Karlsfeld:Finanzdesaster in Karlsfeld

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Die Gemeinde muss dem Energiekonzern Eon 5,5 Millionen Euro zurück bezahlen. Dieses Geld fehlt nun im Haushalt. Bürgermeister Kolbe spricht von einem "immensen Problem".

Gregor Schiegl

- Nun ist die ganze Dimension des Finanzdesasters offiziell: 4,9 Millionen Euro muss die Gemeinde Karlsfeld an zu viel geleisteten Gewerbesteuervorauszahlungen an den Energiekonzern Eon zurückerstatten. Hinzu kommen 600 000 Euro für Zinsen, so dass sich die Finanzlast auf insgesamt 5,5 Millionen Euro summiert. Bis Ende Februar will Kämmerer Alfred Giesinger den Betrag begleichen. Finanziert wird die Millionensumme mit einem kurzfristigen Kassenkredit, der dann in einen langfristigeren Kredit umgewandelt wird. "2013 haben wir ein immenses finanzielles Problem", sagte Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) bei einem Pressegespräch am Dienstag im Rathaus.

Bis 2010 unterhielt das Unternehmen einen Standort in Karlsfeld westlich der Bahn. Das Gelände wird derzeit als neues Wohn- und Geschäftsviertel entwickelt. Kurz vor Weihnachten, als die Zahlen für die Haushaltsberatungen für 2013 bereits zusammengetragen waren, erhielt die Gemeinde einen Steuerbescheid des Finanzamts Düsseldorf, wo Eon seine Konzernzentrale unterhält. Die Höhe der Rückforderungen, die aus den Jahren 2008, 2009 und 2010 aufgelaufen war, schlug im Rathaus ein wie eine Bombe. "Wir hatten höchstens mit zwei oder 2,5 Millionen Euro gerechnet", sagte Finanzreferent Holger Linde (CSU). Tatsächlich liegt die Summe nun mehr als doppelt so hoch.

Dass die Gemeinde davon so kalt erwischt wurde, schreibt Bürgermeister Kolbe dem Finanzamt zu: Für das Jahr 2007 habe es einen deutlich reduzierten Steuersatz angelegt, für die darauffolgenden Jahren 2008, 2009 und 2010 aber jeweils wieder den vollen Satz in Höhe von drei Millionen Euro. "Die komplette steuerliche Betrachtung für den Konzern hat sich in dieser Zeit allerdings komplett geändert", sagte Bürgermeister Kolbe. Mit den bekannten Folgen. Karlsfeld ist nicht die einzige leidtragende Kommune. Auch in Kochel, wo Eon ein Wasserkraftwerk unterhält, sieht sich die Gemeinde mit einer Rückforderung von einer Million Euro konfrontiert, die Gemeinde Finsing im Landkreis Erding mit 675 000 Euro.

Am 28. Januar beginnen in Karlsfeld die Haushaltsberatungen. "Wir schauen, was noch zu schieben ist", sagte der Rathauschef, "die Fraktionen müssen sich noch positionieren - dann werden wir weitersehen." Klar sei, dass die Gemeinde in Zukunft "keine großen Sprünge" machen könne. Auch um Einschnitte bei freiwilligen Leistungen werde sie nicht mehr herumkommen. "Vieles, was bisher selbstverständlich war, wird in Zukunft nicht mehr selbstverständlich sein." Gleichwohl will Kolbe den Sparkurs mit Augenmaß fahren. Jeder Einschnitt bedeute auch eine Verringerung von Lebensqualität - und damit auch die Schwächung eines auch wirtschaftlich bedeutsamen Standortfaktors für die Gemeinde Karlsfeld.

Auch Finanzreferent Holger Linde (CSU), der im Gemeinderat gerne als Sparkommissar auftritt, warnte davor, nun überall den Rotstift anzusetzen. "Wir müssen in die Zukunft investieren", sagte er - vor allem im Bereich Bildung und Kinderbetreuung. "Das sollte man jetzt nicht alles vernichten." Karlsfeld hält sich viel zugute als besonders kinder- und familienfreundliche Gemeinde.

"Wir müssen etwas auf der Einnahmenseite tun", erklärte Kolbe und schloss eine neuerliche Diskussion um die Ausweisung weiterer Gewerbegebiete in Karlsfeld nicht aus. Hart geführte Auseinandersetzungen wie Ende 2010 um die Ausweisung eines Gewerbegebiets an der Schleißheimer Straße, in der die Gegner sich in einem Ratsbegehren schließlich durchsetzen konnten, will er aber unbedingt vermeiden. Kolbe warb für eine "maßvolle Diskussion", an der sich auch die früheren Gewerbegebietsgegner mit konstruktiven Vorschlägen beteiligen sollten. "Es geht nur im Konsens."

Nach der Kreditaufnahme für die Steuerrückforderungen wird sich die Pro-Kopf-Verschuldung Karlsfelds dem Kämmerer zufolge auf rund 200 Euro erhöhen. Im bayernweiten Vergleich steht Karlsfeld damit immer noch gut da. Der Durchschnitt beträgt etwa 650 Euro.

© SZ vom 16.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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