Süddeutsche Zeitung

Architektur im Landkreis Dachau:Moderner Unterricht in Lernhäusern

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Karlsfelds Vorzeige-Grundschule ist bei den "Architektouren 2022" zu sehen. Viele Interessierte schauen sich das 41 Millionen Euro teure Schulhaus an, das eine ganz neue Art von Schule ermöglicht.

Von Alexandra Vettori, Karlsfeld

Es war sicher ein Trost für viele im Karlsfelder Gemeinderat, dass die teure neue Grundschule an der Krenmoosstraße von der Bayerischen Architektenkammer in die diesjährigen "Architektouren" zu besonders sehenswerten Bauwerken aufgenommen wurde. Schließlich hat die im September in Betrieb gegangene Schule letztlich mehr als 40 Millionen Euro gekostet, statt der anfangs prognostizierten 25 Millionen. Das Interesse der Bevölkerung, das moderne, freundlich-bunte Gebäude einmal von innen zu sehen, war am vergangenen Sonntag jedenfalls groß, trotz schönsten Badewetters. Schon zur ersten Führung um 10 Uhr fanden sich über 30 Menschen ein.

Viel Birkenholz, noch mehr Glas, ein Hauch Industrial Chic und frische Farben, die sich an Wänden, Treppen, Stuhllehnen, ja sogar an Kissen und Hockern wiederfinden, das ist der erste Eindruck, den die Besucher von der Muster-Schule erhalten. Andreas Nies vom Münchner Architekturbüro h4a Gessert, das 2016 den Wettbewerb der Gemeinde gewonnen hat, erläuterte das Konzept. Die bunten Farben unterstreichen das Lernhaus-Prinzip, das damals noch neu war, heute aber mehr oder weniger Grundlage fast jeden Schulneubaus. Es bedeutet eine Abkehr vom ausschließlichen Unterricht in Klassenzimmern und Fachräumen und sieht stattdessen unterschiedliche Angebote in verschiedenen Räumen und Situationen vor: klassenübergreifend, interdisziplinär oder in Kleingruppen für spezielle Förderung.

Jede Jahrgangsstufe hat ihre eigene Farbe

In der Karlsfelder Grundschule gibt es vier miteinander verbundene Lernhäuser, in jedem ist eine Jahrgangsstufe untergebracht, das heißt sechs Klassen. Jedes Haus hat dabei eine dominierende Farbe. Die ersten Klassen können sich über frisches Hellgrün freuen, die zweiten über Gelb, dann gibt es noch Orange und Dunkelgrün. Das Prinzip ist immer gleich: Die sechs Klassenzimmer mit einer verglasten Wand zur Mitte hin sind um eine Plaza gruppiert, zwischen zwei Klassenräumen ist stets ein gemeinsamer Übungsraum, wegen der Glaswände können die Lehrerinnen auch "ausgelagerte" Schülergruppen im Auge behalten. Die Plaza in der Mitte nutzen alle sechs Klassen gemeinsam, hier gibt es ein paar Schulbänke und viele Sitzwürfel, die sich beliebig gruppieren lassen. An den Wänden hängt freilich immer noch das, was stets an Grundschul-Wänden hängt, Groß- und Kleinbuchstaben, Blumenbilder und Plakate, die zu Ordnung und Wohlverhalten mahnen.

Das neue Raumkonzept, betont Schulleiterin Barbara Sparr, habe das Unterrichten tatsächlich sehr verändert, "die Lehrkräfte arbeiten ganz stark im Team, und dank der Gruppenräume kann man mehr auf das einzelne Kind eingehen". Dass die Plaza leicht umzubauen ist, vom Kinosaal dank mobiler Leinwand, bis zur Lernwerkstatt oder zum Lesesaal, biete viele Möglichkeiten. Dennoch, Stamm verhehlt nicht: "Personell ist, wie überall, alles auf Kante genäht. Wenn man mehr Personal hätte, könnte man natürlich noch viel mehr machen."

Auch das Kollegium ist glücklich, es gibt mehrere Lehrerzimmer

Im Erdgeschoss kommen alle 500 Grundschülerinnen und -schüler zusammen. Zentrale Anlaufstellen sind Mensa und Aula, die mit einer mobilen Glaswand voneinander abgetrennt sind. Fährt man die Glaswand ein, entsteht ein riesiger Raum, optisch noch vergrößert durch viele Glasfronten. So weit und licht das Schulhauses auch ist, der Platz in den Klassenzimmern entspreche gerade mal den Förderrichtlinien, wie Schulleiterin Sparr betont. Für die momentane durchschnittliche Klassenstärke von 23, 24 Kindern sei das ok, sollten es einmal mehr werden, wird es eng. Denn natürlich findet auch beim Lernhaus-Prinzip immer noch viel Unterricht im Klassenzimmer statt. Sehr glücklich, so Sparr, sei die Lehrerschaft. Sie hat ein großes zentrales Lehrerzimmer, dazu jeweils eines in den Jahrgangshäusern. "Seitdem arbeiten viele aus dem Kollegium auch nach dem Unterricht noch länger in der Schule, ich auch", sagt die Schulleiterin.

Dass der Bau der Vorzeigeschule eine durchaus knifflige Sache war, erläutert Landschaftsarchitekt Franz Damm. Denn direkt daneben verläuft eine Stromleitung der Bahn, darunter durften weder Gebäude noch zu hohe Bäume sein. Dem ist nun auch der etwas kahle Gesamteindruck des Pausenhofes geschuldet, mit nur wenig Grün und dafür Stahl-Kunststoff-Skulpturen, die etwas zusätzliche Schatten spenden sollen. Die zweite Herausforderung, so Architekt Andreas Nies, sei das hohe Grundwasser gewesen. Deshalb gibt es keinen Keller und sind Pausenhof, Freiflächen und Parkplätze an jeder nur möglichen Stelle mit Mulden versehen, in denen sich Regenwasser sammelt kann. Aus den Innenhöfen des Schulgebäudes führen Düker ins Freie, durch die das Wasser ablaufen soll.

Auch die Haustechnik ist auf neuestem Stand. Schulleiterin Sparr schwärmt von der Tonanlage in der Dreifachturnhalle: "Da kann man einfach das Handy anstecken und muss keine Recorder mehr hinschleppen." Selbstredend gibt es eine Photovoltaikanlage auf dem Schuldach, die Raumkühlung erfolgt mittels Grundwasservernebelung und der Grundwasserbrunnen ermöglicht zwei Wasserkreisläufe, einen mit Frischwasser für alle Waschbecken und Duschen und einen mit Grundwasser für die Toiletten. Hausmeister Matthäus Krawczyk ist voll des Lobes für das Schulhaus, "am Anfang hat es ein paar Anfangswehwehchen gegeben, aber jetzt funktioniert alles super".

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