Achtung, Radler!:Gleichberechtigt auf der Straße

Radler können heute nur noch in Ausnahmefällen zur Benutzung von Radwegen gezwungen werden. Wie sinnvoll das ist, zeigt die Verkehrssituation in der Rothschwaige.

Von Gregor Schiegl, Karlsfeld

Die Alte Münchner Straße in der Rothschwaige ist eine hübsche Allee mit alten Eschen. Auf der einen Seite gibt es einen kombinierten Fuß- und Radweg. Auf der anderen einen Sicherheitstreifen für Radfahrer - zumindest über weite Strecken, denn immer wieder ist der Streifen unterbrochen. Wo, fragt sich mancher Radler verwirrt, darf ich jetzt fahren? Wo muss ich fahren? Wo soll ich fahren? Oder ist das inzwischen ganz egal? Viele blicken nicht mehr durch. Und fahren einfach, wo sie gerade meinen, auf dem Radl kann man's ja machen, oder? So einfach ist es natürlich nicht. So kompliziert aber auch nicht.

"Radl sind Fahrzeuge", erklärt Günter Rustler von der Karlsfelder Verkehrsbehörde. "Deswegen gehören sie auf die Fahrbahn." Klingt logisch. Warum dann überhaupt Geh- und Radwege? Im Grunde sind es Relikte einer schon längst überholten Verkehrsplanung. "Früher hat man den Verkehr getrennt, hier die Autos, hier die Radler", sagt Karlsfelds Verkehrsreferent, Bernd Wanka. In wissenschaftlichen Studien hat sich herausgestellt, dass man damit eher Gefahren erzeugt als beseitigt. "Jetzt sagt man, es ist sicher, die Verkehre zusammenzuführen. Aber die alte Regel steckt immer noch in den Köpfen, und das wieder rauszukriegen, ist ein langwieriger Erziehungsprozess."

Fahrrradwege

Durch die Rothschwaige geht es auch problemlos auf der Straße. Peter Reiz, Richard Wacht, Bernd Wanka und Günter Rustler machen es vor.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Die Gemeinden müssen sich schon lange an geänderte gesetzliche Vorgaben halten. "Nur bei extremen Gefahrensituationen kann ich eine Anordnung treffen, dass der Radler einen separaten Radweg benutzen muss", sagt Günter Rustler. Zu erkennen ist diese Vorgabe an einem blauen Radwegschild wie etwa an der Münchner Straße. Es wird auch keiner in Abrede stellen, dass es extrem gefährlich wäre, sich die Fahrbahn mit 45 000 Autos, Lastwagen und Bussen zu teilen, die zum Teil mit mehr als 60 Kilometern pro Stunde durch den Ort brettern.

An der Alten Münchner Straße in der Rothschwaige kann jeder Radler auf der Fahrbahn fahren. In einer Richtung gibt es einen Sicherheitstreifen, den Autofahrer nicht überfahren dürfen, solange auf seiner Höhe gerade ein Radfahrer unterwegs ist. Sonst natürlich schon. Dass der Sicherheitsstreifen ab und zu abbricht - zum Beispiel beim kreuzenden Zebrastreifen - ist keine Fehlplanung der Gemeinde, bestätigt Verkehrspolizist Richard Wacht. Es verweist auf die bundesweit einheitlichen Markierungsrichtlinien, ein dickes Buch, das detailliert vorschreibt, wie Wege markiert werden müssen. Für kreativen Spielraum ist da kein Platz. Richard Wacht sieht darin aber auch kein Problem. "Wenn der Streifen unterbrochen ist, muss man eben aufpassen. Das sollte man sowieso immer."

Fahrrradwege

Das blaue Schild an der Münchner Straße signalisiert: Hier muss der Radler auf den Radweg.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Rad und Radweg gehören dennoch immer noch für viele untrennbar zusammen. Da werden Radler wütend angehupt, wenn sie sich erdreisten, auf der Straße zu fahren und den angrenzenden Radweg links liegen lassen. Dabei halten sie sich streng an die Straßenverkehrsordnung - im Gegensatz zum hupenden Autofahrer. Gerade innerorts sind Straßen den Radwegen vorzuziehen. "Die meisten Radunfälle ereignen sich an Grundstücksausfahrten", sagt Verkehrsreferent Wanka. "Das sind zwar nicht unbedingt die Unfälle mit den schlimmsten Folgen, aber es sind die meisten." Wanka weiß das aus seinem beruflichen Alltag. Er arbeitet bei einer Unfallversicherung und bekommt solche Fälle häufig auf den Schreibtisch. "Sehen Sie hier die Ausfahrten?" Bernd Wanka beugt sich zur Seite. "An den Ecken ist es sehr unübersichtlich. Auf der Straße kann der Autofahrer den Radler schon viel früher sehen."

