Karlsfeld:Grüne Welle

Morgenstau

Die Münchner Straße in Karlsfeld ist das Nadelöhr für alle, die mit dem Auto aus dem Landkreis nach München pendeln.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Bis zu 45 000 Fahrzeuge wälzen sich täglich über die Münchner Straße in Karlsfeld. Nun nehmen Verhandlungen der Gemeinde mit dem staatlichen Bauamt, dem Verkehrsverbund und der Stadt München Fahrt auf

Von Gregor Schiegl, Karlsfeld

Stau, Lärm und Abgase: Der zunehmende Durchgangsverkehr macht den Karlsfeldern schwer zu schaffen. Doch inzwischen führt die Gemeinde intensive Gespräche mit staatlichen Behörden, um die Belastungen einzudämmen. Erste greifbare Ergebnisse zeichnen sich bereits ab. So sollen die Ampeln an der Münchner Straße vom kommenden Jahr an so geschaltet werden, dass sie keinen Stop-and-go-Verkehr mehr verursachen. "Die Grüne Welle ist in trockenen Tüchern", sagt Karlsfelds Verkehrsreferent Bernd Wanka (CSU). Das Straßenbauamt habe eine durchgängige Schaltung sowohl für Tempo 50 wie für Tempo 60 berechnet.

Seit Jahren kämpft die Gemeinde darum, das Tempo auf der vierspurigen Straße durch den Ort zu drosseln. Bislang hatten sich die Behörden quer gestellt. Jetzt gibt es zum ersten Mal Signale des Straßenbauamts, dass man sich einer verkehrsrechtlichen Anordnung des Landratsamts für Tempo 50 nicht mehr verweigern würde. "Wir sind einen Schritt weiter", stellt Verkehrsreferent Wanka zufrieden fest. Ende Juli fand im Rathaus Karlsfeld ein Runder Tisch statt, zu dem die Gemeinde alle maßgeblichen Behörden eingeladen hatte - darunter die Regierung von Oberbayern, das Staatliche Bauamt, den MVV und die Landeshauptstadt München. Was Bernd Wanka besonders freut: Jede Behörde schickte einen Vertreter in die Runde, freiwillig. "Bei den einzelnen Stellen gibt es nicht nur Begeisterung, aber die Gespräche verlaufen sehr konstruktiv", sagt er. "Jetzt ist ein Dialog in Gang gekommen."

Viele Ideen liegen auf dem Tisch, zum Beispiel eine extra Busspur auf der Münchner Straße. Von einer umfassenden Lösung der Karlsfelder Verkehrsprobleme - falls es sie überhaupt gibt - ist man noch weit entfernt. Doch die Chancen, dass sich einige wirkungsvolle Maßnahmen in absehbarer Zeit umsetzen lassen, standen wohl noch nie so gut, wie jetzt. "Wir haben jetzt alle Eisen im Feuer", sagt Wanka.

Das Feuer brennt sehr heiß, weil es vom Landesamt für Umwelt angefacht wird: Die Schadstoffbelastung der Luft an der Münchner Straße ist viel zu hoch. Insgesamt wurden im Jahr 2013 an 24 Tagen höhere Feinstaubkonzentrationen gemessen als im Tagesmittel zulässig. Weitaus problematischer ist das Stickstoffdioxid (NO₂). Neben der Straße stellte das Landesamt im Messjahr 2013 im Mittel eine Konzentration von 54 Gramm pro Kubikmeter fest, an der Wohnbebauung 47 Gramm. Zulässig ist eine Konzentration von maximal 40 Gramm NO₂. An der Münchner Straße gibt es zwei Anwohner, die bereits Klagen vorbereiten und nur noch abwarten, welche Maßnahmen zu ihrem Schutz der künftige Verkehrsentwicklungsplan der Gemeinde beinhalten soll. Das erhöht den Handlungsdruck.

Gelingt es nicht, die Belastungen dauerhaft unter die Grenzwerte zu bringen, könnten durch gerichtliche Anordnung "ganz schnell ganz radikale Maßnahmen" durchgesetzt werden, sagt Wanka - bis hin zur zeitweisen Sperrung der Münchner Straße. Ein Albtraum für Tausende Pendler aus dem Landkreis. Aber auch für die Karlsfelder ist es ein Schreckensszenario. "Dann geht der ganze Schleichverkehr durch unsere Wohngebiete." Bis zu 45 000 Fahrzeuge wälzen sich täglich über die Münchner Straße. Der von der Gemeinde beauftragte Verkehrsgutachter prognostiziert in den kommenden Jahren einen Anstieg auf 47 000. Schon die Bewahrung des Status Quo wäre ein Erfolg.

Zur Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs liegen schon einige Vorschläge auf dem Tisch: Die Buslinie 160 Pasing-Allach könnte bis zum Karlsfelder Zentrum und bis zum Wohngebiet westlich der Bahn verlängert werden, wo sich auch der S-Bahnhof befindet. Ebenfalls im Gespräch ist eine Aufspaltung der Linie 701. Die Bewohner der Handwerkersiedlung müssen derzeit eine Fahrt von mehr als 20 Minuten in Kauf nehmen, bis sie am S-Bahnhof ankommen. Für sie könnte eine Expresslinie eingerichtet werden, die nicht mehr kreuz und quer durchs Gemeindegebiet tingelt, bis sie endlich am Ziel ankommt. "Das sind Vorschläge, die sich relativ schnell und unkompliziert umsetzen ließen", sagt Bernd Wanka.

Längst nicht alle Pläne, die jetzt diskutiert werden, sind neu: Die Forderungen nach einem Tunnel durch Karlsfeld sind schon mehr als 20 Jahre alt. Im Bundesverkehrswegeplan existiert das Projekt noch immer. Beziehungsweise wieder. Doch schon aus Kostengründen gilt es als unrealistisch, ebenso wie die von Wanka selbst angestoßene Idee einer U-Bahn von Feldmoching nach Karlsfeld. Für die laufende Diskussion sind sie dennoch sehr wichtig. Wanka will diese Optionen taktisch nutzen, als Druckmittel nach der Logik: "Wenn ihr uns den Tunnel nicht gebt, müsst ihr uns etwas anderes geben."

Zum Beispiel den S-Bahn-Nordring. Diese Idee ist gar nicht so unrealistisch. Der Autohersteller BMW will seinen Standort im Münchner Norden massiv ausbauen, das geht nur mit einem funktionierenden Nahverkehrssystem. Für die Landeshauptstadt dürfte dies ein sehr viel stärkeres Argument sein als die Klage einer Dachauer Randgemeinde, die im Verkehr erstickt.

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