Süddeutsche Zeitung

Karlsfeld:Geheimnisvolle Versteigerung

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Das höchste Gebot gewinnt: Die Gemeinde Karlsfeld will ein Baugrundstück verkaufen - die Interessenten müssen ihre Angebote in verschlossenen Umschlägen im Rathaus abgeben.

Gregor Schiegl

Ein bisschen geheimnisvoll wirkt das Ganze ja schon: Einen verschlossenen Umschlag solle man mit einem "endgültigen Kaufpreisangebot" im Rathaus abgeben, mit der Aufschrift "Kastanienweg - Angebot" versehen. Erst am 19. Juli, wenn alle eingegangenen Kuverts vor Zeugen geöffnet werden, wird man wissen, wer der neue glückliche Besitzer des Eckgrundstücks Kastanienweg / Ulmenweg in Karlsfeld westlich der Bahn sein wird. Das höchste Gebot gewinnt, ganz gleich von wem es kommt. Hintergrund des Deals: "Die Gemeinde will von dem Erlös ihren Haushalt aufbessern", erklärt die stellvertretende Bauamtsleiterin Simone Hotzan.

Um noch einmal um Kreditaufnahmen herumzukommen, verscherbelt die Gemeinde gerade einige Grundstücke, die für die weitere Entwicklung Karlsfelds eher von nachrangiger Bedeutung sind. Darunter befindet sich auch das 417 Quadratmeter große Baugrundstück am Kastanienweg, das die Gemeinde als "Reservegrundstück" inmitten des mit Wohnhäusern bebauten Gebiets vorhält. "Ein Mindestgebot von 200.000 Euro" erwartet die Gemeinde. Das entspreche in etwa auch dem Verkehrswert des Grundstücks, sagt Simone Hotzan. Natürlich kann man auch ein niedrigeres Gebot abgeben. Die Frage ist dann nur, ob der Verkauf zustande kommt.

"Der Gemeinde bleibt es unbenommen, das Verfahren jederzeit abzubrechen oder ganz aufzuheben", stellt die Gemeinde die Spielregeln klar. Nachzulesen ist das auf der Homepage karlsfeld.de, wo sich auch Planzeichnungen und Festsetzungen zum dort geltenden Bebauungsplan finden. Den Bebauungsplan selbst kann man im Rathaus einsehen, bei Simone Hotzan, in Zimmer 209.

In der Sammlung immobilen Tafelsilbers, das die Gemeinde zwecks Konsolidierung ihrer immer dünner werdenden Finanzdecke jetzt abstößt, ist dies das einzige Wohnbau-Grundstück. Also eine "einmalige Gelegenheit"? Ja, sagt Simone Hotzan. Doch mehr lässt sich die diskrete Dame vom Bauamt nicht entlocken. Sie bezeichnet das gesamte Prozedere im übrigen als "ganz normales Bieterverfahren". Nichts Neues unter Karlsfelds Himmel also. Freilich, in besseren Zeiten hätte es das nicht gegeben. Da hätte die Gemeinde Einheimischenbauland daraus gemacht und den wohlhabenden Karlsfelder dem reichen Auswärtigen vorgezogen.

Armut der Gemeinden

Das einzige, was jetzt zählt, ist das Geld. Fragt sich nur, warum dann diese stille Auktion? "Wir als Gemeinde tun uns schon schwer, mit Bürgern zu verhandeln und den Preis hochzudrehen", sagt Simone Hotzan. In direkten Verhandlungen könnte die Gemeinde zwar noch höhere Preise erzielen. Nur bringt das irgendwie keiner übers Herz. Denn: Mit der neuen Armut der Gemeinden ist kein Reichtum der Bürger ausgebrochen. Mal eben 200000 Euro plus X hinzulegen ist kein Pappenstiel. Und dann hat man auch noch nicht einmal ein Haus, sondern nur eine ungemähte Wiese mit Kanal- und Telefonanschluss.

Dazu kommt der hohe Grundwasserstand. Wer einen Keller baut, muss mehr Geld in die Hand nehmen, mehr als beim Häuslebau in der Münchner Schotterebene. Das Problem kennen sie alle in Karlsfeld. Punkten kann der Standort am Kastanienweg dafür mit der Anbindung. Die S-Bahn-Station ist nur 300 Meter entfernt und die MMV-Tarifzone gerade noch Innenbereich.

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Quelle:
SZ vom 19.06.2010
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