Süddeutsche Zeitung

Karlsfeld:Ferienbürgermeister in der Erntezeit

Es ist keine günstige Saison für politische Geschäfte: Wolfgang Offenbeck müsste eigentlich Getreidefelder abernten - doch die Pflicht ruft ihn ins Rathaus.

G. Schiegl

Wolfgang Offenbeck (Foto: Jørgensen) ist Landwirt, aber schon an der Wortwahl des 55-jährigen CSU-Politikers ist zu erkennen, dass er mal Lehrer war: Es habe "ein paar Koinzidenzien" gegeben, sagt er über die vergangene Woche in Karlsfeld. Im Klartext: Es ging politisch rund. Erst platzte die Bombe, dass der finanziell gebeutelten Gemeinde noch eine Millionensumme an Gewerbesteuern wegbricht, weil der Energiekonzern Eon einen Teil seines Betriebs aus Karlsfeld abgesiedelt hat. Und dann verblüffte Bürgermeister Stefan Kolbe die Öffentlichkeit mit der Ankündigung eines Ratsbegehrens über die umstrittenen Pläne für ein Gewerbegebiet am Rand zu Dachau.

Stefan Kolbe hat sich nun für drei Wochen in den Urlaub verabschiedet, seine Amtsgeschäfte führt derweil Offenbeck - nebst einem großen Beerenhof in der Rothschwaige. Und er bewirtschaftet auch noch Getreidefelder, Fläche 60 bis 70 Hektar. Abgeerntet sei erst die Hälfte der Sommergerste, der Weizen stehe noch komplett. Es ist keine günstige Saison für politische Geschäfte. Aber wenn die Pflicht ruft, folgt Offenbeck.

Zwei Stunden kümmert er sich am Vormittag um Gebührenbescheide, Baugenehmigung und Hochzeitsjubiläen. Am Nachmittag geht es dann raus aufs Feld zum Ernten. Das ist auch ohne den Nebenjob im Rathaus nicht einfach in diesem Jahr. "Wir haben keine gute Erntewitterung", zu viel Regen. Wenn die Halme nass sind, können die Bauern nicht ernten. Da könnte man freilich auch sagen: "So, jetzt regieren wir mal ein bisschen durch." Zutrauen würden die Karlsfelder das Offenbeck sicherlich. Er ist ein politisch erfahrener Mann, im Kreistag führt er die CSU-Fraktion. Populär ist er auch, bei Wahlen fährt er die meisten Stimmen ein.

Statt große Politik zu machen, zeichnet Offenbeck aber jetzt nur Verwaltungspapiere ab, schüttelt alten Paaren zur Goldenen Hochzeit die Hand. Diese Pflichttermine häufen sich. Und doch gehe er danach oft bereichert nach Hause, bereichert um "nette charmante Geschichten" von früher. Und manchmal auch um "eine Lebensweisheit". Er glaube im Übrigen nicht, "dass ich Erster Bürgermeister sein sollte", sagt Offenbeck. Was man sich da alles öffentlich von manchen Bürgen an den Kopf werfen lassen müsse, "das ist schon heftig". Das Ratsbegehren, das nach den Sommerferien starten soll, werde sicher auch "nicht ganz einfach" werden. Weder für Bürgermeister noch Gemeinderäte.

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SZ vom 03.08.2010/hai
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