Karlsfeld:Festabend der Ballettschule begeistert die Zuschauer

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Bedauerlicherweise findet keine zweite Aufführung statt. Das Interesse wäre vorhanden.

Von Petra Neumaier, Dachau

Wäre Stolz messbar, er hätte im Saal des Karlsfelder Bürgerhauses alle Skalen gesprengt. Um freie Sicht auf die Bühne bemüht, reckten sich mehr als 600 Hälse, und im Stakkato klackerten unaufhörlich die Auslöser von Kameras: Auf dass auch jede Bewegung auf Pixel gebannt sei. Die jährliche Aufführung der Ballettschule Maria Taglioni war aber auch von der ersten bis zur letzten Minute sehens- und erlebenswert. Daran als Nicht-Elternteil oder sonstiger Verwandter teilhaben zu dürfen, war direkt ein Privileg.

Seit mehr als 27 Jahren besteht die Ballettschule in Dachau. Gegründet und geleitet von Professor Carlos Reyes, der selbst in großen Häusern als Solist, Ballettmeister und Choreograf erfolgreich war. Zusammen mit seinen beiden Töchtern Esther und Janine Hollung unterrichtet er zurzeit 160 Schüler - von drei bis 70 Jahren. "Für Ballett ist es nie zu spät", schmunzelt Barbara Zahn, Moderatorin des Abends und selbst eine "Spätberufene". Denn sie fing erst Feuer, als ihre Töchter den Unterricht besuchten.

Klassische Haltung und klassische Position. Schülerinnen der Ballettschule Maria Taglioni. (Foto: Niels P. Joergensen)

Die Professionalität der Ballettschule spiegelte sich während der gesamten Aufführung beeindruckend wider: Herrlich die Jüngsten Balletteusen in ihren hübschen Tutus, die todernst und hoch konzentriert ihre im Laufe des Jahres einstudierten Schritte vorführten; wunderschön anzusehen die älteren Semester, die auf Spitze drehend und Rad schlagend in wunderschönen Kostümen (entworfen und genäht von Angelika Eberl, Leni Haase, Marianne Hünlein und Maria Schmidt) Geschichten erzählten, wie sie nur Tänzer zur Musik auszudrücken vermögen. Und so flatterten sie bunten Schmetterlingen gleich über die Bühne, verbanden spanische und ungarische Klänge mit klassischem Ballett und rissen das Publikum mit. Tänze und Szenen wechselten in unterhaltsamer Weise ab, bis zum Höhepunkt vor der Pause: Den Auftritten der höheren Klassen mit Szenen aus dem "Schwanensee" - durchaus hätten die Balletttänzerinnen mit professionellen Ensembles mithalten können.

Der Höhepunkt des Abends folgte nach der Pause mit einer Kurzfassung von "Aschenputtel" - zauberhaft von den drei Lehrern der Schule choreografiert und inszeniert. Und hoch professionell von den Solistinnen getanzt: Neben dem Schulleiter selbst in der Rolle des Tanzlehrers, brillierten die zierliche Greta Viebahn als Aschenputtel und Hanna Spanfellner als Bettelelfe. Nur schade, dass es nicht weitere Aufführung gibt. Denn die allermeisten Karten sind den Angehörigen der kleinen und größeren Balletteusen vorbehalten. "Der Aufwand", sagt Barbara Zahn stellvertretend für die Schulleitung, sei halt doch sehr groß. "Aber es gibt ja noch ein nächstes Jahr."

Ballettschülerinnen mit Gefühl für Takt und Rhythmus. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Professor Carlos Reyes gründete im Jahr 1988 seine Ballettschule Marie Taglioni ( benannt nach der ersten Ballerina, die auf Spitze tanzte) in Dachau und leitet sie bis heute. In der Ballettschule wird nach der Waganowa- und Tarassov-Methode unterrichtet. Agrippina Waganowa schrieb 1948 das Lehrbuch "Die Grundlagen des klassischen Tanzes". Alle Pädagogen haben eine fundierte Ausbildung und sind staatlich geprüft. Aufgenommen werden Kinder von vier Jahren an und Erwachsene jeden Alters. Die vom Bayerischen Staat anerkannte Ballettschule bietet Interessierten auch die Möglichkeit, eine Ausbildung bis zur Bühnenreife zu absolvieren und mit einem Zeugnis der Ballettschule Marie Taglioni sich an Theatern zu bewerben. Für die Mehrzahl der Schüler bleibt allerdings der Ballettunterricht ein Hobby für Körper und Seele.

Carlos Reyes hat seine Ausbildung als Tänzer, Ballettmeister und Choreograf in verschiedenen Kompagnien auf der Welt und von berühmten Ballettmeistern erhalten, darunter bekannte Namen wie A. Prokofiev vom Bolschoi Theater in Moskau. In Frankreich, wo er als Solist an der Pariser Oper engagiert war, erhielt er den Titel Professeur Titulaire, welcher ihn zum Unterrichten an staatlichen Ausbildungsstätten befähigt. Weiter führte ihn seine Laufbahn an das Ballet Royall de Wallonie in Belgien und als Solist an die Deutsche Oper Berlin. Im Ballet Nacional Espagnol und im Theater Augsburg war als Ballettmeister engagiert.

© SZ vom 21.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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