Karlsfeld:Flüchtlinge beenden Hungerstreik

Lesezeit: 3 min

Danach demonstriert am Ostermontag eine Gruppe aus München vor der Traglufthalle in Karlsfeld gegen die Asylpolitik des Landkreises.

Von Wolfgang Eitler und Helmut Zeller, Karlsfeld

Nach dem Ende des Hungerstreiks der Asylsuchenden in der Traglufthalle im Karlsfelder Gewerbegebiet demonstrierte eine Gruppe von Frauen und Männern aus München am Ostermontag gegen die Flüchtlingspolitik im Landkreis Dachau. Vor der Unterkunft kritisierten sie die Unterbringung in Massenunterkünften als Verstoß gegen die Menschenrechte und fotografierten Flüchtlinge mit Hautererkrankungen. Allerdings nannte keiner aus der Gruppe seinen Namen. "Wir geben keine Interviews", hieß es. Einzig ein Asylsuchender aus dem Iran, der sich zu der Gruppe zählte, war dazu bereit. Die Demonstration verlief friedlich, eine Streife der Polizei Dachau fuhr mehrmals an der Traglufthalle in der Einsteinstraße vorbei. Aber die Beamten mussten nicht eingreifen.

Am Ostersamstag hatten die fast 300 Flüchtlinge gegen Mittag ihren Hungerstreik beendet. Wie Wolfgang Reichelt, Medienbeauftragter des Landratsamts, am Montag der SZ sagte, hatte zu keinem Zeitpunkt eine gesundheitliche Gefahr für die Menschen bestanden, die seit Mittwochabend nur noch Tee und Wasser zu sich nahmen. Die Geflüchteten, die meisten stammen aus Pakistan, Afghanistan, Nigeria und Senegal, protestierten gegen die zum Teil schon monatelange Unterbringung in der Traglufthalle. 20 bis 30 Asylsuchende haben, wie Reichelt sagte, ihren Protest bis in die Mittagsstunden des Ostersonntags ausgedehnt. Diese Gruppe verließ jeweils während der Essensausgabe die Halle. "Sie machten körperlich einen guten Eindruck", sagte Reichelt.

Zu den Demonstranten gesellt sich eine Gruppe von Bewohnern der Traglufthalle. Ihr Protest richtet sich gegen die menschenunwürdige Unterbringung. (Foto: Toni Heigl)

Am Ostermontag dann versammelten sich meist zehn junge Männer und Frauen vor der Traglufthalle und begehrten zunächst Einlass. Den verweigerten die Security-Mitarbeiter ihnen jedoch. Daraufhin wechselte die Gruppe auf den Kreisverkehr vor dem Eingang der Unterkunft in der Einsteinstraße. Die Demonstranten suchten das Gespräch mit Flüchtlingen. Die gaben bereitwillig Auskunft über ihre Notlage und Gründe für den Hungerstreik. Die Versuche von Vertretern des Karlsfelder Asylhelferkreises, mit den Demonstranten ins Gespräch zu gelangen, scheiterten allerdings. Denn die Gruppe, die von sich selbst sagte, dass sie aus München komme, verweigerte sich dem Dialog beispielsweise mit der SPD-Politikerin Elfriede Peil. Sie fragte nach den Zielen. Die Antwort: "Wir machen einen Ausflug."

Auch Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) war gekommen und bemühte sich, den Demonstranten das Engagement von Bürgern und Kommunalpolitik zu verdeutlichen. "Wir helfen im Kleinen", sagte er. Auch er sei der Ansicht, dass solche Hallen sich allenfalls als Provisorium für maximal eineinhalb Jahre eigneten. Er verwies auf die fast 200 ehrenamtlichen Helfer in Karlsfeld, die sich bis zu 40 Stunden die Woche engagierten. Schließlich versammelte sich eine kleine Gruppe von Asylsuchenden gemeinsam mit einigen der Münchner Gruppe hinter einem Transparent ("Refugees welcome") und forderten menschenwürdige Bedingungen.

Seit November 2015 lebten fast 300 Flüchtlinge in der Traglufthalle unter ständigem Überdruck, der notwendig ist, um die Zelthülle stabil zu halten. (Foto: Toni Heigl)

Anfang März schon ist die Unzufriedenheit in der Traglufthalle hochgekocht. Der Grund: Zwölf Mitbewohner durften aus der Massenunterkunft, die keinerlei Privatsphäre bietet, in die neuen Holzhäuser an der Parzivalstraße umziehen. Dort stehen abgeschlossene Wohnungen mit eigener Küche und separatem Bad für je sechs Personen zur Verfügung. In der Traglufthalle, die im November 2015 bezogen wurde, müssen die Männer - Familien mit Kindern hat das Landratsamt dort nicht untergebracht - zu sechst in engen Schlafkabinen ohne Dach und mit einem Vorhang statt einer Tür leben. Ohne eigene Kochmöglichkeiten, ohne Fenster nach draußen und ständig mit dem Überdruck, der notwendig ist, um die Hülle stabil zu halten."Es war abzusehen, dass so etwas passiert", sagte Fabian Baur, Sprecher des Helferkreises, der den Landrat in einer E-Mail über einen bevorstehenden Hungerstreik schon informiert hatte.

Am Mittwoch vergangener Woche war es dann soweit. Wolfgang Reichelt, weitere Mitarbeiter des Landratsamts und Hans Bergemann, Leiter des Gesundheitsamtes, fuhren am Donnerstag nach Karlsfeld. Die vier Sprecher der Nationen, aus denen die Flüchtlinge stammen, erklärten die Gründe des Hungerstreiks. Die Security sei angewiesen worden, auf die gesundheitliche Verfassung der Bewohner zu achten, sagte Reichelt. Da die Streikenden Flüssigkeit zu sich nahmen, bestand zunächst keine gesundheitliche Gefährdung. Eine Lösung hat das Landratsamt nicht. Man versuche, sagte Reichelt, alle Bewohner in anderen Unterkünften unterzubringen. Grundstücke seien jedoch kaum zu bekommen, auch Container nur schwer erhältlich und der Bau neuer Holzhäuser brauche einige Zeit.

© SZ vom 29.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: