Fenster auf, lüften, dann kann der Unterricht wieder weitergehen. So kennen die Erwachsenen das aus ihrer eigenen Schulzeit. Entsprechend groß war bei vielen Gemeinderäten im Karlsfelder Bauausschuss das Stirnrunzeln, als der Lüftungstechniker Michael Wengert vom Stuttgarter Büro Pfeil & Koch ihnen in der Sitzung am Mittwoch mitteilte, dass es für den Neubau der Grundschule an der Krenmoosstraße erforderlich sei, "eine Nachtbelüftung oder passende Kühlung" zu installieren. "Früher waren die Häuser nicht so gut gedämmt", erklärte er. Um zu gewährleisten, dass das Gebäude sich im Sommer nicht zu sehr aufheize, seien entsprechende Gegenmaßnahmen notwendig.
Die technisch einfachste Möglichkeit wäre es, die Fenster regelmäßig zu öffnen - auch wenn in kalten Monaten dann viel Wärme entweicht. Für die Gemeinde Karlsfeld würden sich die Kosten in Grenzen halten, ist sie mit ihrem Fernwärmeheizkraftwerk doch selbst der Energielieferant der Schule. Dennoch legte Wengert den Ausschussmitgliedern ein Lüftungssystem nahe, entweder mit einer zentralen Anlage oder einer dezentralen Belüftung in jedem Klassenzimmer. "Das Argument ist nicht die Energie, sondern die Lufthygiene", stellte er klar. Selbst bei regelmäßigem Öffnen der Fenster würde sich die Konzentration von Kohlenstoffdioxid (CO₂) auf 3000 bis 4000 Teilchen pro Million erhöhen. Bei frischer Luft liegt die Konzentration bei etwa einem Zehntel. Ab 1000 Teilchen CO₂ können Kopfschmerzen, Müdigkeit und Konzentrationsschwäche auftreten, weshalb staatliche Gesundheitsbehörden für Schulbauten einen Richtwert von maximal 1000 bis 1500 Teilchen vorgeben.
Gemeinderäte müssen aufs Geld schauen
Nach Berechnung des Stuttgarter Büros würde diese Marke bereits nach einer halben Stunde Unterricht geknackt, zu Spitzenzeiten würde die Konzentration sogar auf 5000 Teilchen steigen. Vorausgesetzt, die Fenster werden tatsächlich regelmäßig zum Lüften geöffnet. "Heutzutage sollte man Schülern schon eine vernünftige Luftqualität zur Verfügung stellen", sagte der Ingenieur. Zumal die Kinder ja nun nicht mehr nur wie früher den Vormittag in der Schule verbringen sollen, sondern den ganzen Tag. Allerdings handelt es sich bei einem Richtwert eben auch nicht um einen gesetzlich verbindlichen Grenzwert. "Da verknackt Sie auch keiner", zerstreute der Ingenieur entsprechende Sorgen.
Das Problem für die Karlsfelder Gemeinderäte waren die Kosten: Der Neubau der sechszügigen Schule, die nach dem Münchner Lernhausmodell konzipiert ist, wird eine stattliche zweistellige Millionensumme verschlingen. Wie Karlsfeld unter diesen Bedingungen in den Jahren 2018/19 noch einen ausgeglichenen Haushalt aufstellen will, ist vielen ein Rätsel. Eine zusätzliche Lüftungsanlage würde noch einmal zusätzlich mit 700 000 bis 800 000 Euro zu Buche schlagen. SPD-Fraktionssprecherin Hiltraud Schmidt-Kroll befürwortete diese Zusatzausgaben für die Technik trotzdem "bei so einer modernen Schule" - wie übrigens auch ihre SPD-Parteikollegen und Anton Flügel (Freie Wähler).
"Bleiben wir doch bei der guten alten Karlsfelder Luft"
Dagegen bildete sich aus großen Teilen von CSU und Bündnis für Karlsfeld eine Koalition fürs Stoßlüften. Früher habe das doch auch gut geklappt, sagt CSU-Gemeinderat Johann Willibald. "Tut mir leid, da bin ich erzkonservativ. Bleiben wir doch bei der guten alten Karlsfelder Luft." Auch Bündnis-Fraktionssprecherin Mechthild Hofner konnte der technischen Lösung nicht viel abgewinnen. Es sei wichtig, dass man die Fenster noch öffnen könne, damit wenigstens "ein Gefühl von Restfreiheit" erhalten bleibe. Allerdings stand gar nicht zur Debatte, alles fest zu verglasen. "Dass man die Fenster öffnen kann, ist wichtig für die Psyche", sagte auch der Ingenieur. Nur wären es mit Lüftungsanlage eben weniger Fenster, die sich öffnen lassen; die Mehrkosten für die Technik würden sich si zumindest um 400 000 Euro senken.
"Es muss funktionieren", das war für Rathauschef Kolbe das entscheidende Kriterium. Es soll eine funktionale, praktische Schule sein." Bauamtsleiter Günter Endres warnte daher davor, dass auf die Gemeinde immense Nachrüstungskosten zukämen, wenn die Fensterlüftung alleine dann doch nicht ausreiche. Mit sieben zu sechs Stimmen entschied sich die Mehrheit im Ausschuss schließlich für die konventionelle Belüftung über die Fenster. Unstrittig war angesichts steigender Brandschutzanforderungen dagegen die Entscheidung, das Gebäude in Massivbauweise zu errichten.