Nach rund drei Jahren Bauzeit ist das Gymnasium Karlsfeld am Dienstag offiziell eingeweiht worden. Mit dabei: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Es handelt sich schließlich nicht um eine gewöhnliche Schule. Unterrichtsbeginn ist hier erst um 8.30 Uhr. Das ist bislang einzigartig an einem Gymnasium in Bayern. Und es nicht die einzige Innovation, mit der die Schule aufwartet.
Der Unterricht läuft bereits seit Beginn des Schuljahres am 16. September in den Klassenstufen fünf bis acht. Jedes Jahr kommt ein neuer Jahrgang dazu. 2031 wird es hier die ersten Abiturienten geben. „Diese Schule wächst mit uns – und wir mit ihr“, sagte Gründungsdirektor Tobias Berlinger bei der Einweihungsfeier. Ausgerichtet ist das neue Gymnasium auf bis zu 1350 Schüler.

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Das knapp 100 Millionen Euro teure Projekt haben der Landkreis Dachau und die Landeshauptstadt München gemeinsam geplant und finanziert, ein Drittel des Geldes kommt vom Freistaat. Doch es sei die „Beharrlichkeit“ von Stadt und Landkreis gewesen, die diese Schule erst möglich gemacht habe, sagte Münchens dritte Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD). Frühere Forderungen nach einem weiteren Gymnasium waren beim Kultusministerium auf taube Ohren gestoßen. Für Karlsfelds Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) unverständlich: „Der Bedarf ist da.“
„Wir haben es geschafft“, freut sich der Bürgermeister
Sowohl im Landkreis Dachau als auch in den nordwestlichen Stadtteilen Münchens steigen die Schülerzahlen seit Jahren stark an. Besonders prekär ist die Lage in Allach. Viele Kinder müssen lange Schulwege auf sich nehmen. Karlsfeld ist der Nachbarort und nur eine S-Bahnhaltestelle entfernt. Doch alle Versuche, eine weiterführende Schule in der 20 000-Einwohner-Gemeinde anzusiedeln, sind bisher gescheitert. Bereits vor mehr als 20 Jahren hatte der damalige SPD-Bürgermeister Fritz Nustede (SPD), eigens ein großes Grundstück in S-Bahnnähe gekauft. Nun, am Ende von Kolbes Amtszeit, trägt diese Weitsicht Früchte. „Wir haben es geschafft“, freut sich der Bürgermeister.

Die Schule in Karlsfeld setzt auf das innovative „Münchner Lernhausmodell“: Statt in festen Klassen lernen die Schüler in vier „Lernhäusern“. Feste Lehrerteams begleiten sie über Jahre. So sollen Selbstständigkeit, soziale Kompetenzen und praktische Fähigkeiten gestärkt werden. Das Konzept verspricht mehr Chancengerechtigkeit, weniger Leistungsdruck und mehr Miteinander. Die Architektur folgt diesem Konzept. Zentrales Element ist eine 148 Meter lange Magistrale, die Aula, Mensa, Fachräume und Lernhäuser verbindet. Dazu kommt eine Vierfachturnhalle, die auch örtliche Vereine nutzen können.

„Das sieht eher aus wie eine Ferienanlage“, scherzt Markus Söder, als er am Rednerpult in der mit viel Holz gestalteten Aula steht. Er lobt die gelungene Gestaltung, das gebe „ein gutes Gefühl zum Lernen“. Gleichzeitig lässt er durchblicken, dass er allzu innovative Konzepte im bayerischen Schulsystem nicht unbedingt als notwendig erachtet. Empathie sei wichtig, hohe Anforderungen seien es aber auch. „Die Welt ist heute leistungsorientierter als wir glauben.“

Die musikalische Qualität der mehr als 100 Musiker starken Bigband überzeugt ihn jedenfalls restlos. Große Kunst sei das, sagt er. „Da braucht es gar keine Staatsphilharmonie mehr.“ Dirigiert wird das Ensemble von Direktor Berlinger, der zuvor stellvertretender Schulleiter am Ignaz-Taschner-Gymnasium in Dachau war. Seine Vision für das Karlsfelder Gymnasium ist eine Schule, „in die jeder jeden Morgen gerne geht“. Berlinger verweist auf eine Statistik, wonach hat jeder vierte Jugendliche Angst davor habe, in die Schule zu gehen. In Karlsfeld soll es anders sein.
Für den Lernerfolg brauche es „die richtigen Rahmenbedingungen“ sagt Berlinger. Dazu gehört auch der spätere Unterrichtsbeginn. Berlinger ist überzeugt: „Ausgeruhte Schülerinnen und Schüler lernen motivierter und erfolgreicher.“ Weitere Besonderheit: Handys sind während des Unterrichts sind tabu. Morgens werden die Geräte eingesammelt, erst wenn der Unterricht vorbei ist, bekommen die Schüler sie wieder. In der Pause sollten die Schüler miteinander reden, nicht chatten, sagt Berlinger.
Das Kollegium? „Nur Idealisten.“
Trotz des Lehrermangels ist sein Kollegium nahezu komplett: 41 Lehrkräfte hat er angefordert, 40 hat er bekommen. Dass es so viele Interessenten gibt, hat ihn selbst überrascht. „Wer bewirbt sich schon auf ein Aufbaugymnasium? Nur Idealisten.“ Denn eine neue Schule zum Laufen zu bringen, bedeutet viel Arbeit. Zum Beispiel 10 000 Schulbücher zu stempeln, alle einzeln, von Hand. Das haben sie geschafft.
Was jetzt noch fehlt, ist eine Überdachung für die Fahrradständer am Pausenhof. „Die sehe ich noch nicht“, sagt er. Aber die würden sicher bald kommen. Das sind die Hausaufgaben, die der Landkreis Dachau noch zu erledigen hat.
Bei einem Tag der offenen Tür kann man sich am Freitag, 14. November, von 15 bis 18 Uhr bei einem Rundgang selbst ein Bild von der neuen Schule an der Bayernwerkstraße 101 machen.

