Karlsfeld:Der Tunnel ist wieder Thema

Morgenstau

Die vierspurige B 304 in Karlsfeld ist mit mehr als 40 000 Fahrzeugen pro Tag die am stärksten belastete Straße im ganzen Landkreis.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Weil sich der Bund in seinem Verkehrswegeplan offenbar an falschen Zahlen orientiert hat, sagt Minister Dobrindt (CSU) Karlsfeld die erneute Prüfung einer Röhre unter der Münchner Straße zu

Von Gregor Schiegl, Karlsfeld

Karlsfeld kämpft weiter für eine Untertunnelung der Münchner Straße, um die Gemeinde von Lärm und Abgasen des Durchgangsverkehrs zu entlasten - notfalls auch mit dem Bau eines kürzeren Tunnels. Einen Antrag für eine entsprechende Prüfung im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans hat der Gemeinderat am Donnerstag einstimmig beschlossen. "Es geht darum, dass wir in dem Verfahren noch einmal den Fuß in die Tür bekommen", erklärte Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU). "Wenn wir es jetzt nicht schaffen, uns Gehör zu verschaffen, ist das Thema die nächsten 15 Jahre vom Tisch."

Im Entwurf des neuen Bundesverkehrswegeplans, der die Straßenbauprojekt des Bundes bis zum Jahr 2030 auflistet, hatte der Antrag Karlsfelds auf einen Tunnel keine Berücksichtigung gefunden, weil er angeblich unwirtschaftlich ist. Die Entscheidung stieß bei Karlsfelds Gemeinderäten auf Bestürzung und Unverständnis: Die vierspurige Durchgangsstraße ist mit mehr als 40 000 Fahrzeugen am Tag die am stärksten belastete Straße im Landkreis. Immer wieder werden die Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid überschritten. Wegen des Lärms dürfen selbst Wohnhäuser mit Schallschutzfenstern erst in dritter Reihe errichtet werden.

Ein Tunnel würde knapp 140 Millionen Euro kosten

Nach Berechnung des Ministeriums würde der Bau des Tunnels wegen des hohen Grundwasserspiegels in Karlsfeld knapp 140 Millionen Euro kosten; in der Kosten-Nutzen-Abwägung fiel das Projekt damit durch. Allerdings haben die Behörden bei der Entlastungswirkungen offenbar altes Zahlenmaterial hochgerechnet, das von der Realität längst überholt worden ist; die Daten des Verkehrsgutachtens der Gemeinde liefern ganz andere Zahlen. Statt mit einem Entlastungseffekt von etwa 12 000 Fahrten am Tag ist dort von rund 21 000 die Rede, die unter die Erde verlegt werden könnten. Außerdem haben die Behörden offenbar übersehen, dass an der Münchner Straße Leute wohnen und zwar nicht wenige. Die Zahl der Einwohner, die vom Tunnel unmittelbar profitieren, wurde dennoch mit null angegeben. "Wenn alle Projekte so schludrig gerechnet werden, rückt das den Bundesverkehrswegeplan in ein ziemlich schlechtes Licht", sagte SPD-Fraktionssprecherin Hiltraud Schmidt-Kroll.

Neue Chancen für die Gemeinde

Verkehrsreferent Bernd Wanka (CSU) nutzte eine Regionalkonferenz der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vor drei Wochen spontan, um noch einmal nachdrücklich die Sicht der Gemeinde darzulegen. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte zu, das Tunnelprojekt unter Berücksichtigung der neuen Zahlen noch einmal zu prüfen und auch die Alternative eines kürzeren und daher billigeren Tunnels zwischen Allacher Straße und Bajuwarenstraße. Die Röhre könnte nicht nur Lärm- und Schadstoffbelastung im Ort zu verringern; sie würde der Gemeinde auch städtebaulich enorme Chancen eröffnen, den zentralen Bereich attraktiver für Fußgänger und Radfahrer zu gestalten, sagte Wanka der SZ. So könnte vor dem Bürgerhaus ein größerer Platz entstehen, den man auch für Sommerkonzerte nutzen könnte. Ob es Karlsfeld mit seinem Tunnel doch noch in den neuen Bundesverkehrswegeplan schafft, bleibt allerdings mehr als ungewiss. Verkehrsreferent Bernd Wanka sprach selbst nur vorsichtig von einer "Chance".

Morgens um halb sieben schon Stau

Für Karlsfeld wäre es schon ein Erfolg, wenn die Verkehrsbelastung nicht weiter zunähme - ob mit oder ohne Tunnel. Die Münchner Straße ist das Nadelöhr für den Pendlerverkehr von und nach München; durch den Zuzug wächst die Bevölkerung im Landkreis Dachau rasant und damit auch der Verkehr. Mittlerweile gebe es auf dem Weg zum Karlsfelder S-Bahnhof morgens um halb sieben schon Stau, stellte Bündnis-Gemeinderat Adrian Heim fest.

"Der Tunnel wäre die einfachste Möglichkeit zur Entlastung", sagte Verkehrsexperte Christoph Hessel. "Aber selbst mit Tunnel werden Sie Probleme haben." Das integrierte Verkehrskonzept, das er in den vergangenen dreieinhalb Jahren ausgearbeitet hat, sieht eine Vielzahl von Maßnahmen vor, um den Autoverkehr im Ort einzudämmen. "Aus unserer Sicht kann die Gemeinde sehr wohl etwas verändern", sagte Hessel. Im Kern geht es darum, Rad- und Busverkehr attraktiver zu machen. Denn auch die Karlsfelder selbst tragen einiges zu ihrem Verkehrsproblem bei, wie Hessels Studie zeigt.

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