Süddeutsche Zeitung

Gemeinderat Karlsfeld:Von düster zu finster

Schon jetzt steht fest, dass die Corona-Krise die Aussichten auf den Erhalt der Leistungsfähigkeit Karlsfelds empfindlich dämpfen wird. Sorgen bereiten vor allem die Einbrüche bei der Gewerbe- und auch der Einkommenssteuer. Von der SPD kommt dennoch Kritik.

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

Es war viel von müsste, hätte und "war geplant" die Rede, statt von "wir machen", als es um die Vorstellung des Karlsfelder Haushalts ging. Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) sprach sogar von "Makulatur". Ein Nachtragshaushalt, das ist jetzt schon klar, ist unumgänglich. Die Finanzsituation der Gemeinde war bereits in den Monaten zuvor düster, durch die Coronakrise ist sie jetzt noch weitaus finsterer geworden. Kämmerer Alfred Giesinger hatte bei seinen Berechnungen Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von neun Millionen Euro angenommen. "Das werden wir sicher nicht erreichen", prophezeite Finanzreferent Stefan Theil (CSU). Auch bei der Einkommenssteuerbeteiligung wird es "zu empfindlichen Abwärtskorrekturen kommen", so der Kämmerer.

Insgesamt hatte er für den Haushalt 2020 Einnahmen von rund 35 Millionen Euro angenommen. Wie viel Geld nun tatsächlich zur Verfügung stehen wird, steht noch in den Sternen. Klar ist nur: "Die nächsten Wochen und Monate werden sehr schwierig. Wir warten gespannt auf die nächste Steuerzahlung Mitte Mai", so Kolbe. Trotzdem musste der Haushalt noch vom alten Gemeinderat beschlossen werden, damit die Kommune handlungsfähig ist. Einstimmig wurde das Zahlenwerk jedoch nicht durchgewunken: Die SPD stemmte sich vehement dagegen.

Wer in der letzten Sitzung dieser Amtsperiode mit großen Debatten oder auch nur einer Begründung für die Ablehnung gerechnet hatte, wurde enttäuscht. Um das Ansteckungsrisiko möglichst gering zu halten, sollte die Sitzung so kurz wie möglich sein. Lediglich Finanzreferent Stefan Theil und dem Kämmerer wurde das Wort erteilt. Und so blieb der SPD nur eine nachträgliche schriftliche Begründung, um ihren Standpunkt darzulegen. Danach vermisst sie "eine fundierte planerische Vorausschau", damit die Gemeinderäte gut informiert seien und "die Weichen für die Zukunft stellen können". In diesem Jahr könne die Gemeinde nach Einsparungen um die 7,3 Millionen Euro nur noch so viel erwirtschaften, dass die Kredite gerade bedient werden können. In den kommenden drei Jahren fehlten jedoch mehr als 2,3 Millionen Euro, um dies tun zu können - und zwar ohne die Auswirkungen der Corona-Krise eingerechnet zu haben. "Die dauernde Leistungsfähigkeit der Kommune ist aus dem vorliegenden Zahlenwerk für die Zukunft nicht mehr erkennbar", moniert die SPD.

Der Kredit, den die Gemeinde für den Bau der neuen Grundschule aufnehmen muss, bringt den Haushalt in Schieflage. Das betonte Kämmerer Alfred Giesinger mehr. Ohne dieses Projekt hätte Karlsfeld gerade mal 5,38 Millionen Euro Schulden, so Giesinger. Doch der Neubau hat nicht nur die Rücklagen aufgebraucht, sondern einen gigantischen Schuldenberg zur Folge. Ende vergangenen Jahres stand Karlsfeld mit 22,39 Millionen Euro in der Kreide. Ende dieses Jahres werden es nach Berechnungen des Kämmerers voraussichtlich 32,4 Millionen Euro sein. Damit läge die Pro-Kopf-Verschuldung von Karlsfeld bei 1473 Euro - weit über dem Landesdurchschnitt.

Bürgermeister und CSU fehle der Mut, den Bürgern zu vermitteln, dass "schmerzhafte Maßnahmen notwendig sein werden um die Karlsfelder Finanzen langfristig wieder auf die Beine zu stellen", moniert die SPD. Nur so könne man eine Zwangsverwaltung verhindern.

In diesem Jahr wollte die Gemeinde 13,56 Millionen Euro für die neue Grundschule ausgeben. Für die Instandhaltung der Kinderbetreuungseinrichtungen, sowie Spielgeräte "hätten wir gut eine Million Euro angedacht", so Giesinger. Neue Fahrradständer am Bahnhof, sowie die Verlängerung der Parzivalstraße waren ebenfalls vorgesehen. Kosten: 1,44 Millionen Euro. "Die Sanierung des Feuerwehrgerätehauses müsste vorangetrieben werden", erklärte der Kämmerer. Außerdem ist ein neues Feuerwehrauto nötig und moderne Atemschutzgeräte, sowie Bekleidung - macht weitere 819 000 Euro. Der Umbau des Sitzungssaals für 30 Gemeinderäte (bisher waren es nur 24) und eine neue EDV im Rathaus verschlingen weitere 360 000 Euro. Anschaffungen für Bauhof, neue Stühle fürs Bürgerhaus und Hütten für den Christkindlmarkt waren für 570 000 Euro geplant.

"Einiges werden wir davon nicht durchführen können", sagte Bürgermeister Stefan Kolbe bereits vor dem Beschluss. "Wir haben keine Voraufträge vergeben", stellte er klar. Mit dem neuen Gremium werde man alles noch einmal diskutieren und Prioritäten setzen müssen.

Neben den Investitionen fallen finanziell vor allem die mit 12,5 Millionen Euro veranschlagten Personalkosten ins Gewicht. Es sind 2020 etwa eine Million Euro mehr als im Vorjahr. Der Grund: Karlsfeld zahlt nun die Großraum- und die Arbeitsmarktzulage an die Gemeindeangestellten. Das war nötig, um nicht eines Tages auch noch die zu verlieren, die seit Jahren gute Arbeit im Rathaus machen, so die Begründung der Kommunalpolitiker. Außerdem waren Neueinstellungen vorgesehen. Allein für das Personal der Kinderbetreuungseinrichtungen muss Karlsfeld 3,87 Millionen Euro zahlen, 300 000 Euro mehr als im Vorjahr. Der Landkreis wird zudem 14,8 Millionen Euro Kreisumlage einfordern.

"Vieles kann nicht umgesetzt werden, was der Gemeinde gut tun würde", beklagte Finanzreferent Stefan Theil. Dazu gehören auch die Skateanlage, die sich eine Gruppe Jugendlicher sehnlichst gewünscht hatte, und der Friedwald für Urnenbestattungen. Beide Projekte hatte der Gemeinderat im vergangenen Jahr mit großer Mehrheit befürwortet. Doch bei den Haushaltsverhandlungen Anfang des Jahres wurde relativ schnell klar, dass beides angesichts der klammen Gemeindekasse heuer nicht realisierbar ist. Bereits die laufenden Investitionen, der Neubau der Grundschule, Brandschutz und die Kitas, die allein insgesamt 7,6 Millionen Euro im Jahr kosten - "das raubt uns die Luft zum Atmen", konstatierte Theil. Noch schlimmer ist seine Prognose: "Die aktuelle Pandemie stellt alles auf den Kopf. Die daraus resultierenden wirtschaftlichen Probleme werden uns vor nie dagewesene Herausforderungen stellen."

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SZ vom 29.04.2020
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