Karlsfeld:Aus dem schönen Leben wird ein Lebenskampf

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Jeden Tag kämpft die Karlsfelderin gegen Bettwanzen. Um sie zu entfernen, ist eine teure Wärmebehandlung nötig. (Foto: Anna Schwarz)

Innerhalb von etwa einem Jahr verliert Moya Banzouzi aus Karlsfeld gleich zwei Familienmitglieder: Ihren 56-jährigen Ehemann und ihren 22-jährigen Sohn. Seitdem kämpft sie nicht nur mit psychischen, sondern auch finanziellen Sorgen.

Von Anna Schwarz, Karlsfeld

Ihr provisorischer Couchtisch besteht aus einer braunen Paketkiste. Zwei Fotos legt Moya Banzouzi (Name geändert) aus Karlsfeld darauf: Das eine Bild zeigt ihren Ehemann, einen kräftig gebauten Mann, strahlend, in schwarzem Anzug und weißem Hemd. Auf dem anderen Bild grinst ihr Sohn in die Kamera, er trägt einen gelben Helm und ein Football-Shirt, das an den Schultern gepolstert ist. Beide Männer sind tot.

"Er konnte den Tod seines Sohnes wohl einfach nicht verkraften."

"Wir waren zu fünft, eigentlich hatten wir ein schönes Leben", erzählt Moya Banzouzi und kämpft mit den Tränen. Ihre Stimme ist leise. Erst verstarb ihr Sohn 2019 mit nur 22 Jahren. Er war ein begeisterter American-Football-Spieler, im Februar hatte er seine Ausbildung zum Kaufmann in einer Dachauer Tankstelle abgeschlossen, im April war er auf einer Party in Petershausen, kippte zweimal um und starb an Herzversagen. Um damals das Begräbnis zu finanzieren, holte sich das Ehepaar Banzouzi Hilfe bei der Caritas Dachau und stellte einen Antrag beim Sozialamt. Nur ein Jahr später, im Juni 2020, kommt ein zweiter, bitterer Schicksalsschlag: Auch das Leben des Ehemannes endet sehr plötzlich. Er hatte seine Schicht als LKW-Fahrer gerade beendet, als er in der Dusche der Firma zusammenklappte. "Er war nicht krank", erzählt sie. Mit nur 56 Jahren verstarb der dreifache Familienvater an einer Lungenembolie. "Er konnte den Tod seines Sohnes wohl einfach nicht verkraften", meinte ein Arzt damals zur Ehefrau Moya Banzouzi.

Nichts ist mehr wie zuvor: "Wir lachen nicht mehr", erzählt die Karlsfelderin mit den langen schwarzen Haaren, vor rund 31 Jahren kam die Familie aus dem Kongo nach Deutschland und baute sich im Landkreis ein neues Leben auf. Doch nachdem Vater und Sohn innerhalb etwa eines Jahres gestorben sind, war die bisherige Wohnung in Karlsfeld zu groß geworden. Nach langwieriger Suche sind Moya Banzouzi und ihre jüngste Tochter Anfang August in eine kleinere Wohnung gezogen, die ältere Tochter ist nach Frankreich ausgewandert. Das belastet Moya Banzouzi zusätzlich: "Jetzt sind wir nur noch zu zweit hier." Nach den schweren Schicksalsschlägen hat sie sich Hilfe gesucht: Ihre Psychotherapeutin empfiehlt ihr, sich im Alltag abzulenken, etwas zu unternehmen: "Aber nichts hilft", erzählt sie, auf dem Handy zeigt sie ein Foto vom Familiengrab, das sie mit einem Football-Helm und vielen Kerzen dekoriert hat. Neben den psychischen Problemen, kommen auch noch finanzielle Sorgen hinzu, schließlich ist der Vater und damit auch der Hauptverdiener der Familie tot.

Für große Anschaffungen reicht das Geld nicht

Als Putzfrau in einem Hotel verdient Moya Banzouzi rund 1500 Euro, außerdem bekommt sie rund 200 Euro Kindergeld und 160 Euro Witwenrente. Die Mietkosten fressen einen großen Teil der Einnahmen auf: Für die rund 70 Quadratmeter große Wohnung zahlt sie etwa 1100 Euro, inklusive Nebenkosten. Ihre 23-jährige Tochter Lakisha Banzouzi kann finanziell nicht viel beisteuern, sie hat einen Mini-Job und studiert Wirtschaftsmathematik. Eigentlich wollte sie zum Studieren nach Augsburg ziehen, erzählt sie am Telefon: "Aber das konnte ich nicht mehr, weil ich meine Mutter unterstützen wollte."

Geld vom Jobcenter für eine Erstausstattung der neuen Wohnung kann Moya Banzouzi nicht beantragen, weil sie einen Job hat. Für große Anschaffungen reicht das Geld trotzdem nicht. Unter anderem fehlt im Bad der neuen Mietwohnung eine Duschwanne. Wenn Mutter oder Tochter duschen, fließt das Wasser über die ganzen Badfliesen. Außerdem haben sie keine Küche, lediglich einen Kühlschrank, die Schüsseln, Töpfe, verpackte Lebensmittel und Kochutensilien stapeln sich auf dem Boden und auf einem Tisch neben dem Kühlschrank. Einen Esstisch für gemeinsame Mahlzeiten haben Mutter und Tochter auch nicht. Gekocht wird aktuell auf einer mobilen Kochplatte. Ein Provisorium. Doch Tochter Lakisha Banzouzi sagt: "Am wichtigsten wäre, dass wir eine Duschwanne kaufen können."

Vor kurzem trudelte auch noch eine Nebenkostennachzahlung ein

Außerdem kämpft die Familien mit Bettwanzen in der Wohnung. Sie haben sich wohl durch gebrauchte Möbel eingeschlichen. Einen Großteil ihrer Möbel mussten sie schon entsorgen. Im Schlafzimmer von Moya Banzouzi liegen lediglich zwei aufeinandergestapelte Matratzen auf dem Boden, um sie herum sind dutzende Tüten und Umzugskartons, unter anderem mit Klamotten, einen Schrank gibt es nicht. Täglich versucht die Karlsfelderin die Bettwanzen mit einem Insektizid-Spray zu bekämpfen. Die Stiche haben schon dunkle Punkte auf ihren Armen hinterlassen: "Das kratzt und sticht. In der Nacht ist es schwer zu schlafen." Um die Bettwanzen aus der Wohnung zu verbannen, sei eine teure Wärmebehandlung nötig. Die Karlsfelderin sitzt auf ihrem roten Sofa und kramt in einer Umzugskiste mit Rechnungen: Vor kurzem trudelte auch noch eine Nebenkostennachzahlung des ehemaligen Vermieters ein: 2700 Euro muss Moya Banzouzi berappen, um die Heizkosten zu begleichen.

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