Rechtslage und Vernunftgründe sind evident, aber der Radler hat auch ein Bauchgefühl. Und manchem, der jahrzehntelang auf dem Radweg unterwegs war, ist gar nicht wohl bei dem Gedanken, auf einmal mit dem Autoverkehr mitzufahren. Peter Reiz vom ADFC weiß um solche Befindlichkeiten. "Wir wollen die Radler nicht bevormunden", sagt er. Wer sich auf dem Radweg wohler fühle, solle eben dort fahren.

Bei kombinierten Fuß- und Radwegen wie an der Alten Münchner Straße ist Vorsicht angesagt. Dort ist Radeln zwar erlaubt, aber nur unter größter Rücksicht auf die Fußgänger. Was viele nicht wissen: Nach der Rechtsprechung darf der Radfahrer hier nur Schrittgeschwindigkeit fahren, was in etwa sieben bis neun Kilometern pro Stunde entspricht - und das selbst dann, wenn kein Fußgänger weit und breit zu sehen ist.

Hätten Sie’s gewusst?

In die falsche Richtung fahren, bei rot über die Ampel, manche Radfahrer nehmen sich Freiheiten heraus, die klare Verstöße gegen die Verkehrsregeln sind. Aber es gibt auch Dinge beim Radfahren, die viele für verboten halten - zu Unrecht. Die Deutsche Verkehrswacht klärt über drei weit verbreitete Irrtümer auf.

Benutzungspflicht für Radwege

Selbst die mit dem blauen Schild gekennzeichneten Radwege muss der Radfahrer nicht unbedingt benutzen, wenn dieser nicht sicher befahrbar und zumutbar ist. "Ist der Radweg durch Scherben, Mülltonnen oder parkende Autos versperrt, wird er durch Baumwurzeln und aufgeworfenen Belag für Radfahrer gefährlich, dürfen Radfahrer auf die Fahrbahn ausweichen. Auch, wenn der Radweg in eine andere Richtung führt (zum Beispiel bei Abbiegewünschen) kann sich der Radfahrer auf der Fahrbahn einfädeln."

Nebeneinander fahren

Auch wenn es häufig sicherer ist, hintereinander zu fahren, dürfen Radfahrer nebeneinander fahren, wenn sie dabei nicht den Verkehr behindern. Sind mehr als 15 Radfahrer gemeinsam unterwegs, gelten sie als "geschlossener Verband". Sie dürfen dann in jedem Fall zu zweit nebeneinander auf der Fahrbahn fahren - was auch für Autofahrer von Vorteil ist, da eine lange einreihige Schlange sich deutlich langsamer fortbewegt und riskanter zu überholen ist. In Fahrradstraßen ist das Nebeneinanderfahren grundsätzlich erlaubt.

Musik hören

Musik hören auf dem Fahrrad ist nicht grundsätzlich verboten, sofern gewährleistet ist, dass er den Straßenverkehr ausreichend wahrnehmen und vor allen Dingen Warnsignale wie Klingeln oder Hupen hören. Generell sollten sich Radfahrer genau überlegen, wann sie wie Musik hören - schließlich gilt das Gehör neben dem Auge als wichtige Absicherung im Straßenverkehr. Studien ergaben, dass auch Musik in der Lautstärke eines normalen Gesprächs die Wahrnehmung und Informationsverarbeitung beeinträchtigt. Die Deutsche Verkehrswacht empfiehlt aus Sicherheitsgründen auf das Musikhören während des Radfahrens ganz zu verzichten. Nicht alles, was man darf, sollte man auch tun. gsl

Gleiches gilt übrigens auch für Radfahren im verkehrsberuhigten Bereich. Wer schneller unterwegs sei, könne von jedem angezeigt werden, erklärt Richard Wacht. Anders als bei einem Verstoß gegen Tempo 30 gingen die Gerichte davon aus, dass Normalbürger eine Überschreitung der Schrittgeschwindigkeit tatsächlich einschätzen könnten.

Was dürfen Radler? Was dürfen sie nicht? Worauf müssen sie achten? Und was muss getan werden, damit Radler sicherer und komfortabler ans Ziel kommen? Die SZ hat mit einer Expertenrunde eine Radtour durch Karlsfeld unternommen. Mit dabei waren Peter Reiz, Mitglied des Landesvorstands im Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC), Richard Wacht, Verkehrsexperte der Dachauer Polizei, Günter Rustler, Leiter der Verkehrsbehörde in Karlsfeld und CSU-Fraktionschef Bernd Wanka in seiner Eigenschaft als Verkehrsreferent im Gemeinderat.

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