ein Outfit ausschließlich für den Sonntag war lange üblich, weil die Alltagskleidung bei der Arbeit auf dem Bauernhof schnell dreckig wurde. "Früher hat man sich auch für die Kirche sehr rausgeputzt", sagt Wimmer, schließlich war sie ein sozialer Treffpunkt, weil die Leute nicht so mobil waren. Und sie war wohl auch ein Ort, um - in Form seines Gewandes - zu zeigen, was man hatte.

Zur Ausstellung "Statussymbol Trachtenschmuck" gibt es ein Begleitbuch mit Beschreibung der Trachten und des Trachtenschmucks für 20 Euro, erhältlich im Heimatmuseum. Die Ausstellung ist dort bis Oktober an jedem 1. und 3. Sonntag im Monat von 14 Uhr bis 17 Uhr geöffnet.

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